Zeitgemäße RLT-Anlagenkonzepte sollten sich optimal auf die vielfältigen Anforderungen moderner Hotels, Büro- und Geschäftsgebäude wie Nutzungsänderungen, Mieterwechsel, Gebäudemanagement, Einzelraumregelung u.s.w. anpassen lassen. Hierbei ist insbesondere der Nutzbarkeit und Variabilität eines Gebäudes, einzelner Bereiche oder Räume zukünftig ein wesentlich höherer Stellenwert beizumessen. Das bedeutet die Funktionssicherheit der Flächen möglichst uneingeschränkt zu gewährleisten. Der Begriff Nutzbarkeit sollte deshalb weiter gefasst werden. Er muss neben den zu gewährleistenden Hygiene- und Behaglichkeitskriterien auch die Vielfalt der technischen und technologischen Randbedingungen stärker berücksichtigen. Beide Aspekte unterliegen mehr oder minder fortschreitenden kurzfristigen und langfristigen Änderungen. Diese können begründet sein in:
- den sich verändernden Nutzungsbedingungen eines Gebäudes über die Lebensdauer und den daraus resultierenden klimatechnischen Forderungen,
- den veränderlichen sommerlichen Außenklimabedingungen,
- den veränderlichen Ansprüchen der Nutzer hinsichtlich der thermischen, hygienischen, visuellen und akustischen Behaglichkeit und
- oft fehlenden frühzeitigen und unzureichenden oder mangelhaften Informationen im Planungsprozess an und zwischen Auftraggeber, Planer, Architekt und Nutzer.
Ein Klimasystem, das auf diese realen Praxisbedingungen sehr gut ausgerichtet werden kann, ist die VRF-Multisplittechnik.
- Sie erlaubt dem Architekten eine weitestgehend harmonische Eingliederung der Anlagenkomponenten in die moderne Gebäudegestaltung.
- Sie ist für den Planer ein sehr gutes RLT-System unter raumlufttechnischen Aspekten, d.h. z.B. der Gewährleistung thermischer Behaglichkeitsanforderungen, um auf veränderliche Nutzungsbedingungen in unterschiedlichen Räumen eines Gebäudes eingehen zu können.
- Sie bietet für den Vermieter eines Gebäudes Möglichkeiten, Räume variabel vermieten zu können.
Die dezentrale VRF-Technik, die übrigens als erste bereits Anfang der 1990er-Jahre Akzente in Sachen dezentraler Klimatisierung in Deutschland gesetzt hat, ist eine in den letzten Jahren immer mehr bei Sanierungen, Umnutzungen und auch bei Neubauten zur Anwendung kommende, technisch anspruchsvolle Lösung. Sie sollte gleichwertig mit den zentralen und anderen dezentralen raumlufttechnischen Anlagenlösungen gesehen werden. Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Systeme gegeneinander zu werten, wie auch in letzter Zeit in der Fachpresse vorgenommen, erscheinen müßig, kaum sinnvoll und zweckmäßig. Vielmehr sollte der Grundsatz verfolgt werden: Jedes RLT-System hat unter entsprechender Berücksichtigung der jeweiligen Randbedingungen und ökonomischen Aspekte wie Investitionskosten oder Betriebskosten seine Einsatzberechtigung und kann dann auch energetisch und ökonomisch günstig betrieben werden. Es ist begrüßenswert, dass jetzt in der Literatur – beispielsweise in Recknagel-Sprenger-Schramek, Taschenbuch für Heizung + Klimatechnik oder in Trogisch, Planungshilfen Lüftungstechnik (Hinweis im Info-Kasten) – die Klassifikation der RLT-Anlagen durch die Kategorie Luft-Kältemittel-Anlagen ergänzt wurde. Mit dieser Darstellung wird dem Planer und SHK-Handwerker die Möglichkeit gegeben, eine Einordnung der unterschiedlichen Systeme der Klimatisierung vornehmen zu können.
Mit der VRF-Technologie ist es gelungen, analog zur Massenstromregelung bei der Heizung und der Volumenstromregelung in der Lüftung, den Massenstrom des Kältemittels an die jeweiligen Heiz- bzw. Kühllasten energetisch effektiv anzupassen. Mit einem Kältekreis können bis zu 180kW Kühl- bzw. 200kW Heizleistung bereitgestellt werden und damit bis zu 64 Räume einzelregelbar klimatisiert werden. Bei Anforderung größerer Leistungen werden mehrere Kältekreise über BUS-Systeme regelungstechnisch zu einer Gesamt-Versorgungseinheit zusammengeschaltet. Leistungen über 500kW sind gegenwärtig kein Problem und sowohl international als auch in Deutschland erfolgreich realisiert worden.
