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Fehlende Normung behindert Wachstum

Der Weg zur Energieautarkie

Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeicher, Wärmespeicher und Wärmepumpen müssen in einem künftigen Netto-Null-Energie-Gebäude nach ganz neuen Kriterien dimensioniert werden. Ziel ist eine möglichst hohe Eigenstromnutzung und ein stetig wachsender Autarkiegrad. Fachleute empfehlen, PV-Systeme, Batteriespeicher und gegebenenfalls auch Wärmespeicher nach und nach zu erweitern, jeweils unter Berücksichtigung der Preisentwicklung bei den Stromtarifen, bei den Batterien und bei den PV-Modulen. Die direkte Umwandlung von Strom in Wärme sollte künftig Teil eines netzdienlichen und eigenstromoptimierten Betreiberkonzepts sein, selbst wenn der Strom dazu nicht nur vom Dach, sondern auch aus dem Netz kommt. Strom zu Wärme, neudeutsch Power-to-Heat, gilt unter der Voraussetzung des richtigen Vorgehens fortan nicht mehr als Verschwendung. Allgemeiner Tenor: Kurzfristige Überangebote an Strom lassen sich am einfachsten und wirtschaftlichsten direkt als Wärme speichern, unmittelbar zum Heizen nutzen oder hoch­effizient über Wärmepumpen veredeln. Dem wachsenden Angebot an Stromspeichern, verstärkt durch Fördermittel, stehen jedoch eine lückenhafte Normung bei Lithium-Ionen-Batterien sowie ein Nachholbedarf bei der Zertifizierung von Batterien und Speichersystemen gegenüber. Brancheninsider raten dazu, sich zunächst an zertifizierten Produkten zu orientieren, die auch in der ­Automobilindustrie eingesetzt werden.

Kraftstoff und Wärme aus PV-Strom

„Es gibt keinen Grund, den weiteren Ausbau der Photovoltaik-Anlagen einzuschränken. Wir müssen den gewonnenen Strom nur in eine neue Energieform umwandeln, zum Beispiel in Kraftstoff.“ Für Dr.-Ing. Jann Binder, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW), Stuttgart, ist die Energiewende in erster Linie eine Frage, in welcher Form Energie wirtschaftlich gespeichert und wie durch Lastverschiebung ein Spitzenbedarf vermieden werden kann. Wichtig sei es, den am einfachsten aus Strom herstellbaren Kraftstoff zu nutzen. Und das sei – noch vor Methan und flüssigen Kraftstoffen – Wasserstoff. Auch die Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Energien (EE-Strom) in Wärme und dessen Speicherung müsse vorangetrieben werden, möglichst über den Einsatz von Wärmepumpen. Die Herausforderung der Zukunft liege darin, den Strom- und Wärmebedarf mit von PV-Strom versorgten Gebäuden exakt zu bilanzieren, um daraus ein Gesamtsystem aus Wärmepumpe, Wärmespeicher und Stromspeicher auf der Basis des vom Nutzer gewünschten Autarkiegrades (Strom und Wärme) aus­zulegen. Dabei gelte es, die spezifischen Eigenschaften des elektrischen Speichers, wie maximale und minimale Ladung, Zyklenfestigkeit, Alterung und Lebensdauer, schon bei der Planung mit zu berücksichtigen. Die Berechnung der Wirtschaftlichkeit eines optimal ausgelegten Systems sei aktuell keinesfalls trivial und in hohem Maße von den Batteriekosten und dem Energieverbrauch des Nutzers abhängig. Die künftige Amortisation von PV-Anlagen und Stromspeichern sieht Dr. Binder so:

  • Bis Ende 2012: PV-Anlagen ohne Speicher amortisieren sich über den Einspeisetarif und den geringen Eigenverbrauch.
  • Ab 2016: Der Einspeisetarif allein reicht für die Amortisation der PV-Anlagen nicht mehr aus. Eine genaue Auslegung für einen optimierten Energieverbrauch ist notwendig. Durch den Einbau kleiner Stromspeicher lässt sich die Amortisation von Gesamtsystemen absichern.
  • Ab 2020: Relativ große Stromspeicher verbessern die Amortisation durch die höhere Eigennutzung von PV-Strom. Durch die Preisdegression bei PV-Anlagen und Batteriespeichern sind ab diesem Zeitpunkt größere PV-Anlagen und Stromspeicher wirtschaftlicher als knapp bemessene Komponenten.

