Steckdosen haben im Zukunftslabor kleine weiße Kästchen und ein Kontroll-Lämpchen. Leuchtet es rot, geht es unnötigen Stromfressern an den Kragen: Die Waschmaschine stoppt, der Kühlschrank produziert keine Eiswürfel mehr, das Elektroauto macht Ladepause. Wenn im Stromnetz gerade Rush-Hour herrscht – also eigentlich mehr Energie gebraucht wird, als verfügbar ist – empfängt der kleine weiße Kasten das Signal, alle aktuell nicht erforderlichen Stromnutzer vom Netz zu nehmen. Ist die Lastspitze vorüber, springen die Geräte wieder an. Mit effizientem Energiemanagement sollen das Netz stabiler und letztlich die Stromrechnung günstiger werden.
Diese Vision vom Smart Grid, also dem intelligenten Stromnetz, ist in Forschungsprojekten bereits Wirklichkeit. Bedeutende Unternehmen wie Amerikas Industrieriese General Electric tüfteln eifrig an der Entwicklung praxistauglicher Smart-Home-Konzepte, um sich rechtzeitig ihren Anteil an dem lukrativen Zukunftsmarkt zu sichern.
Zentrale Schaltstellen im intelligenten Stromnetz sind an das Internet angeschlossene Energiemanagement-Plattformen. Über sie können Energieversorger Daten zur Stromverfügbarkeit und die jeweiligen Tarife an die Energienutzer übermitteln. Sind dann auch Waschmaschine, Klimaanlage, Wärmepumpe & Co. vernetzt, tauschen sich die Geräte untereinander hinsichtlich ihres quantitativen und zeitlichen Energiebedarfs aus, um ihn an das gerade verfügbare Stromangebot anzupassen und damit möglichst niedrigpreisige Phasen zu erwischen. Ziel ist es, den individuellen Energiebedarf langfristig so zu optimieren, dass er sich ganz oder zumindest größtenteils, z.B. von einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, decken lässt und man damit weitgehende Energie-Autarkie erreicht.
Solche Plattformen sind längst keine Zukunftsmusik mehr. Bereits seit 2010 schreibt der Gesetzgeber in Deutschland intelligente Stromzähler (Smart Metering) im Neubau sowie bei Totalsanierungen vor. Seit 2011 müssen Energieversorger zudem lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife offerieren, um durch einen finanziellen Anreiz den Energieverbrauch entsprechend dem vorhandenen Angebot zu steuern.
Atomausstieg als Tempobeschleuniger
Effektives Lastmanagement ist ein zentraler Baustein bei der Umsetzung der ehrgeizigen energie- und klimaschutzpolitischen Ziele, die der Europäische Rat im Rahmen des EU-Programms Energy 2020 fixieren wollte. „Treibhausgasemissionen“ sollen um 20 bis 30% gesenkt, die Quote erneuerbarer Energien auf 20% gesteigert und schließlich die Energieeffizienz um 20% verbessert werden. Das Energiekonzept der Bundesregierung geht mit Vorreiter-Ambitionen sogar noch erheblich weiter: Bis 2020 will Deutschland eine CO2-Reduktion um 30% erreichen; der Anteil regenerativer Energien an der Stromerzeugung soll bis dahin auf 35% und dann sukzessive auf 80% bis 2050 klettern. Besondere Dynamik bekommt der Prozess vor dem Hintergrund des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie. Wenn 2022 das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet werden soll, dürfte die Bundesrepublik laut Handelsblatt rund 250 Milliarden Euro allein in Windturbinen, Solaranlagen und Gaskraftwerke investiert haben.
Wenn jedoch die Quote von Energie aus regenerativen Quellen – insbesondere aus Windkraft und Photovoltaik – rapide zunimmt, muss das Stromnetz nicht nur vermehrte dezentrale Einspeisungen, sondern vor allem hohe Erzeugungsschwankungen verkraften. Denn: Sonne und Wind stehen weder gleichmäßig noch exakt vorhersehbar zur Verfügung. Um die Nachfrage störungsfrei zu befriedigen, müssten Energieversorger daher nach der jetzigen Praxis teure Regelenergie vorhalten und zusätzlich ihre Speicherkapazitäten z.B. durch Pumpspeicherkraftwerke erweitern. Das lässt sich aber bei meist regional ausgeprägten Angebotsspitzen etwa von Windkraftanlagen schon heute kaum darstellen. Die Folge: Trotz idealer Wetterverhältnisse stehen zum Teil Windräder still, weil die Netze keine weitere Energie aufnehmen können. Wesentlich sinnvoller ist es daher, die Stromnachfrage stärker als bisher dem Energieangebot anzupassen – und umgekehrt.
