Bei altersbedingten und chronischen Krankheiten ist es für die Planung unabdingbar, zu wissen, was wahrscheinlich noch folgt, um sensibel auf die kommenden Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Und auch, um Produkte auszuwählen, die zukünftigen körperlichen Veränderungen angepasst werden können.
Sinnesorgane nehmen weniger Information auf
Mit fortschreitendem Alter nehmen die Sinnesorgane immer weniger Informationen auf. Das betrifft vor allem Augen und Ohren, aber auch den Tastsinn. Die Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) betrifft fast alle Menschen. Sie beginnt ca. mit dem 45. Lebensjahr und schreitet bis zum 70. Lebensjahr fort. Hierbei ist scharfes Sehen in der Nähe (40 bis 100 cm) nicht mehr möglich; das Sehen in der Ferne bleibt erhalten. Den alterungsbedingten Elastizitätsverlust der Linse gleicht eine Lesehilfe aus. Seheinschränkungen können auch durch Erkrankungen wie grauer Star, grüner Star oder eine Farbblindheit entstehen.
Von einer Altersschwerhörigkeit sind in der Gruppe der 70- bis 79-jährigen Menschen jede fünfte Frau und jeder dritte Mann betroffen. Das Hörvermögen für hohe Frequenzen nimmt ab, was die Wahrnehmung von Signal- und Klingeltönen erschwert und das Verstehen von Sprache einschränkt. In Gesprächssituationen übertönen Umgebungsgeräusche die Sprache. Ein Hörgerät kann hier Abhilfe schaffen; doch sollten auch dann geräuscharme Gesprächssituationen geschaffen werden.
Ein verringertes Tastempfinden kann das Greifen insbesondere kleinerer Gegenstände erschweren.
Krankhafte Veränderungen der Körperstatur
Veränderungen der Körperstatur ziehen unterschiedliche Folgen wie z.B. einen geänderten Blickwinkel und Greifradius nach sich. Die Bechterewsche Erkrankung zählt zu den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und führt zu Veränderungen an der Wirbelsäule. Die Patienten zeigen eine charakteristische nach vorn übergebeugte Haltung mit einer verkrümmten Wirbelsäule, was in der Laiensprache als Buckelbildung bezeichnet wird. Je nach Ausprägung kann auch die Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sein, was u.a. zu einem erhöhten Sturzrisiko führt.
Die Osteoporose ist eine Skeletterkrankung, die mit verminderter Knochenmasse und -festigkeit einhergeht. Folgen sind eine Abnahme der Körpergröße, ein Rundrücken oder eine Buckelbildung. Die Erkrankung geht mit einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche einher. Schätzungen besagen, dass jährlich 65000 Schenkelhalsbrüche als Folge der Osteoporose entstehen. Fast 80% der Osteoporose-Kranken sind Frauen, es erkranken 30% aller Frauen nach den Wechseljahren daran.
Eingeschränkte und verlorene Bewegungsfähigkeit
Menschen, die sich unsicher bei der Bewegung fühlen, bewegen sich weniger und verlieren dadurch immer mehr an Bewegungsfähigkeit. Unsicherheit kann auch durch Angst vor einem Sturz entstehen. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer verminderten Festigkeit der Knochensubstanz, was die Gefahr eines Knochenbruchs bei einem Sturz erhöht. Bei den über 65-Jährigen erleidet jeder Dritte mindestens einmal im Jahr ein Sturzereignis mit einer daraus folgenden vorübergehenden oder andauernden Einschränkung der Selbstständigkeit.
Bei Gelenkerkrankungen kommt es je nach Schweregrad zu Bewegungseinschränkungen bis hin zu Versteifungen und somit zu einer aufgehobenen Beweglichkeit. Gelenkerkrankungen können rheumatisch, durch Abnutzung oder Verletzungen bedingt sein. Sind Hände oder Füße betroffen, muss man mit den Bewegungseinschränkungen leben und benötigt entsprechende Hilfsmittel. Bei großen Gelenken wie Knie- oder Hüftgelenk kann ein künstlicher Gelenkersatz Abhilfe schaffen. Gerade in der anschließenden Rehabilitationsphase kann eine barrierefreie Wohnraumgestaltung die Wiedererlangung der Bewegungsfähigkeit unterstützen.
Menschen mit von Geburt an fehlenden oder missgebildeten Gliedmaßen haben gelernt, mit dem Handicap zu leben. Im höheren Alter benötigen sie aufgrund der Alterungsprozesse jedoch angepasste Unterstützungssysteme. Auch bei krankheits- oder unfallbedingten Amputationen erhöht eine barrierefreie Umfeldgestaltung die Bewegungsfähigkeit.
Schlaganfall
Der Schlaganfall beschreibt ein Krankheitsbild, bei dem es z.B. durch eine Minderdurchblutung oder einen Gefäßverschluss im Gehirn zu einem Untergang von Nervenzellen kommt. Je nach dem, wo im Gehirn die Nervenzellen geschädigt worden sind, folgen daraus unterschiedliche Beeinträchtigungen: Es kann die rechte oder linke Körperhälfte komplett gelähmt sein. Trotzdem können Patienten einen Teil der Bewegungsfähigkeit durch die Rehabilitation wiedererlangen. Gerade für diese Menschen sind an den Fähigkeiten des Nutzers orientierte Unterstützungsmöglichkeiten notwendig. Zusätzlich können Störungen des Hautempfindens und auch Sprachstörungen auftreten.