Eine wichtige Funktion im Lastmanagement von PV- und Stromspeicheranlagen könnte die Wärmepumpe übernehmen, so Dr. Binder. Seine Empfehlung ab sofort:

  • Entscheidung für eine Wärmepumpe im Rahmen einer Neu- oder Ersatzbeschaffung, da der Mehrpreis gegenüber einem konventionellen Heizgerät gering ist.
  • Thermische Speicher auf die künftigen Rahmenbedingungen ausgerichtet bereits heute größer auswählen, da die Zusatzkosten für größere Speicher verhältnismäßig gering sind.
  • Batteriespeicher installationsseitig vorsehen, aber erst später realisieren, da die spezifischen Kosten aktuell noch zu hoch sind.

Wichtig sei es, dass die Ladestrategie der Batterie netzentlastend wirke und Einspeisespitzen durch am Morgen bereits beladene Batterien vermieden werden. Dazu seien mit Strom aus PV-Anlagen angetriebene Heiz- und Warmwasser-Wärmepumpen mit entsprechend ausgelegter Speicherkapazität bestens geeignet.

Um Batteriespeicher muss man sich kümmern

„Es ist ihre Entscheidung: Ihr Batteriespeicher kann die Energiewende unterstützen, aber auch erschweren.“ Thomas Timke, Competence E, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), machte deutlich, dass Auswahl, Dimensionierung und Betrieb von Stromspeichern für alle Beteiligte erst einmal Neuland bedeuten. „Um Batteriespeicher muss sich der Betreiber kümmern, sonst wird dessen Kapazität nicht genügend genutzt“, so Timke. Bei den Investitionskosten sollte derzeit noch genauer hingeschaut werden, denn sonst sei die Entscheidung für einen Stromspeicher ein Zuschussgeschäft. Wichtigste Eckwerte in diesem dynamisch wachsenden Markt sind die Zykluskosten der Batterien. Je mehr Vollzyklen mit einem Batterietyp erzielt werden können und je niedriger die Investi­tionskosten pro kWh sind, desto niedriger sind die Gesamtspeicherkosten. Aktuell stehen Blei-Säure- und Lithium-Ionen-Batterien noch im Preiswettbewerb zueinander.

Den Nachteilen der Bleibatterie gegenüber Lithium-Ionen(Li-Ion)-Speichern, wie höherer Platzbedarf, geringere nutzbare Nennkapazität, eingeschränkte Kapazität bei schnellen Lade-/Entladezyklen und höhere Zykluskosten, stehe eine ausgereifte Technik zu günstigen Investitionskosten gegenüber, betont Timke. Die Blei-Säure-Batterie sei ideal bei weniger zyklenintensiven Anwendungen und bei längeren Lade-/Entladezyklen.

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal der Blei-Säure-Batterie sei die ausgereifte Technologie, die umfassende Normierung sowie die kalkulierbare Sicherheit. Im Gegensatz dazu sei bei der Li-Ion-Batterie eine Detailbetrachtung notwendig, auch weil die Normung noch lückenhaft sei. „Die Qualität und Sicherheit bei Li-Ion-Batteriesystemen reicht von exzellent bis brandgefährlich“, warnt Timke. Vorteil sei die um 50 bis 80 % Platzersparnis gegenüber Bleibatterien, die 100-prozentig nutzbare Nennkapazität, die Festigkeit gegenüber Teilzyklen und die niedrigen, weiter fallenden ­Zykluskosten. Aber: bei Li-Ion-Batterien handelt es sich um eine noch junge Technologie mit einem gewissen Risiko. „Stellen Sie einen Feuerlöscher daneben!“, rät Timke.

