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Neues Emaillierwerk für mehr Individualität

Die Maßschneider

Inhalt

Rund 400000 emaillierte Produkte haben im letzten Jahr das Werk im ostwestfälischen Delbrück verlassen. Die Anteile von Duschwannen und Badewannen hielten sich dabei ungefähr die Waage. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Als der Stahl-Email- und Wannenspezialist Bette in den 70er-Jahren eine neue Wannenpresse brauchte, gab es auf dem Markt nur Tiefziehpressen im großindustriellen Maßstab – aber keine für den Mittelständler passende und be­zahlbare flexible Lösung. Das Un­ternehmen entwickelte eine eigene Pressentech­nologie und setzte damit den Grundstein zu einer flexiblen Fertigung, die auch kleine Losgrößen und individuelle Maße realisieren lässt.

Glas, Quarz, Borax und Soda

Die über die Jahre weiterentwickelte Spezia­lisierung forciert das Unternehmen jetzt mit einem neuen Emaillierwerk. Eine Industrie­anlage, die Stahl-Email-Badobjekte produziert, besteht aus zwei großen Fertigungseinheiten: der Umformtechnik und der Emailliertechnik. In der ersten Abteilung wird Titanstahl mit großen Pressen in Form gebracht, in der zweiten der Stahl mit einem Email-Überzug versehen. Der ist, rein technisch gesehen, eine Schmelze aus Glas, Quarz, Borax, Soda und Wasser. Der Überzug wird aufgebracht und in einem Ofen gebrannt. Bette emailliert so 600 verschiedene Produkte. ­Extrem dünne Email-Schichtdicken sorgen für brillante und elastische Oberflächen.

Maßschneiderei für individuelle Bedürfnisse

Die Investition ins neue Emaillierwerk sieht Firmenchef Thilo C. Pahl als Investition in die Flexibilität der Fertigung: „Wir können nicht mit Masse gewinnen – nur mit Design und Individualität.“ Mit Individualität sind Konzepte wie die Bette-Maßschneiderei gemeint. Nicht zuletzt aufgrund der Personalaufstockung in der Manufaktur-Fertigung ist die Zahl der Mitarbeitenden im Jahr 2013 auf 330 gestiegen. Die Delbrücker bieten dem Handwerk Badobjekte auf Maß – innerhalb großer Spielräume. Dabei geht es nicht um den Kern der Wanne, sondern um deren Ränder, die mal schmal, mal breiter gehalten werden können. In einer Mischung aus Maschinen- und Manufakturarbeit wird die Größe der Wanne auf Maß angepasst.

Das geschieht in der Manufakturabteilung, die beispielsweise auch Wannenecken abtrennt, um Schwenkraum für Badezimmertüren zu schaffen, ohne dass der Badekomfort darunter leidet. Und Losgröße 1 auf Maß ist wohl auch das, was der Markt fordert, skizzierte Marketingchef Sven Rensinghoff: „Unser Anteil an individualisierten Wannen steigt ständig. Waren im Jahre 2000 erst rund 15 % der Stahl-Email-Objekte von Bette auf individuellen Kundenwunsch und Maß gefertigt, sind es heute schon über 50 % . So gibt es die Bette Starlet beispielsweise in Längen zwischen 155cm und 195cm und in Breiten zwischen 65 und 95 cm. Oder Problemlöser, wie die Bette-Zarge, die Silikonfugen überflüssig macht, oder eine gekappte Wannenecke als Schwenkraum für Türen. Bette rechnet damit, dass sich der Trend verstärkt. Rensinghoff: „Mit der Maßschneiderei können wir individuelle Produkte vielfältiger Art verwirklichen. Wem das wirklich wichtig ist, der bekommt bei uns nahezu jede Lösung.“

Chaotischer Puffer

Während in früheren Jahren auch Serien durch die Fertigung gefahren wurden, spiegelt das typische Transportsystem heute eine nahezu beliebige Mischung des Unternehmenssortiments: Zwischen Wannen hängen Duschflächen und Waschtischlösungen. Teile der Emaillierung sind vollautomatisiert: die Roboter erkennen die Produkte und fahren dann jeweils individualisierte Programme. Ein zentrales Element dieses Fertigungsbereichs ist ein Zwischenlager hoch über dem Emaillierwerk. Dieser chaotisch organisierte Puffer schafft die hier geforderte Flexibilität, erleichtert der Produktion Produkt-, Farb- und Oberflächenwechsel und optimiert die Durchlaufzeiten.

Die Hauptrendite der neuen Anlage soll sich jedoch in Flexibilität auszahlen. Die ­Vision des Unternehmens ist das persön­liche Stahl-Email-Badobjekt, die individuelle ­Wanne oder der individuelle Waschtisch – auf Maß, in Farbe und Oberfläche. Das Unternehmen hat dafür über zehn Millionen ­Euro investiert. Geschäftsführer Thilo C. Pahl: „Das neue Emaillierwerk schafft Spielräume in der Produktivität und in der Kapazität bis auf mittlere Sicht. Für ein Unter­nehmen, das ausschließlich hier am Stand­ort Deutschland produziert, ein wichtiges ­Argument.“

Steckbrief

Bette in Delbrück

Bette ist Spezialist für Badobjekte aus Stahl-Email. Das Unternehmen wird 1952 im west­fälischen Delbrück von Heinrich Bette und Günther Schlichtherle gegründet. 1975 tritt Fritz Wilhelm Pahl in die Geschäftsführung ein und wird Mehrheitsgesellschafter der Bette GmbH & Co. KG. Im Jahr 2013 wird Thilo C. Pahl Alleingeschäftsführer, Fritz Wilhelm Pahl geht in den Beirat und scheidet aus dem operativen Geschäft aus.

