Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Ganz auf Sonne ausgerichtet

Energie sparen mit ästhetischem Anspruch

Inhalt

Ein interdisziplinäres Team von Forschern und Ingenieuren hat monatelang jedes Detail durchgerechnet und getestet. Nach sechs Monaten Bauzeit konnte das Regensburger „Haus der Zukunft“ im Herbst 2009 die gläsernen Schiebetüren öffnen. Es nutzt Solarthermie und Photovoltaik für die Heizung. Gekühlt wird über die natürliche Lüftung mit Zuführung über das Erdreich. Das Einfamilienhaus in bester Donaulage hat eine Wohnfläche von 172 m2 plus 66 m2 Keller, Terrasse und Garage. Im Erdgeschoss befinden sich ein großer Wohnraum, eine Wohnküche, der Eingangsbereich mit Treppe und das Gästebad. Drei weitere Räume und zwei Bäder liegen im Obergeschoss. Im Keller steht das Komplettheizungssystem Solar Compleet von Sonnenkraft, das ebenfalls seit 2009 auf dem Markt ist.

Zur Solarwärmepumpe gehören die auf dem Dach montierten rautenförmigen Solarkollektoren und Photovoltaik-Module. „Die Kollektoren wurden extra passend angefertigt“, erklärt Markus Staudigl, leitender Ingenieur von Sonnenkraft. „Das soll die Flexibilität dieser Technik zeigen. Kollektoren können bei jedem Gebäude nach Wunsch angepasst werden und ergänzen sich optimal mit moderner Architektur.“ Das Bauprojekt soll zeigen, dass sich ein erschwingliches Haus mit wenig Energieverbrauch, einem solaren Heizsystem und attraktiver Architektur mit verfügbaren Produkten realisieren lässt.

Die energetischen Tests und Berechnungen führte das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg durch. Hier wurde die Ausrichtung der Fassadenwinkel simuliert und die Dämmung der Wände getestet. „Allein zwei Wochen hat es gedauert, das hoch komplizierte Datenmaterial des ISE auf ein realisierbares Holzmodell zu übertragen“, sagt Architekt Stephan Fabi, der zuständig war für die Planung und Ausführung des Baus. Fabi ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Regensburg und sein Büro Fabi Architekten bda zählt zu den 50 bekanntesten bayerischen Architekturbüros.

Die Durchführung des Bauvorhabens wurde ermöglicht durch das finanzielle Engagement des Bauherrn, der Firma Sonnenkraft Deutschland. Mit rund 60 Mitarbeitern organisiert das Regensburger Solarenergieunternehmen den Vertrieb und Kundendienst für die Produkte von General Solar Systems, einem Tochterunternehmen der zur VKR-Gruppe gehörenden Solar-CAP A/S aus Dänemark. Mit dem Haus verwirklichten die Solar-Spezialisten ihre Vorstellung von einem Gebäude, das auf der Basis einer Wärmepumpe kombiniert mit Sonnenkollektoren weitgehend autark beheizt werden kann. Im Unterschied zum herkömmlichen Modell des Passivhauses sollte ein neues Gebäudekonzept weniger auf Energieeinsparung, sondern vor allem auf solarer Energiegewinnung basieren.

Fassadenwinkel sind auf die Einstrahlung abgestimmt

Die Form des Gebäudes mit der auffälligen polygonalen Dachkonstruktion ähnelt einem Kristall, der das Sonnenlicht einfängt. Die Fassadenwinkel folgen dem Verlauf der Sonne entlang der jeweiligen Tages- und Jahreszeit. Für die Nutzung der Sonnenenergie sind die Ausrichtung der Flächen, die Strahlungsintensität und die Sonnenscheindauer besonders bedeutsam. „Unser Ziel war es, die architektonischen Möglichkeiten unter energetischen Gesichtspunkten konsequent umzusetzen“, betont Architekt Fabi, „die Geometrie des Gebäudes ist sehr komplex und die Umsetzung anspruchsvoll. Ohne die Rechenleistung von Computern wäre dies nicht möglich gewesen.“ Die Winkel von Dach und Wänden wurden exakt auf die Sonneneinstrahlung abgestimmt. Sie werden beispielsweise in Richtung Südwesten steiler und passen sich der Sonne an. Durch diese Ausrichtung des Gebäudes kann die Solarenergie auch bei weniger günstig gelegenen Grundstücken optimal ausgenutzt werden. „Dass die Gebäudeform der Sonneneinstrahlung folgt, war für mich als Architekt eine spannende Herangehensweise“, sagt Fabi. Der polygonale Grundriss lässt sich an die Grundstücksbedingungen anpassen.