Grundsätzlich sollten Batteriespeicher netzdienlich betrieben werden, zumal der Unterschied zur Eigenstromoptimierung beim Ertrag oft unter 10 % liege. Timke appelliert an Planer und Bauherren, mehr Wert auf die Systemauslegung zu legen, da damit Investitions- und Erzeugungskosten oft signifikant gesenkt und der Autarkiegrad bedeutend verbessert werden könne. Ein realistisches Ziel für den Anteil an Strom aus PV-Anlagen läge zwischen 40 und 70 %. Dass es bei der Planung von Stromspeichern noch an Know-how fehlt, verdeutlicht die Aussage von Timke zu den heute erreichbaren Speicherkosten: Sie liegen pro entladener kWh bei aktuell errichteten Anlagen zwischen 0,60 Euro, obwohl sich die Kosten im Rahmen der Planung relativ genau bestimmen ließen. (Anmerkung: die 0,01 Euro sind kein Tippfehler und wurden auch auf dem Symposium diskutiert.)

Expandierender Markt ohne ausreichende Normen

Trotz der hohen spezifischen Speicherkosten seien Lithium-Ionen-Batterien schon jetzt die meistverwendete Technologie zur Speicherung von Strom aus PV-Anlagen. Allerdings entwickle sich der Markt für stationäre Speicher vergleichsweise langsam. Mit ein Grund für die zögerliche Marktentwicklung sei – neben dem Kostenfaktor – die Unsicherheit aufgrund fehlender Tests und Zertifizierungen, betont Dr. Michael Danzer, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW), Stuttgart. „Das Kostenoptimum verschiebt sich derzeit von nett zu vernünftig“, sagt Danzer diplomatisch. Ein Varta Egion PV-Speicher (Li-Ion) mit 3,7 kWh Speicherkapazität werde im Internet derzeit mit rund 12700 Euro angeboten, ein Batteriespeicher der Firma Sonnenbatterie mit 4,5 kWh (Li-Ion) mit 12376 Euro. Im Durchschnitt liege der Grundpreis für einen Haus-PV-Speicher aktuell bei 10255 Euro zuzüglich eines spezifischen Speicherpreises von 1400 Euro/kWh. Mittelfristig sei ein Grundpreis von 5000 Euro bei einem spezifischen Speicherpreis von 500 Euro/kWh denkbar. Ab 2020 könne mit einem Grundpreis von 3000 Euro und einem Speicherpreis von 200 Euro/kWh gerechnet werden. Eine gewisse Langsamkeit bei der Marktaufbereitung sei durchaus angebracht, denn noch hätte die Sicherheit von Li-Ion-Batterien ein hohes Verbesserungspotenzial. Danzer: „Hauptursachen für Brände von Lithium-Ionen-Batterien sind interne Kurzschlüsse durch Fremdpartikel sowie Überladungen durch Fehler im Batteriemanagementsystem.“ Typische Fehlerquellen bzw. die Ursache für Fehler seien Fehlbedienung (Hitze, Überladung, Überentladung, externer Kurzschluss), mechanische Krafteinwirkung (Aufprall, Quetschen, Schütteln, Schock) oder interne Kurzschlüsse durch Fremdpartikel beziehungsweise Dendritenwachstum. „Lithium-Ionen-Batterien sind nicht für Gebäude in den bekannten Überschwemmungsgebieten geeignet“, warnt Danzer. Auch sei eine Sackkarre für den Transport von Batteriespeichern wegen der Erschütterungen nicht empfehlenswert. Eine Ausweitung von Missbrauchs- und Sicherheitstests seien deshalb unabdingbar. „Ohne Zertifizierung und ausreichende Normen ist ein sicherer Betrieb derzeit nicht gewährleistet“, betont Danzer.