Trotz solch großer möglicher Gesamtleistungen bleibt das VRF-Klimasystem aufgrund seiner dezentralen Struktur äußerst flexibel und reaktionsschnell. Es erscheint als kaum zutreffend, wenn der Unterschied zwischen (dezentralen) Luft-Kältemittel-Anlagen einerseits und Luft-Wasser-Anlagen oder anderen andererseits anhand der Anlagengröße bzw. Anlagenkapazität bewertet wird. Wie eingangs ausgeführt, sollte vielmehr die Nutzbarkeit eines Gebäudes die Art der zu planenden bzw. zu realisierenden RLT-Anlage determinieren. Es hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt und wird auch fachlich positiv eingeschätzt, dass mit dezentralen Luft-Kältemittel-Anlagen anspruchsvolle, große Lösungen zur Zufriedenheit der Nutzer und Betreiber realisiert werden können.
Die folgende thesenhafte Beschreibung der dezentralen Klimatisierung mittels Luft-Kältemittel-Anlagen soll sowohl als Anregung zur Beschäftigung mit diesem System dienen als auch auf markante Vorteile aufmerksam machen.
- Heiz- und Kühllasten werden direkt über umweltfreundliche, ungiftige und nichtbrennbare Kältemittel mit Ozonschädigungspotenzial (ODP=0) durch die im zu klimatisierenden Raum installierte Inneneinheiten abgeführt.
- Dezentrale Lastabführung und dezentrale Heiz- und Kühlenergiebereitstellung.
- Eine Anlage bietet drei Luftbehandlungsfunktionen: Heizen, Kühlen, Entfeuchten.
- Nutzung der Luft/Luft-Wärmepumpe als Heizkomponente führt zu signifikanter Primärenergieeinsparung und Reduzierung der Schadstoffemission.
- Hohe Energieeffizienz, da der Energietransport nur mit einem Wärmeträger erfolgt.
- Hohe Betriebssicherheit durch modularen Aufbau, optimierte Baugruppen und Komponenten sowie einen spezialisierten Anlagenbau.
- Die Anlagen bestehen aus Inneneinheiten (Wärmeübertragereinheiten) und elektrisch oder gasmotorisch angetriebenen Außeneinheiten.
- Eine Außeneinheit kann bis zu 64 Inneneinheiten versorgen.
- Energietransport zwischen Innen- und Außeneinheiten über Kältemittelleitungen kleinen Durchmessers; keine großdimensionierten Luftkanäle erforderlich.
- Ausführung als Zwei- und Dreirohrsysteme (zeitgleiche Bereitstellung von Heiz- und Kühlleistung an verschiedenen Orten innerhalb des Gebäudes) mit Gesamtrohrnetzen von 300 bis zu 1100m je Außeneinheit.
- Durchgängige dezentrale Bauweise (nicht nur dezentrale Anordnung der Inneneinheiten, sondern auch dezentrale Leistungsbereitstellung durch die Außeneinheiten) garantiert maximale Flexibilität bei Umnutzung der klimatisierten Flächen.
- Große Versorgungsleistungen werden durch regelungstechnische Verknüpfung einzelner, schnellreagierender Kältekreise bzw. Außeneinheiten problemlos erreicht.
- Dezentrale Anordnung der Außeneinheiten (dezentrale Bereitstellung der Heiz- und Kühlleistung) führt zur Optimierung und Minimierung der Leitungswege zu den Inneneinheiten.
- Außenluftzufuhr entweder dezentral oder zentral aufbereitet über kleine Luftkanalquerschnitte (hygienisch erforderlicher Mindestluftwechsel).
- Komfortable Bedienungs- und Gebäudeklima-Managementsysteme gehören zum Anlagen-Knowhow.
- Einzelraumregelung und Energie-Einzelraumabrechnung für jede Inneneinheit sind Standardausrüstung.
Schlussfolgerungen
VRF-Multisplitsysteme für die Gebäudeklimatisierung gewinnen in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Das äußert sich in schon zahlreichen ausgeführten Anlagen, aber auch durch die Präsenz in Fachzeitschriften, Fachbüchern und dem weit verbreiteten Schrifttum. Es gibt jedoch auch immer wieder Unkenntnis bezüglich dieser Systeme. Schulungen, Veröffentlichungen und Vorlesungen über die Möglichkeiten und Einsatzgrenzen der VRF-Multisplitsysteme sollten deshalb vielfältiger genutzt werden.
