Der Verbrauch eines Heizsystems kann bei den klassischen Brennstoffen Öl, Gas oder Holz exakt gemessen werden. Eine mögliche Einsparung durch den Austausch veralteter Heiztechnik gegen moderne Geräte – beispielsweise Niedertemperatur gegen Brennwert – lässt sich anhand von Gebäudedaten recht gut prognostizieren. Nicht ganz so einfach ist es, die Einsparungen durch den Einsatz von Solarthermie vorherzusagen und deren Funktion zu prüfen. Hier greift die VDI-Richtlinie 2169. Sie setzt den Rahmen für die Ertragsbewertung und die Funktionskontrolle von thermischen Solaranlagen. Besonders bei solarthermischen Großanlagen – wie Mehrfamilienhäuser, Hotels oder Pflegeheime – sind Kontroll- und Bewertungsmöglichkeiten wichtig, um Funktion und Ertrag langfristig sicherzustellen. Zudem ist bei diesen Gebäudetypen das Einsparpotenzial durch den Einsatz von Systemen zur Nutzung regenerativer Energiequellen besonders hoch. Dieser Artikel bezieht sich hauptsächlich auf die in der VDI-Richtlinie 2169 beschriebene Ertragsbewertung.
Die VDI-Richtinie 2169 betrachtet Möglichkeiten und Anforderungen für die Kontrolle und Bewertung eines thermischen Solarsystems hinsichtlich der prinzipiellen Funktionstüchtigkeit und bezüglich des Ertrags. Die Richtlinie sieht dabei verschiedene Bewertungsmethoden vor. Aufbauend auf der VDI-Richtlinie 6002 (Blatt 1 und 2) wendet sie sich genauso an Planer und Installateure wie an Betreiber. Sie bezieht sich vorwiegend auf Systeme zur solarthermischen Trinkwassererwärmung und deren Komponenten, kann aber auch bei Anlagen mit anderen Nutzungsmöglichkeiten, beispielsweise der solaren Heizungsunterstützung, zurate gezogen werden. Den Fachleuten zeigt sie, welche Möglichkeiten der Funktionskontrolle und der Ertragsbewertung es für Systeme mit solarthermischem Anlagenteil gibt und welche Voraussetzungen für ihre Nutzung notwendig sind. Dem Betreiber gibt sie Maßnahmen an die Hand, um den bestimmungsgemäßen Betrieb eines Systems zu kontrollieren.
Ertragsbewertung anhand eines Sollwertes
Die Ertragsbewertung vergleicht Ist- und Soll-erträge und stellt Abweichungen von Prognose und tatsächlichen Erträgen fest. So lassen sich gegebenenfalls auch Betriebsstörungen erkennen. Nach VDI 2169 beurteilt die Ertragsbewertung den solaren Ertrag der installierten Anlage anhand des Sollwertes. Der Sollwert wird mit einem Simulationsprogramm ermittelt. Um einen aussagekräftigen Sollwert für den Ertrag einer solarthermischen Anlage zu ermitteln, muss das Simulationsmodell mit der ausgeführten Anlage bestmöglich übereinstimmen. Dies gilt für die hydraulische Anordnung der Komponenten, beispielsweise die Auslegung des Kollektorfelds, und die Regelstrategie. Andererseits müssen auch die Rahmenbedingungen, die durch das Nutzerverhalten im Gebäude und gegebenenfalls durch das Gebäude selbst entstehen, berücksichtigt werden. Das verwendete Simulationsprogramm muss außerdem dynamisch sein. Das heißt, dass es kapazitive Effekte (beispielsweise thermische Trägheit von Komponenten) berücksichtigt.