Energiespeicher sind nichts für Angsthasen

Auch andere Fachleute sehen den Status quo der Stromspeicher noch kritisch. „Wer bereit ist, eine Technologie einzusetzen, die signifikante Lücken bei der Normung und Zertifizierung aufweist, der liegt bei Stromspeichern richtig“, sagt Stephan Scheuer, TÜV Rheinland LGA Products GmbH, Köln. „Stromspeicher sind nichts für Angsthasen.“ Es fehle an standardisierten Anforderungen und Tests. Deshalb sei der Einsatz von stationären Batterien im Privatbereich eher noch riskant. „Die Brandgefahr wird unterschätzt“, mahnt Scheuer. Stromspeicher gehören seiner Ansicht nach weder in die Nähe von Öl-, Gas- oder Pelletheizkesseln, noch in Keller und Tieflagen, bei denen mit Wassereinbrüchen oder Überschwemmungen gerechnet werden muss. Als weitere Risiken sieht Scheuer Rückkopplungseffekte mit Invertern und mit Systemen der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie im Zusammenhang mit der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV). Auch die Kurzschluss- und Überladungssicherheit sei noch nicht endgültig geklärt. Weitere Risiken seien Staub und Feuchtigkeit sowie Erschütterungen durch Erdbeben, Bauarbeiten, Straßenverkehr und letztendlich auch durch den Transport der Speichermodule. Die Frage, was passiert, wenn Li-Ion-Module die Treppe hinunterfallen, sei keinesfalls geklärt, betont Scheuer. Offen sei auch, ob/beziehungsweise wie Räume mit Li-Ion-Batterien belüftet werden müssen und wie bei Bränden mit Li-Ion-Batterien vorgegangen werden soll. Leider gehe die Normungs- und Zertifizierungsarbeit nur langsam voran, da viele Institutionen involviert seien, bis hin zu den Vermarktungsnormen der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE). Wichtig für das Inverkehrbringen von Li-Ion-Batterien sei die Zertifizierung nach BATSO (Battery Safety Organization), da nur erfolgreich zertifizierte Batterien eine Online einsehbare ID erhalten. Auszug aus dem BATSO-Test:

  • Batterien müssen einem externen Brand mindestens 30 Minuten widerstehen können (Prüfung nach EN 14470).
  • Das Batteriesystem muss einer Überflutung mit 30 cm Wassersäule widerstehen, bei Bodenaufstellung 50 cm über ­eine Dauer von 90 Minuten.
  • Das Batteriegehäuse muss mit Schrauben oder anderen Verschlusstechniken versehen sein, die ein Öffnen nur mit Spezialwerkzeug zulässt.

Scheuer plädiert dafür, die Normung und Zertifizierung voranzutreiben und die Schulung von Fachhandwerkern zu forcieren. „Von Stromspeichern geht ein vergleichbar hohes Risiko aus wie von Gasheizkesseln. Dort rechnen wir mit deutlich über 100 Schadensfällen pro Jahr in ganz Deutschland.“ Auch die Sachversicherer hätten die Risiken erkannt und arbeiten derzeit an Empfehlungen.

Die anschließende rege Diskussion bestätigte die Brisanz bei der Markteinführung von Li-Ion-Speichern. Man solle geriffelte chinesische Zellen vermeiden und auch bei zertifizierten Zellen chinesischer Herkunft vorsichtig sein. Wer sicher gehen will sollte nur Zellen verwenden, die auch in der Automobil­industrie eingesetzt werden, denn diese seien mit Sicherheit zertifiziert.

