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Mobilitätskonzept für zwei BHKW

Kilometerfresser

Die Stadt Windischeschenbach liegt im oberpfälzischen Landkreis Neustadt an der Waldnaab und hat rund 5000 Einwohner. Bundesweit bekannt ist der Ort vor allem durch das Kontinentale Tiefbohrprogramm der Bundesrepublik Deutschland (KTB), das als geowissenschaftliches Großforschungsprojekt durchgeführt wurde. Dabei erstellten die Wissenschaftler ein Bohrloch mit einer Tiefe von über 9000 m zur Erkundung der Erdkruste. Es gehört zu den tiefsten seiner Art weltweit. Bemerkenswert ist auch das Konzept, mit dem die Stadt seit April 2012 die Wärmegrundlasten des Rathauses und des städtischen Freibades abdeckt. Dabei kommt eine mobile Anlage zur Kraft-Wärme-Kopplung zum Einsatz, welche die Versorgung der beiden Objekte in saisonaler Abhängigkeit übernimmt.

Angestoßen wurde dieses umweltfreundliche Pilotprojekt von Thomas Wilhelm, der in seiner Funktion als Stadtrat Ansprechpartner für sämtliche Fragen rund um Energieeinsparungen und -optimierungen bei den städtischen Liegenschaften ist. Da er ein Planungsbüro für Energieberatungen betreibt, ist es naheliegend, dass er sein Fachwissen mit in seine Arbeit einfließen lässt. In den vergangenen Jahren konnte er etliche Projekte im Dienste der Effizienzsteigerung ins Leben rufen. Hierzu gehören energetische Sanierungsmaßnahmen und die Implementierung moderner Gebäudeleittechnik in Schulen sowie die Montage von Photovoltaikanlagen auf den Dächern zahlreicher kommunaler Gebäude.

Ein originelles und innovatives Energiekonzept

Auch der sinnvolle Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung spielt für Wilhelm seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle. Daher lud er im April 2011 den Bürgermeister, den Stadtrat und die Geschäftsleitung der Verwaltung zu einer Informationsveranstaltung ein. Auf der Versammlung präsentierte er den kommunalen Entscheidungsträgern sein neuartiges Energieversorgungskonzept. Dieses sah im Wesentlichen vor, dass eine auf einen Anhänger montierte KWK-Anlage von Mai bis September das Schwimmbadwasser im Freibad beheizt. Von Oktober bis April wird die Anlage dann für die Wärmeversorgung des Rathauses eingesetzt. Des Weiteren sah das Konzept vor, dass der vor Ort produzierte Strom vornehmlich dem Eigenbedarf dient. Überschüssiger Strom hingegen soll gegen eine Vergütung in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist werden.

„Das Prinzip ist denkbar einfach und außerdem sehr praktisch. Wenn am Ende der Badesaison die Schließung des Freibads ansteht, kann man die KWK-Anlage problemlos binnen kurzer Zeit abklemmen, zum Rathaus transportieren und dort wieder anschließen“, erläuterte Wilhelm. „Der gesamte Vorgang einschließlich des Transports lässt sich innerhalb weniger Stunden mit sehr geringem Aufwand durchführen.“ Von dem Energiekon­zept waren sämtliche Verantwortlichen von Beginn an überzeugt, denn damit ließen sich die Energiekosten deutlich reduzieren.

Nicht nur in Politik und Verwaltung stieß Wilhelms Idee auf positive Resonanz. Auch der Förderverein des Freibades der Stadt Windischeschenbach war von der Heizung, die auch Strom erzeugt, durchaus angetan. Die Interessengemeinschaft wurde im Jahr 2003 gegründet und konnte damals eine drohende Schließung des Freibads verhindern. Bei dem Bauvorhaben lag für den Verein auf der Hand, sich mit einer großzügigen Zuwendung von 25000 Euro an den Kosten zu beteiligen, die insgesamt mit rund 70000 Euro zu Buche schlugen. „Der Erhalt der Badeanstalt wird vornehmlich durch die Senkung der Betriebskosten sichergestellt. Hierfür sind Investitionen in fortschrittliche Technologien unbedingt notwendig“, erklärt die Vorsitzende des Fördervereins Aurelia Zimmermann. „Nach einer solarbetriebenen Absorberanlage zur Erwärmung des Beckenwassers ist die mobile KWK-Anlage bereits unsere zweite große Investition, mit der wir die Energiekos­ten signifikant reduzieren.“