Nach wie vor entfällt der Löwenanteil des privaten Energieverbrauchs mit 73% auf den Bereich Heizen und Wärme. Weitere Energieeffizienz-Reserven schlummern im Klima- und Lüftungssektor. Damit bildet Smart Home Automation – also die intelligente, automatische Steuerung der gesamten Haustechnik inkl. unterschiedlicher elektrischer Haushaltsgeräte – nicht zuletzt für die SHK-Branche ein wichtiges Kompetenzfeld und bietet enorme Marktpotenziale.
Ohne Kommunikation kein intelligentes Haus
Dass die Geräte der smarten Generation trotzdem nach wie vor auf den entscheidenden Durchbruch warten, liegt erkennbar auch daran, dass es sehr viele Protokolle (Sprachen) gibt, über die einzelne Geräte unterschiedlicher Hersteller derzeit Daten austauschen. Eine innovative Schnittstelle für die reibungslose Kommunikation heißt EEBus und ist eine Art Klammer für die momentan vorhandenen Protokolle. Er schafft eine Basis für die umfassende Vernetzung bisher isoliert betrachteter Gewerke, Marken und Produkte und damit für den nachhaltigen Erfolg des intelligenten Hauses. In ihm wachsen Wärmepumpen, Heizkörper-Thermostate, Lüftungs- und Klimageräte, Fensterantriebe, Wasch- und Spülmaschinen, Kochplatten und Fernseher zu einer kommunizierenden Einheit zusammen. Die Geräte können sich dabei durchaus unterschiedlicher Technologien bedienen, um eine Kommunikation aufzubauen: per Funk, Powerline oder über Ethernet.
Ob und wie sich der EEBus im wirklichen Leben bewährt, soll zunächst ein Praxistest zeigen. In Aachen, einer der sechs Modellregionen des gemeinsamen E-Energy-Projektes von BMWi und BMU, geht im Jahr 2012 ein weiteres Pilotprojekt an den Start. Der kommunale Energieversorger stattet dort 500 Haushalte mit intelligenten Stromzählern aus und stellt dynamische Stromtarife zur Verfügung. Darüber hinaus erhalten die Probanden verschiedene Haustechnikgeräte namhafter Hersteller, die über den EEBus untereinander und mit dem Energielieferanten verbunden sind. Die Verbraucher beziehen so Informationen darüber, aus welchen Quellen ihr Strom stammt und was er jeweils kostet.
Wichtige Impulse durch Feldtest-Erfahrungen
Derart automatisierte Systeme sind in der Lage, Wärmepumpen, Waschmaschinen und Kühlschränke anhand individueller Vorgaben (z.B. Nutzung von regenerativer Energie aus der Region oder von möglichst preisgünstigem Strom) effizient zu steuern. Neben Erkenntnissen zur technischen Machbarkeit und Praxistauglichkeit des Konzeptes soll der einjährige Feldtest Daten zur Wirtschaftlichkeit des Projektes liefern und über das Nutzerverhalten sowie die Akzeptanz bei den Verbrauchern Aufschluss geben.
Die E.G.O. Elektro-Gerätebau GmbH und die Kellendonk Elektronik GmbH wollen aus Verlauf und Resultaten dieser Bewährungsprobe für den EEBus wichtige Impulse für ihre Zusammenarbeit ableiten. Die Kooperation der beiden Spezialisten (siehe Steckbrief) bündelt das vielfältige Know-how, um unterschiedlichen Marktteilnehmern von der Haustechnik-Industrie bis hin zu Produzenten der weißen Ware vernetzte Perspektiven im Zukunftsmarkt Smart Home Automation zu ermöglichen.
Info
Kleine Fachwortkunde
EEBus: Dieser verbindet verschiedene Kommunikationsprotokolle (KNX, ZigBee, IP), indem er sie auf eine gemeinsame, neutrale Ebene abstrahiert. Dadurch kann die durch unterschiedliche Geräte im Haushalt vorhandene Kommunikationsvielfalt vereinheitlicht werden. Das erleichtert die Verbindung mit dem Energieversorger und die Kommunikation der einzelnen Geräte untereinander.
E-Energy: Das Förderprogramm E-Energy – Smart Grids made in Germany des BMWi und des BMU unterstützt sechs Modellregionen bei der Entwicklung von Beispiellösungen für das intelligente Energiesystem der Zukunft. Zentrale Anforderung ist die weitere Integration erneuerbarer Energien bei Wahrung der Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.
Energiemanagement-Plattform (Energy Management Gateway): Zentrale Steuerungseinheit, auf der im intelligenten Haus die vereinheitlichende Abstraktion der unterschiedlichen Kommunikationsprotokolle umgesetzt wird. Auf ihr laufen die unterschiedlichen Applikationen etwa für das Lastverschiebungsmanagement.