Im Einzelnen bedeutet das: Die Kennzahlen der Anlagenkomponenten fließen als Modellparameter in die Simulation ein. Bei der Solarkreisverrohrung sind die Kapazität und die thermischen Verluste des gesamten Leitungsnetzes zu berücksichtigen. Die Temperaturschichtung im Speicher muss ebenso abgebildet werden wie der Anstellwinkel des Kollektorfelds, mögliche Verschattungen und die Abhängigkeit des Konversionsfaktors vom Einfallswinkel der Strahlung. Schließlich muss das Simulationsprogramm in der Lage sein, gemessene Wetter- und Verbrauchsdaten zu importieren, um sie für die Berechnung zu nutzen. Diese vielfältigen Voraussetzungen haben ein Ziel: Der Sollwert muss stets auf Basis von realen Betriebsbedingungen gebildet werden und diese sind besonders bei Großanlagen individuell.
Vielfältige Anforderungen an die Messtechnik
Die VDI 2169 stellt auch Anforderungen an die zu verwendenden Instrumente. So muss die messtechnische Ausstattung die Daten zur Ermittlung des solaren Ertrags, des Gesamtenergiebedarfs und die zur Simulation benötigten Betriebsbedingungen erfassen können. Je nach Genauigkeitsanforderung kann bei Anordnung und Zahl der Sensoren variiert werden. Bei kleineren Standardanlagen muss, um diese Messdaten zu erhalten, gegebenenfalls zusätzliche Messtechnik installiert werden. Es gibt aber auch – besonders im Bereich großer solarthermischer Anlagen – Systeme, die schon ab Werk mit entsprechender Messtechnik ausgestattet sind. Ein Beispiel, das über diese Anforderungen sogar hinausgeht, ist die solare Wärmezentrale Logasol SAT-WZ (solare Wärmezentrale) von Buderus. Sie wird bereits mit vorinstallierten Fühlern und Wärmemengenzählern sowie entsprechender Vorverkabelung geliefert. Gemessen werden von der Logasol SAT-WZ unter anderem der Solarertrag, der konventionelle Wärmeverbrauch und der Warmwasserverbrauch. Diese werden auch in einem gesonderten Monitoringbericht ausgewertet und zur Verfügung gestellt.
Die Analyse der Messdaten erfolgt durch Rechenprogramme. Abweichungen zwischen Messergebnis und Simulation von bis zu 10 % sind dabei noch akzeptabel. Die Abweichungen hängen von der Güte der Messsensoren und der verwendeten Software ab.
Ertragsbewertung und Störungserkennung
Das wichtigste Ziel der automatischen Ertragsbewertung nach VDI 2169 ist insbesondere bei solaren Großanlagen die zeitnahe Erkennung von Störungen. Das funktioniert wie folgt: Innerhalb eines Bilanzzeitraumes wird unter Messung der Betriebsbedingungen der tatsächliche solare Ertrag (Ist-Ertrag) erfasst. Unter gleichen Betriebsbedingungen wird – zu gleicher Zeit oder nachträglich – der zu erwartende solare Ertrag bestimmt (Soll-Ertrag). Anschließend werden die Werte verglichen. Bei Unterschreitung des Grenzwerts des Soll-Ertrags gibt das System eine Störungsmeldung aus.
Die VDI-Richtlinie 2169 beschreibt zwei Verfahren zur automatischen Ertragsbewertung: das Input-Output-Verfahren vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln/Emmerthal ( https://isfh.de/ ) und die automatisierte Ertragsbewertung mit Applikationsserver und Netzwerk.
Input-Output-Verfahren nach dem ISFH
Grundprinzip der Ertragsbewertung nach dem Input-Output-Verfahren ist der automatische Vergleich des gemessenen Ertrags (Output) einer Solaranlage mit dem erwarteten Ertrag. Der erwartete Ertrag wird auf Basis der Einstrahlung (Input), der Charakteristiken des installierten Solarsystems und der realen Betriebsbedingungen ermittelt. Je nach gewünschtem Umfang kann sich die Überwachung auf den Kollektorkreislauf beschränken oder das Volumen des solaren Puffers und Entladekreislaufs einbeziehen.