Ein hoher Energiebedarf verlangt außergewöhnliche Lösungen

Das Freibad hat neben einem hohen Stromverbrauch für die Wasseraufbereitungstechnik auch einen erheblichen Wärmebedarf, da es über mehrere beheizte Becken verfügt. Um hier konstante Wassertemperaturen zu gewährleisten, ist eine Wärmeversorgung rund um die Uhr notwendig. Der Schwimmerbereich hat eine Länge von 50 m, eine Breite von 16,66 m und eine Tiefe von 2,00 m. Die Wassertemperatur beträgt dort 26 °C. Das Nichtschwimmerbecken ist nur halb so lang und hat eine Fläche von 500 m2. Die Temperatur des Beckenwassers ist hier noch um ein Grad höher. Darüber hinaus gibt es noch einen Plantschbereich für die ganz kleinen Badegäste.

In früheren Tagen erfolgte die gesamte ­Erwärmung des Beckenwassers durch den ortsfesten Gas-Brennwertkessel mit 75 kW Heizleistung. Mittlerweile dient die groß dimensionierte Komponente nur noch zur Abdeckung der Spitzenlast, denn die Wärmegrundlast wird durch die mobile BHKW-Einheit abgedeckt. Diese befindet sich in einer eigens dafür aufgestellten Fertiggarage unweit vom Geschäftsgebäude und ist über eine Nahwärmeleitung mit dem Technikraum verbunden. Die beiden BHKW wurden nebeneinander auf einen Tandemanhänger montiert. Neben den beiden Geräten befinden sich dort noch die gesamte Verrohrung der Anlage sowie die Station einschließlich der Anschlüsse für Gas, Abgas, Vor- und Rücklauf sowie Elektrizität. Die Verbindung zur ortsfesten Heizungsanlage erfolgt über flexible Schlauchleitungen mit Edelstahlummantelung.

Bewährte KWK-Technik kommt zum Einsatz

Sowohl mit dem Bau als auch mit der Installation der mobilen KWK-Anlage wurde der Fachhandwerksbetrieb bad&heizung Sperber aus Windischeschenbach beauftragt. Das Unternehmen ist langjähriger zertifizierter Partner von Vaillant und verfügt im KWK-Bereich über fundierte Fachkenntnisse. „Um hier den relativ hohen Energiebedarf abzudecken, bot sich der Einsatz der BHKW im Parallelbetrieb an. Dabei arbeitet ein Gerät als Master und übernimmt die Ansteuerung des anderen Geräts“, erläutert Geschäftsführer Christian Sperber. „Sinnvoll ist eine derartige Kaskaden-Konstellation stets dann, wenn für die Versorgung größerer Objekte kontinuierlich viel Strom benötigt wird und entsprechende Wärmemengen abgenommen werden können.“

Bei beiden Geräten, die zum Einsatz kommen, handelt es sich um sogenannte Mini-BHKW vom Typ Vaillant Ecopower 4.7. Die Serie bewährt sich bereits seit über zehn Jahren im Markt. Der Anwendungsbereich erstreckt sich dabei von großen Ein- und Zweifamilienhäusern über Gewerbebetriebe, Fitnessstudios, Mehrfamilienhäuser, Hotels und Gaststätten bis hin zu Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die modulierende Betriebsweise der Baureihe sorgt für eine stufenlose Regulierung der Motordrehzahl, sodass sich die Geräte automatisch an den aktuellen Bedarf anpassen und deshalb auch bei einem geringen Wärmebedarf Strom produzieren können. Der Leistungsbereich erstreckt sich dabei je BHKW von 1,5 bis 4,7 kW elektrisch und von 4,0 bis 12,5 kW thermisch. Unter Berücksichtigung der Solaranlage muss die Brennwertheizung nur noch etwa 30 kW liefern – im Vergleich zu früher 70 kW.