Anreizsysteme für Stromsteuerung schaffen

Dezentrale Stromerzeuger können einen wesentlichen Beitrag im Energiesystem der Zukunft leisten. Voraussetzung sei, dass dem Benutzer die Rolle des Energiemanagementsystems (EMS) verständlich gemacht werde, sagt Birger Becker, Forschungszentrum Informatik (FZI), Karlsruhe. „Der Benutzer muss abgeholt werden. Gleichzeitig müssen wir Anreize schaffen, um bei Stromüberschuss im Netz Stromverbraucher zuzuschalten und bei Strommangel abzuschalten.“ Becker plädiert für einen möglichst lokalen Ausgleich zwischen Stromverbrauch und Stromerzeugung, zum Beispiel durch die Einbindung von BHKW, durch Lastverschiebung und dezentrale Speicherkapazitäten. Die Maximierung der Eigenstromerzeugung sowie die Erhöhung der Energieautarkie von Gebäuden und Netzsegmenten sei ein Schritt in die richtige Richtung. Externen Systemdienstleistern komme dabei eine wichtige Rolle zu, insbesondere zur Bereitstellung von positiver und negativer Regelleistung sowie von Minutenreserven. Denkbar sei auch die Bereitstellung von realen und virtuellen Energie- und Leistungsspeichern. Dabei könnte auch die Zeitfolge der Ladevorgänge bei Elektrofahrzeugen eine netzdienliche Rolle übernehmen, ebenso die aktive Ansteuerung von Wechselrichtern von PV-Anlagen. Wichtig sei die Entwicklung von nutzergerechten Gebäudeenergiemanagementsystemen, um die Energieflüsse in einem Gebäude transparent zu machen. Dabei gelte es, folgende Daten zu visualisieren:

  • Übersicht über die Energieflüsse des Gesamtsystems im Gebäude,
  • integrierte Darstellung aller Energieleistungen (elektrischer, thermischer und chemischer Art),
  • Anzeige der Eigenstromnutzung und des Autarkiegrads des Gebäudes,
  • Anzeige externer Anreizmechanismen,
  • Statusinformationen von Stromverbrauchern/Geräten,
  • Freiheitsgrad, diese Geräte zu aktivieren bzw. zu deaktivieren,
  • Darstellung von Systementscheidungen.

Selbst bei hohem Automatisierungsgrad müsse jedoch für den Benutzer die Option ­offengehalten werden, automatisierte Entscheidungen manuell zu überschreiben. Das FZI hat dazu die interdisziplinäre Forschungsumgebung „Living Lab smart energy“ realitätsnah aufgebaut, um die Entwicklung von Lösungen unter nahezu Praxisbedingungen zu testen.

Viel hilft viel ist keine Lösung

Mit weiter fallenden Preisen für PV-Anlagen, deutlich steigenden Preisen für Netzstrom und weiter fallenden Einspeisevergütungen wächst der Wunsch vieler Energiebezieher nach PV-/Batterieanlagen, um eine möglichst hohe Autarkierate zu erreichen. Dabei gelte es, die Größe der PV-Anlage und die Kapazität des Batteriesystems in Abhängigkeit der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie netzdienlicher Kriterien zu dimensionieren, sagt Detlef Beister, SMA Solar Technology AG, Niesetal. Wer zu viel PV-Leistung vorhalte, könne einen höheren Autarkiegrad erreichen, müsse aber auch mehr in das Netz zurückspeisen, allerdings bei weiter sinkenden Einspeisetarifen. Die Steigerung der Batterie-Kapazität verbessere die Autarkie und führe damit zu einer sinkenden Abhängigkeit vom Netzstrom, mindere aber bei zu groß ausgelegtem Batteriespeicher und überdimensionierter PV-Anlage die Nutzungsmöglichkeit der Batteriekapazität. Dies führe zu überproportional ansteigenden Zwischenspeicherkosten und zu einer energiewirtschaftlich unvorteilhaften Belastung des Netzes durch eingespeisten Überschussstrom, insbesondere in der Mittagszeit. Beister: „Viel hilft viel ist keine Lösung für Eigenstromversorgungssysteme.“ Besser sei ein abgestimmtes PV-/Speichersystem in Kombination mit einem intelligenten Energiemanagementsystem, das steuerbare Stromverbraucher und Speicher auf der Basis von Prognosen (Eigenerzeugung, Verbrauch) nach Autarkiekrite­rien schaltet. Oft reiche die Zwischenspeicherung von 2 kWh PV-Strom aus, wie es beispielsweise mit dem Kombi-Wechselrichter Sunny Boy Smart Energy möglich ist, um den Grad der Autarkie zu erhöhen. Wichtig zur Verbesserung der Stromselbstversorgung seien steuerbare Stromverbraucher, die nicht an eine bestimmte Einschaltzeit gebunden sind, wie beispielsweise eine Warmwasser-Wärmepumpe. Eine führende Rolle könnten künftig Elektrofahrzeuge übernehmen, die als zusätzliche Stromspeicher fungieren.