In jedem Fall bedarf es dazu einer definierten Sensorik und einer Überwachungseinheit. Letztere verarbeitet die Messwerte der Sensoren und implementiert sie in den Input-Output-Algorithmus. Die Überwachungseinheit kann ein eigenständiges Gerät, ein Teil der Solarregelung oder ein Teil der Gebäudeleittechnik sein. Verfahrensregeln stellen gegebenenfalls sicher, dass der erwartete Anlagenertrag mit ausreichender Genauigkeit ermittelt werden kann. Eine zentrale Rolle für die korrekte Ertragsüberwachung spielt dabei die sorgfältige Ermittlung der Eigenschaften der Solaranlage und die Eingabe dieser Eigenschaften als Parameter in die Überwachungseinheit.
Seinen Namen leitet das Verfahren von „Input-Output“-Diagrammen ab, die den täglichen Kollektorertrag in einer überwiegend linearen Abhängigkeit zur täglichen Gesamtbestrahlung zeigen. Sowohl der gemessene als auch der erwartete Ertrag sollten bei normaler oder ungestörter Funktion der Solaranlage diesem linearen Zusammenhang folgen. Bei deutlichen Abweichungen kann auf Unregelmäßigkeiten beziehungsweise auf Störungen des Betriebs geschlossen werden.
Gemessen werden beim Input-Output-Verfahren nach VDI 2169 die Umgebungstemperatur, Vor- und Rücklauftemperatur im Kollektorkreis, Speichertemperatur und gegebenenfalls die Speicher-Maximaltemperatur. Außerdem werden der Volumenstrom im Kollektorkreis und die Sonneneinstrahlung erfasst. Der gemessene Anlagenertrag (Ist-Ertrag) wird aus den Messdaten der Vor- und Rücklauftemperatur und des Volumenstroms unter Berücksichtigung der temperaturabhängigen Stoffwerte des Wärmeträgermediums berechnet.
Für die Ermittlung des erwarteten Ertrags (Soll-Ertrag) berücksichtigt das Input-Output-Verfahren folgende Faktoren: wirkungsgradrelevante Kennwerte des Kollektors während des Kollektorkreisbetriebs (nach EN 12975), Rohrleitungsverluste und kapazitive Verluste des Kollektorkreislaufs sowie Anteile der täglichen Einstrahlung, die infolge einer unterhalb der Speichertemperatur liegenden Kollektortemperatur nicht genutzt werden können. Dazu müssen die entsprechenden Parameter der zu überwachenden Solaranlage an das Kontrollgerät übergeben werden.
Das Input-Output Verfahren wird dabei in zwei Verfahrenstypen unterschieden. Beim Verfahrenstyp I liegt die Bilanzgrenze im Kollektorkreislauf, also bei der Einspeisung in das solare Speichervolumen. Beim Verfahrenstyp II liegt sie im Kreislauf der Speicherentladung und damit näher am Systemertrag. Die Messung über dieses Verfahren ist allerdings etwas aufwendiger.
Die Anwendung des Input-Output-Verfahrens nach dem Verfahrenstyp I mit Messung und Bewertung des Kollektorkreisertrags ermöglicht eine automatische Kontrolle des Kollektorkreislaufs mit verhältnismäßig geringem Aufwand an Sensoren und sonstiger Hardware. Der Verfahrenstyp I bietet sich entweder für einfach aufgebaute Anlagen mit solar erwärmtem Trinkwasserspeicher oder Kombispeicher an oder für komplexer aufgebaute Anlagen mit beispielsweise mehreren temperaturorientiert angesteuerten Speichern, bei denen Verfahrenstyp II nicht angewendet werden kann.
Bei Solarsystemen mit Pufferspeichern und nachgeschalteter Übergabe der Solarwärme an das Trinkwasser, also beispielsweise solare Vorwärmsysteme, kann Verfahrenstyp II eingesetzt werden. Das Input-Output-Verfahren ermöglicht eine zeitnahe Detektion und Meldung von Störungen im Betrieb der Solaranlage. Einzelne Komponenten beziehungsweise Funktionen der Anlage können damit jedoch nicht automatisch überwacht werden. Allerdings können zeitlich aufgelöste Messdaten der Sensoren zur Ursachenanalyse genutzt werden, wenn eine Störmeldung vorliegt.
