Das Frabo-Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat in der SHK-Branche für Aufsehen und Wirbel gesorgt. Demnach sagt ein Zertifizierungszeichen wie das vom DVGW nicht aus, dass ein Produkt unbedenklich in der Trinkwasserinstallation eingesetzt werden kann. Zur Erinnerung: Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) muss Frabo, einem italienischen Hersteller von Pressfittingen aus Kupfer und Rotguss, das Zertifizierungszeichen ausstellen, obwohl die dafür geltenden Anforderungen im aktualisierten DVGW-Regelwerk nicht vollumfänglich erfüllt sind. Inzwischen hat der DVGW Revision gegen das Urteil eingelegt.
Verantwortungsbewusste Hersteller der SHK-Branche sehen das DVGW-Zertifikat als wichtigen Baustein der Prophylaxe. Trinkwasserhygiene ist ein vielschichtiges Thema. Ein Vergleich verdeutlicht diesen Standpunkt: Um die Sicherheit im Straßenverkehr aufrecht zu erhalten, gibt es die Straßenverkehrsordnung, die TÜV-Prüfung, Verkehrszeichen, Leitplanken, Ampeln, eine Führerscheinprüfung und letztendlich muss jeder Verkehrsteilnehmer sich persönlich anmelden und unterschreibt so juristisch seine Verantwortung.
Gefährdungsbeurteilung als Grundlage
Für Systeme, die von einem bestimmungsgemäßen Betrieb abhängig sind, ist es selbstverständlich, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Eine Risikoanalyse des Trinkwassersystems wird dann ergeben, dass folgende Einflussgrößen die Qualität des Endproduktes wesentlich verändern können:
- Materialien (Qualitäten und Quantitäten)
- Ausführung von Komponenten
- Einhaltung von betriebstechnischen und bautechnischen Vorgaben (Dimensionierung, Temperaturen u.v.m.)
- Betriebsweise (Stillstand, Anfahren, Betrieb)
Folglich ist es richtig, der Hygienerelevanz eines Trinkwassersystems, seinen eingesetzten Komponenten und dem Betrieb mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Hier geht es schließlich um ein Lebensmittel und damit um gesundheitsbezogene Ziele!
Ähnlich wie das TÜV-Prüfzeichen beim Auto nicht garantiert, dass die Fahrt unfallfrei verlaufen wird oder die Vorgaben der Straßenverkehrsverordnung durch die Plakette eingehalten werden, ist das DVGW-Prüfzeichen zu werten. Jeder Fachmann setzt mit der TÜV-Plakette funktionierende Bremsen und Beleuchtung voraus – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Erst im Zusammenspiel mit dem Führerschein (Erlernen des Betreibens), der Anerkennung der Straßenverkehrsordnung (Akzeptanz von Regeln der Technik) und der notwendigen Kontrolle mit Maßnahmen ergibt das Ganze einen Sinn. Die Notwendigkeit all dieser Maßnahmen wird von der Allgemeinheit anerkannt. Um die Gesundheit der Verbraucher sicherzustellen, muss das in Trinkwassersystemen – auch in anderen wasserführenden Systemen – und in gasführenden Systemen genauso gemacht werden.
Trinkwasserhygiene gegen Legionellen
Der erste Meilenstein einer verantwortlichen Prophylaxe ist und bleibt der Einsatz von Produkten und Verfahren, die durch akkreditierte Branchen-Zertifizierer geprüft sind. Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) regelt das im § 17. Dass der jeweilige Zertifizierer nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik vorzugehen hat, ist eine Selbstverständlichkeit. Zertifikate sind notwendig, aber alleine nicht ausreichend, um ein von Krankheitserregern unbelastetes Trinkwasser zu gewährleisten. Der dazu erforderliche Aufwand für Unternehmer und sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage sowie überwachende Behörden rechtfertigt sich mit der tödlichen Gefahr, die insbesondere mit Legionellen-Infektionen verbunden ist. Denn Legionellen sind eine reale Gefahr aus dem Wasserhahn:
- jährlich etwa 800000 Lungenentzündungen in Deutschland
- jährlich rund 48000 bis 64000 Tote durch Lungenentzündungen
- bei etwas über 4 % der Erkrankungen wurden Legionellen als Erreger identifiziert
- es kommt zu jährlich ca. 32000 Infektionen
- dabei liegt die Sterblichkeitsrate bei geschätzt 6 %
- das sind jährlich etwa 1920 Todesfälle
Das kann kein verantwortlicher Installateur, Planer oder Betreiber ignorieren. Bei Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung von Trinkwasseranlagen müssen bau-, betriebs- und verfahrenstechnische Maßnahmen ergriffen werden, um die Vermehrung von Legionellen zu vermeiden. Dies bedingt in aller Regel auch den Einbau, den Betrieb und die Instandhaltung von Wasseraufbereitungsanlagen, die dem Schutz der Installationen vor Inkrustationen, Kalkablagerungen und Korrosion dienen.