Den Baukörper des Hauses bildet ein hochgedämmter Holzrahmenbau. Alle Glasflächen bestehen aus einer 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasung. Massive Treppenhauswände, die Brettstapeldecke und schwere Fußbodenkonstruktionen sorgen für hohe thermische Speichermassen. Großflächige Parallelschiebetüren waren ein Zugeständnis an die (barrierefreie) Wohnqualität. Die offene Südfassade sorgt für gutes Licht und Wohnatmosphäre. Vertikal-Lamellen und das auskragende Obergeschoss bilden einen automatischen Sonnenschutz. Falls sich die Nutzung ändert, kann das Erdgeschoss als separate Wohneinheit abgetrennt werden, indem man die Innentrennwände versetzt. Damit der Wohnraum hell und freundlich wirkt, wurde über der Fußbodenheizung im Untergeschoss ein weißer Kalkfußboden verlegt. Im Obergeschoss wird die polygonal-kristalline Gebäudeform räumlich erlebbar. Bäder, Böden und Teile der Wände wurden dort mit weiß geöltem Eichenholz verkleidet.

Ohne anspruchsvolle Haustechnik geht es nicht

Die Haustechnik im Solaraktivhaus besteht aus den Komponenten Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpe, Erdwärmetauscher, kontrollierte Wohnraumlüftung und Fußbodenheizung. Eine kompakte EIB-gesteuerte Haustechnik regelt die passive Nutzung der Sonnenenergie im Winter von Süden und Westen sowie die automatische Beschattung der Südglasflächen im Sommer. Um eine Übertechnisierung des Hauses zu vermeiden, lässt sich diese automatische Regelung durch die Bewohner auch abschalten. Die mechanische Querdurchlüftung vom Untergeschoss bis zum Dach sorgt für optimalen Luftaustausch. Die Lüftung über den Erdreichwärmetauscher kann, ebenso wie die Wärmepumpe, im Sommer im Umkehrbetrieb zu Kühlzwecken eingesetzt werden.

Auf dem Dach sind 55 m2 PV-Module sowie 35 m2 Solarthermie-Kollektoren montiert. Sie werden im Heizungssystem zusammengeführt. Die solarthermieunterstützte Luft/Wasser-Wärmepumpe mit 1000-Liter-Speicher ist das energetische Herzstück des Hauses. Die Anlage kombiniert die Wärmepumpentechnologie von Danfoss mit der Solartechnik von Sonnenkraft und steuert mit nur einem Regler die gesamte Heiztechnik. Solare Überproduktion wird über die Außeneinheit der Wärmepumpe, die hinter der Garage steht, abgeleitet. In der Jahresbilanz speist die PV-Anlage mehr als den Strombedarf der kompletten Haustechnik und des Haushalts zurück ins Netz und sorgt für eine positive Energiebilanz. Der solare Deckungsanteil beträgt 30 %.

Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Sonnenkraft-Geschäftsführer Peter Gawlik.

Info

Daten zum Energiebedarf

Heizwärmebedarf 29 kWh/m2a

Primärenergiebedarf 38,7 kWh/m2

Transmissionsverluste 0,30 W/m2K

Primärenergiebedarf ENEVNeubau zum Vergleich 109,4 kWh/m2

Besserer Zugang zum Architekten

#NB_BILD[N=3;A=C;Z=Y;B=CLIENT]#

Tendenziell eher angespannt sind oftmals die Verhältnisse zwischen Architekten und Handwerkern. Der Hersteller Sonnenkraft bietet deshalb einen besonderen Support an, um die Kommunikation zu verbessern.