Aktuell sei – unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gegebenheiten – eine Eigenstromverbrauchsquote von 60 bis 70 % möglich, allerdings unter der Voraussetzung, dass PV-Anlage und Batteriesystem optimal aufeinander abgestimmt sind. Sobald Smart-Grid-Geschäftsmodelle zur Verfügung stehen, könne es durchaus auch wirtschaftlich sinnvoll sein, nachts preiswerten Windstrom aus dem Netz in die Batterien zu laden, beispielsweise im Winter. Beister: „Im Smart Grid können intelligente PV-Systeme mit Speicher ihr Potenzial erst richtig ausschöpfen und damit weiteren Mehrwert für den Nutzer generieren.“

Eigenstromverbrauch von 30 auf 70 % erhöhen

„Die Betriebsstrategie des Batteriespeichers ist entscheidend für die Netzentlastung.“ Auch Dr. Johannes Kostka, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, plädiert für einen ganzheitlichen, kundenorientierten Lösungsansatz, da nur so ein maximaler Kundennutzen und die Netzdienlichkeit von Stromspeichern in Übereinstimmung gebracht werden könne. Bei PV-Systemen für private Haushalte stehen der Eigenverbrauch von grüner Energie, die Notstromversorgung und die Reduzierung der Netzbelastung im Vordergrund. Ohne Speicher läge der Eigenstromverbrauch an Strom aus PV-Anlagen bei nur 30 %, mit Batterien könnten 70 % erreicht werden. Bei Gewerbe und Industrie könne mithilfe von Stromspeichern die Spitzenlast reduziert, der Eigenverbrauch der grünen Energie gesteigert und damit die Energiekosten optimiert werden. Systemdienstleistern eröffnet der Einsatz beziehungsweise die Bündelung von Batteriespeichern zusammen mit Angeboten negativer und positiver Regelleistungen ein neues Geschäftsmodell. Gleichzeitig könne damit die Spannungshaltung im Netz verbessert und die Schwarzstartfähigkeiten von Stromerzeugern wie beispielsweise von Windkraftanlagen oder BHKW abgesichert werden. Unter Schwarzstartfähigkeit ist die Fähigkeit eines Kraftwerks zu verstehen, vom abgeschalteten Zustand ausgehend unabhängig vom Stromnetz hochzufahren. Mithilfe von Quartierspeichern sei es möglich, KWK- und Photovoltaikanlagen so aufeinander abzustimmen, dass ein hoher Grad an Autarkie auf dezentraler Ebene erreicht wird. Langfristig seien dadurch Autarkiegrade von 95 % möglich, betont Kostka, und weiter: „Durch solche Systemdienstleistungen kann der bundesweit geplante Netzausbau reduziert werden.“