Ertragsbewertung mit Applikationsserver und Netzwerk
Bei der Ertragsbewertung mit Applikationsserver und Netzwerk gibt es nach VDI 2169 eine räumliche Trennung von Regler im Solarkreislauf und Recheneinheit. Der Regler übernimmt dabei am Anlagenstandort die Funktion „Aufnahme und Speicherung der Messdaten“. Die gespeicherten Daten zum Betrieb und zur Meteorologie werden an eine zentrale Recheneinheit (Applikationsserver) gesendet, beispielsweise über gesicherte Datenleitungen und das Internet. Dieses Verfahren kann aufgrund der hohen Rechnerleistung des externen Rechners für eine Vielzahl von Anlagensystemen auf Basis echter Simulationen die Ertragsbewertung in hoher Qualität vornehmen. Systeme, die dieses Verfahren anwenden, sind beispielsweise mit der solaren Wärmezentrale Buderus Logasol SAT-WZ als modular aufgebautes System erhältlich.
Für das Verfahren mit Applikationsserver und Netzwerk müssen nach VDI 2169 folgende Messwerte zur Verfügung stehen: Einstrahlung in Kollektorebene, Außentemperatur, Speicher-Referenztemperatur(en), Messdaten zur Beschreibung der Last (z.B. zeitlich aufgelöster Warmwasserverbrauch, gegebenenfalls Zirkulationsvolumenstrom, Heizenergieverbrauch, jeweils mit den zugehörigen Temperaturen), Kaltwassertemperatur, Ertrag der solaren Beladung der Speicher (als Wärmemengenmessung) und Ertrag auf der Entladeseite der Speicher.
Prinzipiell lassen sich mit der simulationsbasierten Ertragsbewertung all jene Anlagen automatisiert und zeitnah überwachen, für die ein Systemabbild mithilfe einer Simulationssoftware erzeugt werden kann. Komplexere Anlagen, beispielsweise mit mehreren Wärmeabnehmern, verursachen dabei entsprechend höheren Aufwand für Sensoren und Erstellung des Simulationsmodells. Das Verfahren dient zum einen dazu, Funktionsstörungen zu erkennen – es kann zum anderen aber auch zur Erfolgsbewertung eingesetzt werden.
Wichtiger Beitrag für Planung und Betrieb
Die VDI-Richtlinie 2169 bietet eine umfangreiche Übersicht zu Möglichkeiten der Funktionskontrolle und Ertragsbewertung in solarthermischen Anlagen. Sie bietet damit Planern und Heizungsfachfirmen eine wichtige Wissensgrundlage für die Planung und den Betrieb sowie für die Störungserkennung und die Funktionsbewertung dieser Anlagen. Betreibern kann sie als Controlling-Instrument dienen. Damit wird die neue VDI 2169 sicher eine wichtige Rolle für größere solarthermische Anlagen spielen. Sie trägt zur Betriebssicherheit und Anlagentransparenz bei und fördert so die allgemeine Akzeptanz der solaren Anlagentechnik.
INFO
Richtlinienausschuss
Der VDI-Richtlinienausschuss 2169 wurde im Jahr 2004 gegründet. Die Richtlinie wurde im September 2010 im Entwurf (Gründruck) veröffentlicht, die Einspruchsfrist endete am 28. Februar 2011. Mit der Veröffentlichung des Weißdrucks ist in nächster Zeit zu rechnen.
Autor
Christian Pfeiffer ist Produktmanager Solartechnik und Speicher bei Buderus Deutschland, Bosch Thermotechnik, 35576 Wetzlar, Telefon (0 64 41) 4 18-0, christian.pfeiffer@buderus.de