SBZ: Wer sich die Bilder vom „Haus der Zukunft“ anschaut, wird Unterschiede zu vielen realisierten Projekten feststellen. Oft werden ohne Rücksicht auf Verluste einfach nur irgendwie möglichst viele Module auf das Dach geklatscht. Ich fahre immer wieder durch Ortschaften, die von solchen Solaranlagen regelrecht verschandelt werden.

Gawlik: Das ist leider wahr und auch mir fallen solche Flickenteppiche immer wieder auf. Wir von Sonnenkraft verfolgen deshalb einen grundlegend anderen Ansatz. Für uns steht neben dem Energiegewinn auch die Ästhetik im Mittelpunkt. Wenn man das Thema richtig angeht, kann eine Solaranlage durchaus zum Schmuck des Hauses werden.

SBZ: Und Ihr Projekt in Regensburg ist dafür sicher eine überzeugende Referenz. Verhältnismäßig einfach ist es jedoch nur, wenn Geld keine Rolle spielt. Im Text fiel das Wörtchen „erschwinglich“. Wie teuer wäre ein solches Haus in der Serienfertigung – wenn ich das mal so sagen darf?

Gawlik: Der Preis liegt auf dem Niveau vergleichbar hochqualitativer Gebäude, eine Serienfertigung ist derzeit nicht angedacht. Natürlich ist das Energie-Einsparpotenzial in der Nutzung des Gebäudes enorm. Es ging uns mit diesem Haus in erster Linie aber um den Beweis, dass sich Ökonomie, Ökologie, Funktion und Ästhetik unter ein Dach bringen lassen. Das Haus ist seit 2011 privat bewohnt und funktionierte auch während des vergangenen harten Winters überzeugend.

SBZ: Wenn ich mir Ihr Angebot anschaue, dann sind Sie bei Solarthermie breit aufgestellt. Sie führen sogar Kollektoren mit Maßanfertigung bei vom Standard abweichenden Geometrien. Bei PV ist Ihr Angebot begrenzt. Werden Sie dieses entsprechend vergrößern, sodass Sie solche Projekte in Zukunft komplett mit eigenen Produkten bestücken können?

Gawlik: Wir sind überzeugt von der Zukunft der PV im Sinne der dezentralen Energieversorgung und werden stetig an unserem Produktprogramm arbeiten. Ziel ist die Erfüllung der gleich hohen technischen wie ästhetischen Ansprüche, die wir an die Solarthermie stellen.

SBZ: Bleiben wir bei der Ästhetik. Können Sie mit Ihrem Anspruch überhaupt in die Breite des Marktes gelangen? Oder anders ausgedrückt: Wie groß ist denn Ihre Truppe?

Gawlik: Als Zweistufler fällt es uns natürlich etwas leichter, den direkten Kontakt zu unseren Kunden im Handwerk, das sind etwa 2500, zu pflegen. Die Mehrzahl dieser Fachhandwerker nimmt auch an unserem Partnerprogramm teil, wo wir nicht nur technische Fortbildungen anbieten, sondern auch auf Verkauf und die Akquisition von Neukunden schulen.

SBZ: Wenn Sie auf architektonisch anspruchsvolle Projekte abzielen, dann habe ich Zweifel, ob eine Verkaufsschulung ausreicht. Die Handwerker müssen Architekten überzeugen, was durchaus zur Herausforderung werden kann.

Gawlik: Sie sprechen den zentralen Punkt an. Als Ergänzung zu unserem Trainingsprogramm haben wir Berater, die die Handwerker bei Verkaufsgesprächen begleiten. So erzielen wir einen großen Lerneffekt und unsere Handwerker werden nach ein paar gemeinsamen Terminen im Umgang mit anspruchsvollen Architekten sicher.

SBZ: Und wie viele solcher Berater haben Sie im Einsatz?

Gawlik: Zurzeit sind es fünf, aber es sollen mehr werden, denn unser Hauptziel ist die Emotionalisierung der Heizung. Diesen Anspruch können wir nur dann umsetzen, wenn wir die Handwerker mit der entsprechenden ästhetischen Kompetenz ins Rennen schicken.

SBZ: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.