Überschussstrom in Wärme umwandeln

Erst wenn alle Speichermöglichkeiten in einem mit Eigenstromerzeugern ausgestatteten Haus ausgeschöpft sind, sollten die Überschüsse ins Netz eingespeist werden. Die richtige Strategie dazu bietet nach Ansicht von Christof Wiedmann, E3/DC GmbH, Osnabrück, ein Tochterunternehmen der EWE AG, Oldenburg, das „Hauskraftwerk S10“, das Stromerzeugung, Speicherung (Batterie, Wärme) sowie E-Mobilität in einem System vereint. Es unterscheidet sich von anderen Lösungen dadurch, dass sowohl Gleich- als auch Wechselstrom (PV-DC, PV-AC), Strom von Mikro-Windkraftanlagen sowie von Mikro-KWK-Anlagen direkt dem Hybridspeicher zugeführt werden können. Wichtig sei es, PV-Strom ohne Wechselrichterverluste in die Batterien einzuspeichern. Anstatt PV-Stromüberschüsse ins Netz abzugeben sei es heute schon wirtschaftlicher, diese in Wärme umzuwandeln, beispielsweise in Heizungspufferspeicher oder Trinkwassererwärmer. Wiedmann empfiehlt dazu das Solarstrom-Regelsystem Reparco, das auch die Steuerung von Stromabnehmern (Waschmaschine, Geschirrspülmaschine, Wärmepumpe, Elektroauto sowie von Heizstäben in Speichern) übernimmt. In Passivhäusern sei auch die Aktivierung von Infrarotheizkörpern vorstellbar. Auch die Rückspeisung von Strom aus der Batterie eines Elektrofahrzeugs ins Hausnetz könne mit dem Regelsystem gesteuert werden. Langfristiges Ziel sei es, in einer Siedlung mit PV-versorgten Häusern einen zentralen Stromspeicher gemeinsam zu bewirtschaften, um durch die unterschiedlichen Nutzungsgewohnheiten eine noch höhere Autarkie für die Gesamtanlage zu erreichen. Die größte Unsicherheit bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Batteriespeichern seien politische und gesetzgeberische Veränderungen bei den Rahmenbedingungen. Dennoch rät Wiedmann zur Investition in Batteriespeicher: „Ab 5 % Strompreissteigerung pro Jahr rechnen sich die Speicherkosten.“

Lastgang bei Ladengeschäften leicht vorhersehbar

Standardisierte Shops und Läden bieten schon heute ein hohes Potenzial zur Nutzung von PV-Strom, da Stromangebot und Lastverlauf gut prognostizierbar und die äußeren Einflüsse auf den Stromverbrauch vergleichsweise gering sind. Daikin hat dafür den „Dai­kin-Effizienz-Shop“ entwickelt, mit dem Ziel eines skalierbaren Systemangebots von PV-Anlage und Luft/Luft-Wärmepumpe aus VRV-Modulen. Am Beispiel eines 400 m2 großen Textil-Shops erläuterte Thomas Graupenberger, Daikin Airconditioning GmbH, Unterhaching bei München, die Vorteile dieser Kombination. So lägen die durchschnittlichen Energiekosten für Strom, Heizöl beziehungsweise Erdgas in Gebäuden des Textil- und Bauhandels bei 40 Euro je m2 Verkaufsfläche. Für die Daikin-Effizienz-Shops wird dagegen mit nur 26 Euro/m2 Verkaufsfläche gerechnet. Durch die PV-Anlage (30,5 kWp Gesamtleistung, Südausrichtung, 15° Neigungswinkel, ein Zentral-Wechselrichter mit 30 kW AC-Nennleistung) könne bei einem Jahresenergiebedarf von 54640 kWh von einem Ertrag durch das PV-System von 34222 kWh/a ausgegangen werden. Dabei sei ein Eigenverbrauch von rund 20500 kWh/a möglich; 13700 kWh/a müssten ins Netz eingespeist werden. Für den Bau der PV-Anlage empfiehlt Graupenberger das von den Stadtwerken Stuttgart entwickelte PV-Pachtmodell (Details im Info-Kasten), da hiermit die Zahlungsstruktur zwischen Gebäudeeigentümer, Investor, PV-Anlagenpächter und dem Netzbetreiber beziehungsweise Energieversorger gut nachvollziehbar sei und der Ladenbesitzer Investitionskosten einspare.