Erkrankungen der Nerven
Die Parkinsonsche Erkrankung beruht ebenfalls auf dem Untergang von Nervenzellen. Der Krankheitsverlauf kann heutzutage zwar verzögert, aber nicht gestoppt werden. Für den Patienten bedeutet dies, dass die Einschränkungen und damit der Unterstützungsbedarf im Krankheitsverlauf zunehmen. Der deutsche Name Schüttellähmung beschreibt die hauptsächlichen Beeinträchtigungen: Ruhezittern und Bewegungseinschränkung. Für Parkinson-Patienten sind z.B. das Aufstehen und Hinsetzen erschwert, der Greifradius ist stark eingeschränkt und das Greifen beeinträchtigt. Das Gangbild ist verändert und selbst kleine Hindernisse können zu Stolperfallen werden. Die nach vornüber gebeugte Körperhaltung erhöht das Sturzrisiko. Eine Folge der Krankheit ist eine eingeschränkte Mimik und Gestik sowie Funktionsstörungen an inneren Organen.
Die Diagnose Multiple Sklerose wird in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr gestellt. Bei dieser Erkrankung treten Entzündungen in Gehirn und im Rückenmark auf. In der Folge können Nervenzellen untergehen und es entstehen Narben, was der Krankheit den Namen gegeben hat: viele Narben. Die Krankheit kann sehr unterschiedliche Verläufe zeigen: Manche Patienten zeigen nur während eines akuten Krankheitsschubes Symptome. Andere Patienten behalten nach jedem Schub Einschränkungen zurück, wobei zwischen den einzelnen Schüben Monate aber, auch Jahre liegen können. Der Unterstützungsbedarf muss dem Verlauf der Erkrankung angepasst werden. Fortschreitende Lähmungen schränken die Bewegungsfähigkeit der Beine und Arme massiv ein; auch das Hautempfinden kann gestört sein.
Lähmungen
Bei einer Querschnittslähmung sind Nervenleitungen, die aus dem Gehirn in den Körper führen, unterbrochen. Ursachen können Verletzungen, Tumore und Erkrankungen wie die Multiple Sklerose sein. Je nach Höhe der Schädigung im Rückenmark können alle vier Gliedmaßen (Tetraplegie) oder die Beine (Paraplegie) gelähmt sein, eine aktive Bewegung ist nicht mehr möglich. Zusätzlich kann es zu einer Entleerungsstörung von Blase und Darm kommen. Ebenso ist das Hautempfinden in den betroffenen Bereichen meist nicht mehr vorhanden, sodass Schmerzen nicht mehr gespürt werden bzw. das Empfinden für Temperaturunterschiede eingeschränkt sein kann, sodass die Wassertemperatur durch Fühlen nicht mehr korrekt eingeschätzt wird.
Fazit
Je nach Schweregrad der Bewegungseinschränkung unterstützt der Einsatz von Hilfsmitteln wie Rollstuhl oder Rollator den Erkrankten in seinem Alltag. Die individuell auf den Nutzer und seine Fähigkeiten ausgerichtete Badgestaltung verleiht Sicherheit und unterstützt bzw. erhält die selbstständige Lebensführung. Wichtig zu wissen ist, dass Osteoporose, Morbus Bechterew, Parkinson und Multiple Sklerose chronische Krankheiten sind, die nicht geheilt werden können. Kunden, die selbst oder deren Angehörige daran leiden, sind besonders sensibel zu behandeln. Es geht bei der Badplanung vor allem darum, die Räume den zunehmenden körperlichen Einschränkungen anzupassen und bereits im Vorfeld Erweiterungsmöglichkeiten – auch für den Pflegefall – einzuplanen.
SBZ Tipp
Produkte nach Krankheitsbildern auswählen
In der Datenbank https://www.shk-barrierefrei.de/ können Sie nach Produkten und Krankheitsbildern recherchieren. Dabei werden die Produkte nach Krankheitsbildern sortiert und das Fortschreiten der Alterserscheinungen und Krankheiten mit eingeplant. Je nach körperlichem Defizit werden Produkte vorgeschlagen, die diese Einschränkung kompensieren.
Damit kann der SHK-Profi über mehrere Jahre vorausschauend planen, jeweils individuell für den Kunden und seine persönlichen Bedürfnisse. Schließlich ist das Ziel, das Bad so lange wie möglich selbstständig zu benutzen.
Autor
Dr. Stefanie Gurk leitet die Beratungsagentur Medical Consulting und setzt sich seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema Wohnen und Leben im Alter auseinandersetzt. Medical Consulting begleitet verschiedene SHK-Fachkraft-Qualifikationen in diesem Bereich.
Medical Consulting, 47799 Krefeld
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