(Kommunikations-)Protokolle: In der Informatik und in der Telekommunikation bezeichnet ein Kommunikationsprotokoll eine Vereinbarung, nach der die Verbindung zwischen zwei Parteien abläuft.
Lastmanagement (Load Management): Um die Netzstabilität auch künftig zu gewährleisten, muss die Netzfrequenz gesichert werden. Sie ergibt sich aus dem Gleichgewicht zwischen Stromeinspeisung und Verbrauch.
Lastspitzen: Kurzzeitig auftretende hohe Leistungsnachfrage im Stromnetz oder in anderen Versorgungsnetzen. Sie muss durch den Einsatz schnell regelbarer Spitzenlastkraftwerke wie Pumpspeicher-, Druckluftspeicher- oder Gasturbinenkraftwerke aufgefangen oder – intelligenter und ökonomischer – künftig durch stromsparende, preisbezogene Anreize ausgeglichen bzw. geglättet werden.
Lastvariable Tarife: Anreiz für Verbraucher von Elektrizität, Strom einzusparen oder Stromnutzung (zeitlich) zu steuern. Inzwischen sind Energieversorgungsunternehmen dazu verpflichtet, solche variablen Tarife anzubieten, um ihren Kunden die Möglichkeit zu geben, Strom dann zu konsumieren, wenn er günstig ist.
Powerline: Oberbegriff für den Prozess, dass stromführende Kabel auch dazu genutzt werden, um parallel zur Energieversorgung Daten zu übertragen. Powerline dient u.a. als Kommunikationsmedium für den EEBus.
Smart Grid: Intelligentes Elektrizitätsversorgungssystem, das die stetige Erzeugung von Energie durch Kraftwerke, Sonne, Wind und Biogas aufnehmen kann und zugleich in der Lage ist, diese effizient und nach individuellen Vorgaben (z.B. hinsichtlich Zeit, Menge oder Herkunft) an den Endverbraucher weiterzuleiten. Es basiert auf wechselseitiger Kommunikation zwischen Stromversorger und angeschlossenen Nutzern.
Smart Home: Intelligentes Haus, in dem sämtliche elektronischen Geräte und Raumfunktionen miteinander verknüpft und über ein zentrales Automatisierungssystem kommunikations- und steuerungsfähig sind. Dadurch werden mehr Energieeffizienz, ein hoher Komfort sowie Flexibilität und Sicherheit für den Energieverbraucher geschaffen.
Steckbrief
Die Kooperationspartner
Die E.G.O.-Gruppe mit Stamm- und Hauptsitz in Oberderdingen (Baden-Württemberg) erzielte 2010 an 13 Produktions- und 9 Vertriebsstandorten mit insgesamt rund 6400 Mitarbeitern einen Umsatz von 525 Millionen Euro. Das 1931 gegründete Unternehmen, das sich zu 100% in Familienbesitz befindet, gehört zu den weltweit führenden Zulieferern der Haushaltsgeräteindustrie. Die innovative Nutzung von Energie für Haushalt und Gewerbe definiert E.G.O. als Kernkompetenz. Dabei erstrecke sich die Bandbreite auf der Basis eines hohen industriellen Qualitätsstandards von Solitärkomponenten bis zu vernetzten, kommunizierenden Produkten.
Die Kellendonk Elektronik GmbH mit Sitz in Köln ist einer der größten herstellerunabhängigen Technologieentwickler für Industrieunternehmen im Bereich Gebäudeautomatisierung und Funktechnologien. Das 1996 von Dipl.-Ing. Peter Kellendonk gegründete Unternehmen beschäftigt etwa 60 Ingenieure und verfügt nach eigenen Angaben über eine hohe Expertise bei der Hardware- und Softwareentwicklung. Die Kernkompetenz liege in der Umsetzung von Produktideen in Konzepte und innovative Lösungen, die bis zur Serienreife entwickelt und weltweit zugelassen werden. Seit Ende 2008 ist die Firma Konsortialpartner im Leuchtturmprojekt E-Energy und wurde zum Protagonisten des EEBus.
Autor
Til Landwehrmann ist Diplom-Kaufmann und kaufmännischer Leiter bei der Kellendonk Elektronik GmbH, 50829 Köln, Telefon (02 21) 5 70 73-1 99, landwehrmann@kellendonk.de, http://www.kellendonk.de
Autor
Martin Wagner ist Diplom-Ingenieur und Leiter Business Development bei der E.G.O. Elektro-Gerätebau GmbH, 75038 Oberderdingen, Telefon (0 70 45) 45-6 80 55, martin.wagner@egoproducts.com, http://www.egoproducts.com