Keine Netzentlastung durch konventionelle Batteriespeicher

Ohne netzdienliche Regelstrategien von Batteriespeichern keine Netzentlastung, ohne Energiespeicher keine Energiewende. So lässt sich das Credo der Tagung zusammenfassen. Sven Albertsmeier, Sonnenbatterie GmbH, Wilpoldsried, kritisiert die heute oftmals noch konventionelle Betriebsweise von Batteriespeichern: da nachts meist zu wenig Strom verbraucht werde, sei die Batterie gerade dann vollgeladen, wenn um die Mittagszeit fast alle PV-Anlagen maximal ins Netz einspeisen. Sonnenbatterie entwickelte deshalb eine selbstlernende Steuerung, die auf der Basis von Prognosen (Stromerzeugung, Stromverbrauch, Stromüberschuss/Peaks, Speicherbedarf) einen netzdienlichen Betrieb des Batteriespeichers ermöglicht. Wichtig sei das Peak-Shaving, also die Kappung von Spitzen, sowohl bei der Stromeinspeisung als auch beim Stromverbrauch. Die Prognosedaten seien die Grundlage für eine ferngesteuerte Nutzung virtuell gebündelter Stromspeicher zum Generieren von positiver und negativer Regelleistung durch einen Systemdienstleister. Durch die Teilnahme am Regelenergiemarkt könne jeder Stromspeicher künftig bei Stromüberangeboten und Stromdefiziten sekundenschnell netzunterstützend eingreifen. Albertsmeier: „Durch die intelligente Netzeinbindung von Stromspeichern können Milliardeninvestitionen in den Netzausbau vermieden werden. Batteriespeicher können schneller als andere Technologien auf Netzschwankungen reagieren und damit Reservekapazitäten schaffen.“

Fazit

Die breite Einführung von Stromspeichern erhöht die Eigenstromnutzung, verbessert den Autarkiegrad eines Gebäudes und entlastet das Stromnetz. Voraussetzung hierfür ist ein netzdienlicher Betrieb sowie die Entwicklung von Geschäfts- und Anreizmodellen zur Rückspeisung von Überschussstrom aus dem Netz. Für eine breite Markteinführung der favorisierten Lithium-Ionen-Batterien ist eine umfassende Normung und Zertifizierung der Zellen wie auch der Systeme erforderlich. Wichtig für den Nutzer, beziehungsweise Betreiber ist die Transparenz der Energieflüsse und eine verständliche Anzeige externer Anreizmechansimen, wie Niedrigpreis-Angebote aus Netzüberschüssen oder Bedarf an Regelenergie durch Strommangel im Netz. Die wichtigste Botschaft für die Heizungsbranche lautet: Die Umwandlung von Überschussstrom zu Wärme ist die derzeit wirtschaftlichste Art der Speicherung, ob über eine Wärmepumpe oder einen simplen Heizstab.

Info

Pachtmodell in Stuttgart

Die Stadtwerke Stuttgart installieren und finan­zieren die Photovoltaikanlage auf dem Dach des ­Gebäudeeigentümers.

Der Verbraucher vor Ort pachtet anschließend die fertiggestellte PV-Anlage von den Stadtwerken Stuttgart.

Um als Betreiber der Anlage zu gelten (Vermeidung der EEG-Umlage), muss das wirtschaftliche Betriebsrisiko der PV-Anlage beim Anlagenpächter ­liegen.

Der Anlagenpächter überträgt die mit der PV-Anlage zusammenhängenden Aufgaben (insbesondere Wartung und Betriebsführung) durch entsprechende Verträge auf die Stadtwerke Stuttgart und sichert die PV-Anlage durch den Abschluss von Ver­sicherungen (zum Beispiel Diebstahl, Ertragsausfall und Haftpflicht) gegen Risiken ab.

Entscheidend ist, dass keine Lieferbeziehung für den erzeugten Strom besteht. Vielmehr erzeugt der Anlagenpächter beim Anlagenpachtmodell den Strom in seiner gepachteten PV-Anlage selbst.

Der lokal erzeugte PV-Strom, welcher vor Ort ­eigenverbraucht wird, ist von der EEG-Umlage befreit und durch das Pachtmodell über die Vertragslaufzeit gegenüber Strompreissteigerung abge­sichert.

Quelle: Stadtwerke Stuttgart, PV-Pachtmodell

Autor

Wolfgang Schmid ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, 80751 München, wsm@tele2.de