Begrüßenswert ist, dass eine Eingliederung der Technologie in die Systematisierung der Klimatisierungssysteme erfolgt ist. Somit ist die Chance gegeben, dass dieses System als eine Bereicherung der Lösungen zur Gewährleistung behaglicher Raumklimabedingungen gesehen werden kann, insbesondere unter den Aspekten der Modernisierung und Variabilität der Nutzung von Räumen bzw. Gebäuden.
Info
Was ist VRF und VRV?
VRF steht für „Variable Refrigerant Flow“, also variabler Kältemittelstrom. Bei diesen Systemen wird der Kältemittelstrom im Verdichter abhängig von der angeforderten Leistung variabel geregelt, um eine effiziente Leistungsregelung der Anlage zu ermöglichen.
Im Kürzel VRV steht das zweite V für „Volume“. Gemeint ist das gleiche, allerdings ist VRV ein geschützter Begriff, mit dem Daikin seine Geräte bezeichnet, während VRF als Gattungsbegriff anzusehen ist, der von allen Herstellern genutzt wird.
Spotlight
Die VRF-Technik erlaubt Architekten eine harmonische Eingliederung in die Gebäudegestaltung. Sie ist sehr flexibel, sodass Planer alle Anforderungen an das Raumklima problemlos erfüllen können. So ist der Betreiber in der Lage, seine Gebäude flexibel zu nutzen und zu vermieten.
Die Anlagen ermöglichen drei Luftbehandlungsfunktionen: Heizen, Kühlen und Entfeuchten. Die Nutzung als Luft/Wasser-Wärmepumpe führt zu signifikanten Primärenergie- und Betriebskosteneinsparungen sowie einer Reduzierung von Schadstoffen.
Die Wärmeverschiebung innerhalb von Gebäuden ist mit Drei- und Vierleitersystemen möglich. Das Innengerät wirkt denn im Heizfall als Kondensator und im Kühlfall als Verdampfer. Das gleichzeitige Kühlen und Heizen eines Raums durch Fehlbedienungen ist damit ausgeschlossen.
Literatur
Lüftungs- und Klimatechnik
Planungshilfen Lüftungstechnik, Achim Trogisch, 4. überarbeitete Auflage, 388 Seiten, ISBN 978-3-8007-3347-7, VDE Verlag, http://www.vde-verlag.de, 49 Euro.
Ingenieure und Handwerker müssen häufig für ein Bauobjekt das wirkungsvollste und gleichzeitig wirtschaftlichste Lüftungs- und Klimasystem auswählen. Dieses Fachbuch stellt hierfür wertvolle Entscheidungshilfen zur Verfügung.
Es werden grundlegende Begriffe wie die Berechnung der Heizlast, der Kühllast, der Raumlufttemperatur und die Auslegung des Wärmeschutzes erläutert. Um die verschiedenen Systeme beurteilen zu können, stellt der Autor die Unterschiede der freien und der mechanischen Lüftung sowie der Luftaufbereitung heraus. Er zeigt zeitgemäße zentrale, dezentrale und hybride Systeme auf und geht auf die Kälteerzeugung, Kälte- und Wärmespeicherung sowie auf alternative Kühlprozesse wie etwa die Betonkernaktivierung ein. Für die vierte Auflage wurden neue Normen eingearbeitet.
SBZ Dossiers
Weitere interessante Beiträge zu diesem Top-Thema finden Sie im SBZ Archiv. Ein paar Vorschläge für eine weitergehende Lektüre haben wir für Sie im Dossier „Klimatechnik“ zusammengefasst. Zu den SBZ Dossiers gelangen Sie auf der Homepage direkt über die Schaltfläche bei den SBZ Infodiensten.
https://www.sbz-online.de/
Extras
Bei den Extras finden Sie zusätzlich ein Übersichtsblatt zur regelungstechnischen Kopplung mehrerer Kältekreise zu einem VRF-System großer Leistung:
https://www.sbz-online.de/tags/extras-zum-heft
Autor
Dr.-Ing. Ulrich Arndt war bis zu seinem Ruhestand bei Alfred Kaut in Dresden tätig, 01454 Ullersdorf, Telefon (0 35 28) 44 75 35, uhe.arndt@gmx.de
Autor
Prof. Dr.-Ing. Achim Trogisch lehrte bis zu seinem Ruhestand an der HTW Dresden an der Fakultät Maschinenbau/Verfahrenstechnik, 01069 Dresden, Telefon (03 51) 4 62-27 89, trogisch@mw.htw-dresden.de