Mehr Praxisbezug täte gut
Klar ist: Leitsätze und Leitlinien werden nach der Erst-Erstellung immer wieder geändert, müssen auch ergänzt werden. Klar ist auch: Weil nicht alle Leitlinien-Ersteller (VDI, DVGW, ZVSHK, DIN, BHKS, BG-Info u.v.m.) unabhängige technisch-wissenschaftliche Vereinigungen sind, kommt es leider zu einem schwer nachvollziehbaren Durcheinander – das könnte geändert oder verbessert werden.
Auch der Praxisbezug ist zuweilen suboptimal: Wenn der Ersteller eines Regelwerkes postuliert, die Einhaltung seiner Regeln sichere ein hinsichtlich Mikrobiologie und Chemie einwandfreies Trinkwasser, ist und bleibt das angreifbar. Es ist einfach, einen „bestimmungsgemäßen Betrieb“ zu definieren – aber die Realität ist nun mal die unregelmäßige Wasserentnahme.
Ein praktisches Merkblatt, das jedem Verbraucher die Stagnationsproblematik einfach erklärt und praxisbewährte Lösungsmöglichkeiten aufzeigt (Spülen, automatische Ventile), wäre effizienter als die Beschreibung eines „bestimmungsgemäßen Betriebs“. Auch das Festlegen von Wassertemperaturen (z.B. Kaltwasser: max. 25°C, Warmwasser: min. 55°C) suggeriert nur Sicherheit. Wartung und Inspektionen sind ebenso notwendig und ergeben alleine auch keine 100-prozentige Sicherheit.
Verständnis für kritische Schwachstellen fördern
Dass es keineswegs genügt, sich einfach auf Komponenten mit DVGW-Prüfzeichen zu verlassen, das hat der Fall Warstein uns allen vor Augen geführt: Wochenlang wurde nach der Legionellen-Quelle gesucht, mehr als 160 Menschen erkrankten an Legionellose, drei Todesfälle waren zu beklagen. Eine Verkettung aus Legionellen in Kläranlagen, die in den Vorfluter geraten, aus dem wiederum Wasser für ein Rückkühlwerk zum Einsatz kommt, und so über Aerosole die Menschen in Warstein erreichen, ist ein schwer durchschaubarer Verkeimungsweg, der zeigt: Sicherheit ist keine eindimensionale Sache, sondern eine komplexe Angelegenheit, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln durchdacht werden muss!
Normen und Vorgaben müssen kontinuierlich verbessert werden, unterliegen also einem Prozess. Wer noch vor drei Jahren nach etwas älteren Normen gebaut hat, kann heute diese Änderungen, z.B. bei der Dimensionierung, nur zur Kenntnis nehmen. Auch dies zeigt: Sicherheit erlangt man in Trinkwasseranlagen nur durch ein Managementsystem mit Audits, mit dem Verständnis für kritische Schwachstellen und dem Wissen um die Hygienerelevanz der zum Einsatz kommenden Komponenten. Letztendlich ist auch die Kontrolle durch ein akkreditiertes Labor notwendig, um zu verifizieren, dass keine Gefahr besteht. (Aber auch das wird ja schon wieder diskutiert.) Wie das Beispiel Straßenverkehr zeigt, ist das Zusammenspiel vieler Maßnahmen wichtig. Schon deshalb muss das DVGW-Zeichen als Gütesiegel bleiben.
Übrigens: Dass ein Produkt ein Zertifizierungszeichen trägt, hat den Ersteller eines Systems (d.h. der ganzen Anlage durch den Installateur) noch nie davon befreit, die richtige Auswahl von Komponenten (z.B. Dimensionierung, Werkstoffwahl u.v.m.) sowie die Vorgaben der Bauordnungen, des Systemschutzes u.v.m. durchzuführen oder zu beachten. Der Ersteller eines Systems baut sehr oft eine Sondermaschine und übernimmt deshalb die Produkthaftung dafür. Hersteller von Produkten und Verfahrenslösungen überdenken diese Problematik schon etwas länger und versuchen, sich der Situation bestmöglich zu stellen. Die hygienische Unbedenklichkeit unseres Trinkwassers ist ein hohes Gut. Es lohnt sich, dafür technisch wie organisatorisch einen gewissen Aufwand zu akzeptieren.
Fazit
Trinkwasser-Hygiene ist eine vielschichtige Herausforderung. Da ist ein Prüfzeichen nicht die alleinige Antwort. Es ist und bleibt aber ein gewichtiger Pfeiler. Deshalb plädieren wir dafür: Das DVGW-Zeichen als Gütesiegel muss bleiben.
Autor
Dipl.-Ing. Willibald Schodorf ist Leiter Technische Geschäfte bei der BWT-Wassertechnik GmbH in 69198 Schriesheim. Telefon (0 62 03) 73 73, willibald.schodorf@bwt.de, http://www.bwt.de