Nahezu ideale Bedingungen für den KWK-Einsatz

Ebenso wie das städtische Freibad weist auch das Rathaus einen Wärmebedarf von 75 kW auf. Das Objekt stammt aus den 1950er-Jahren und besteht aus drei Gebäudeteilen. Das Haupthaus verfügt über vier beheizte Geschosse und ist über einen Mittelbau mit dem hinteren Verwaltungsgebäude verbunden. Insgesamt wird eine Nutzfläche von rund 1500 m2 beheizt. Die Wärmeverteilung erfolgt hier über zahlreiche Heizkörper mit groß dimensionierten Rohrleitungen, wodurch sich ein beträchtliches Wasservolumen in der Heizungsanlage ergibt. Bedingt durch diesen Aufbau kann in dem Heizungsverteilungssystem so viel Wärme eingespeichert werden, dass auf die Installation ­eines Pufferspeichers verzichtet werden konnte. Auch an diesem Standort ist der ortsfeste Gas-Niedertemperaturkessel jetzt nur noch für die Abdeckung der Spitzenlast zuständig.

Der Ort, an dem die mobile KWK-Anlage während der Wintermonate steht, befindet sich direkt über dem Heizungsraum des Rathauses. Dadurch ergaben sich nahezu ideale Installationsbedingungen, denn der Fachhandwerksbetrieb konnte weitgehend auf aufwendige bauliche Veränderungen an der Verrohrung im Gebäude verzichten. Ebenso wie im Freibad erfolgt auch hier die Verbindung zwischen der mobilen und der ortsfesten Anlage über flexible Leitungen mit Edelstahlummantelung, die jeweils über eine Länge von 1,5m verfügen. Auch bei der Verbindung zum Gasanschluss handelt es sich um eine flexible Schlauchleitung mit Edelstahl­ummantelung. Diese ist mit handelsüblichen Gassteckdosen ausgestattet, sodass sich die BHKW-Einheit mit wenigen Handgriffen in das ortsfeste System integrieren lässt. Von großem Vorteil ist zudem, dass die Garage besonders leicht zugänglich ist. Auf diese Weise lässt sich der Tandemanhänger innerhalb von Minuten rückwärts zur Anschlussstelle befördern.

Bis zu 100 % Eigennutzung des BHKW-Stroms

Nach der Bewilligung der Anträge zur KWK-Förderung konnte die mobile KWK-Anlage seit ihrer ersten Inbetriebnahme im April 2012 bereits zahlreiche Betriebsstunden absolvieren. „Auch nach der Montage der Anlage ist das Projekt für uns längst nicht beendet, denn der Kunde hat mit uns einen Vollwartungsvertrag abgeschlossen. Dieser geht über eine Laufzeit von zehn Jahren und beinhaltet neben dem Abschalten, dem Transport und der neuen Inbetriebnahme auch die Wartung sowie die Instandhaltung des Systems“, fasst Sperber zusammen.“ Unter dem Strich bedeutet das für den BHKW-Betreiber eine langfristige Lösung bei gleichzeitig überschaubaren Nebenkosten.“

Im September 2012 hat die Anlage erstmals ihren Standort gewechselt und versorgte das Rathaus mit Energie. In beiden Objekten wird der vor Ort produzierte Strom überwiegend selbst genutzt. Dies gilt insbesondere für das Freibad. Hier ist der Bedarf angesichts der energieintensiven Schwimmbadtechnik zur Wasseraufbereitung während der Badesaison so hoch, dass der Strom bis zu 100 % selbst genutzt wird. Auch im Rathaus gibt es zahlreiche elektrische Verbraucher mit hohem Strombedarf – etwa die Beleuchtungsanlagen und die Computer der Behörde. Deshalb fällt auch an diesem Standort der Eigenbedarf relativ hoch aus.

Das Projekt einer mobilen BHKW-Einheit ist das erste seiner Art in Bayern. Es kann deshalb mit Recht als Referenzprojekt für andere Gemeinden betrachtet werden – unter anderem, weil hier eine hohe Wirtschaftlichkeit und ein hoher Stromselbstverbrauch gegeben sind. Um die Einsparpotenziale durch den Betrieb einer solchen Anlage angemessen auszuschöpfen, sollte diese bekanntermaßen eine möglichst hohe jährliche Betriebsstundenzahl und damit auch einen hohen Jahresnutzungsgrad erzielen – wie es hier der Fall ist. „Durch den ganzjährigen Betrieb in zwei verschiedenen Objekten erreichen wir eine sehr gute Ausnutzung der Anlage, sodass wir auf rund 8000 Betriebsstunden kommen. Beide Geräte fahren annähernd das ganze Jahr über Volllast. Somit kann unser Konzept als Erfolg auf der ganzen Linie betrachtet werden“, resümiert Wilhelm.