Die Firma erwirtschaftet einen Umsatz von 76,7 Millionen Euro – der Exportanteil liegt bei 36 % . Die Firma gehört den Familien Pahl (55 % ) und Bette (45 % ), beschäftigt 330 Mitarbeiter am Produktions- und Verwaltungssitz in Delbrück und stellt an diesem Standort mehr als 600 verschiedene Wannen- und Waschtischmodelle in über 1000 möglichen Oberflächenfarben her. Rund 400000 emaillierte Stahlwannen und -becken haben im Jahr 2013 das Werk verlassen, die Produktionskapazität liegt bei 700000 Teilen.

2013 stieg der Umsatz um 5,3 % auf 76,7 Millionen Euro, auch die Produktionsmenge stieg erstmals seit vielen Jahren wieder. Das Wachstum erzielte Bette im Premiumbereich. Das Unternehmen hat Innovationen wie bodeneben eingebaute Duschflächen und freistehende Badewannen entwickelt und das Sortiment um eine Waschtischkollektion erweitert.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

SBZ: Sehr beeindruckend, Ihr neues Emaillierwerk. Eine Investition von zehn Millionen Euro ist für ein Unternehmen Ihrer Größenordnung eine echte Ansage.

Pahl: Ja, wir haben mächtig in unsere Zukunft investiert, denn wir können den Wettbewerb nicht mit Masse gewinnen – nur mit Design und Individualität. Wir sehen die Investition ins neue Emaillierwerk als Invest in die Flexibilität der Fertigung.

SBZ: Herr Pahl, Sie sind nun seit einem Jahr ­alleinverantwortlicher Geschäftsführer der Firma Bette. Wie geht es Ihnen? Wie sind Ihre Erfahrungen?

Thilo C. Pahl: Grundsätzlich sehr positiv, die Aufgabe macht viel Freude. Bisher war Bette mehr oder weniger die One-Man-Show meines Vaters, bei ihm lief alles zusammen. Er hat gelöst, was zu lösen war, und gestaltet, was zu gestalten war. Das haben wir jetzt im Zuge des Generationenwechsels auf mehrere Schultern verteilt und breiter aufgestellt. Vertriebsleiter Stefan Remmert, Marketingleiter Sven Rensinghoff, weitere Führungskräfte und ich teilen uns die Führungsaufgaben.

SBZ: Hat Ihr Vater sich wirklich zurückgezogen? Mischt er nicht noch im Hintergrund mit?

Pahl: Auch wenn es niemand glaubt, aber er hat sich wirklich zurückgezogen. Genauso gradlinig wie er im Geschäftsleben war, so konsequent hat er uns vor einem Jahr die Geschäfte übergeben. Und für uns junge Führungsriege ist es gut zu wissen, dass noch jemand da ist, den man jederzeit um Rat fragen kann. Der Bau des neuen Emaillierwerkes war Vaters letztes großes Bette-Projekt und ich bin froh, dass hier seine Erfahrungen eingeflossen sind.

SBZ: Und wie hat sich das erste Jahr unter der neuen Führungsriege umsatzmäßig entwickelt?

Pahl: Es lief gut, wir haben 5,3 % an Umsatz zulegen können und auch erstmals nach Jahren im In- und Ausland wieder an Stückzahl zugelegt. Bei einer Kapazität unseres Werkes von 700000 Teilen sind wir im Zweischichtbetrieb fast zu zwei Drittel ausgelastet. Dabei hält sich der Anteil von Badewannen und Duschwannen bzw. -flächen die Waage.

SBZ: Und wie sieht es mit den Waschbecken aus, die Sie auf der ISH 2009 vorgestellt haben?

Pahl: Das war schwieriger, als wir gedacht hatten. Aber wir wollen einen Anteil von 5 % erreichen. Doch lassen Sie sich überraschen, wir haben in allen Bereichen produkttechnisch noch viel vor.

SBZ: Sie propagieren jetzt verstärkt das Spezialitätenbad und das Thema Indivi­dualanfertigungen. Das bietet Bette doch schon seit 30 Jahren. Ist das nicht alter Wein in neuen Schläuchen?

Pahl: Sie haben Recht damit, dass Bette schon seit Jahrzehnten die individuelle Wannenfertigung bietet. Aber erst jetzt wird diese Leistung in so großem Umfang ab­gefragt, dass mittlerweile 50 % unserer ­Produktion individuell, in Losgröße 1 erfolgt. Dementsprechend haben wir unser Produkt- und Serviceangebot ausgebaut – und wollen nun auch Individuallösungen verstärkt in die Branche einbringen.

SBZ: Warum gerade jetzt?

Pahl: Weil die Ansprüche der Endverbraucher an ein perfektes Bad gestiegen sind und wir Handel und Handwerk mehr denn je das passgenaue Produkt für die jeweilige Einbausituation zur Verfügung stellen wollen. Da kommen auch Speziallösungen wie die Bette-Zarge, die die Silikonfuge überflüssig macht, immer besser zum Zug. Und letztlich bieten maßgeschneiderte Individuallösungen dem Handwerk eine Stärkung seiner Planungs- und Beratungskompetenz. Um die Möglichkeiten und Vorteile einer Maßanfertigung mehr in den Fokus zu rücken, starten wir jetzt eine Offensive. Auf den Frühjahrsmessen in Essen und Nürnberg präsentieren wir ein echtes Spezialitätenbad. Da zeigen wir, was man alles passgenau ins Bad einbringen kann.

SBZ: Na, da können unsere Leser gespannt sein, vielen Dank für das Gespräch.