SBZ: Herr Mertz, zunächst möchten wir von Ihnen aktuelle Zahlen zur Marktentwicklung hören.
Mertz: Im Jahr 2011 hat die Branche 33300 Zentrallüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung für Wohnhäuser installiert. Das war eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren. Und 2012 waren es bis Ende Oktober bereits auch schon wieder 30630 Anlagen. Wenn die endgültigen Zahlen für 2012 feststehen, werden diese voraussichtlich eine Steigerungsrate von 12 bis 13 % ausweisen.
SBZ: Wenn ich diese Zahlen so höre, dann ist der Markt für die kontrollierte Lüftung auf jeden Fall kein Randphänomen mehr, wie es viele Kritiker immer wieder gerne sagen und schreiben.
Mertz: Die positive Marktentwicklung ist sicher vor allem auf das wachsende Bewusstsein zurückzuführen, dass sich Niedrigenergiehäuser ohne lüftungstechnische Maßnahmen einfach nicht betreiben lassen. Entsprechend gehen auch sehr viele dieser Anlagen in Niedrigenergie- und Passivhäuser. Dann möchte ich hierzu noch eine weitere Zahl nennen: Wenn wir die Kompaktanlagen für Passivhäuser, in denen eine Wärmepumpe und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung kombiniert sind, auch noch hinzuzählen, kommen wir im Jahr 2011 sogar auf 35100 Zentralgeräte.
SBZ: Dezentrale Geräte sind, wenn ich richtig verstehe, bei Ihren Zahlen auch noch nicht berücksichtigt, obwohl es hier doch auch eine ganze Menge Hersteller gibt.
Mertz: Diese Gruppe haben wir in der Tat nicht erfasst. Das wäre zwar wünschenswert und wir haben es schon mehrfach diskutiert. Aber es ist allein schon sehr schwierig, solche Anlagen sinnvoll gegen Anlagen nach DIN 18017, Lüftung von Bädern und Toilettenräumen ohne Außenfenster, abzugrenzen. Für zentrale Geräte sind unsere Zahlen aber sehr nah am Markt. Sie basieren auf Statistiken, die vom BDH und dem FGK erhoben werden. Wir erzielen eine Marktabdeckung von ungefähr 80 %.
SBZ: Hat sich die Pflicht, für Neubauten und bei umfangreichen Sanierungen ein Lüftungskonzept zu erstellen, messbar auf den Markt ausgewirkt?
Mertz: Sicher hat die DIN 1946 Tei 6, die diese Lüftungskonzepte einfordert, einen nennenswerten Einfluss auf die Marktentwicklung, vor allem im Sanierungsbereich, aber quantifizieren können wir diesen nicht. Zum Stichwort DIN 1946 T6 möchte ich aber eine Kritik an der Weiterentwicklung der EnEV anbringen. Wir haben massiv darauf gedrängt, dass die Forderungen der Norm in die Formulierung der neuen EnEV übernommen werden, was der Lüftung sicher gut getan hätte. Derzeit redet die EnEV nur von gesundheitlich zuträglicher Raumluft, leider nur ein undefinierter und unscharfer Begriff.
SBZ: Dennoch sind Sie nicht pessimistisch. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung des Marktes ein?
Mertz: Die Steigerungen, die wir jetzt beobachten, werden wir sicher in der Form beibehalten. Auf EU-Ebene wird sogar davon ausgegangen, dass in Deutschland im Jahr 2015 insgesamt 140000 Geräte installiert werden. Diese Zahlen entstanden im Zusammenhang mit der Entwicklung der ErP-Richtlinie (Energy related Products), bei der auch Marktanalysen ausgeführt werden müssen. Der Zahlenwert erscheint mir deutlich zu hoch gegriffen, immerhin werden wir nach unserer Einschätzung aber weiterhin Steigerungsraten von mindestens 15 % haben. Die EU-Zahlen zeigen, dass man von einem massiven Anstieg in Deutschland ausgeht.
SBZ: Nun möchte ich gerne zur Arbeit des FGK kommen: In welchen Bereichen beim Thema Wohnungslüftung wollen Sie demnächst verstärkt Akzente setzen?
Mertz: Da steht natürlich zuerst die ISH 2013 an. Dann wollen wir die Pressearbeit verstärken, wofür wir auch einen Mitarbeiter, Daniel Hörer, eingestellt haben. Bei den technischen Themen ist für uns die Schullüftung immer noch aktuell, künftig werden wir aber vor allem das Thema Hygiene verstärkt angreifen.
SBZ: Bezüglich Hygiene gab es ja erst im NDR ( https://www.ndr.de/ ) am 26.11.2012 den Aufsehen erregenden Beitrag „Wärmedämmung – Der Wahnsinn geht weiter“, bei dem neben feuergefährlichen Dämmstoffen auch die Lüftungsanlagen ab Minute 31 ihr Fett ordentlich abbekommen – wie man so schön sagt.
Mertz: Der Fernsehbeitrag hat in der Tat einigen Wirbel verursacht. Er zeigt vor allem eines und das möchte ich hier auch besonders betonen: Es geht nicht ohne Reinigung und regelmäßige Wartung. Und so waren es auch die nicht gewarteten sowie die schlecht geplanten und gebauten Anlagen, die in dem Beitrag zu Recht kritisiert wurden. Wir als Verband können da vor allem Aufklärungsarbeit leisten. Und so bieten wir auf unserer Homepage zahlreiche aktuelle Publikationen für Planer und Handwerker zum Herunterladen an. Sie finden dort ein breites Angebot von allgemeinen Infos zur Anlagenhygiene bis hin zu Ausschreibungstexten.
SBZ: Und einen Teil davon finden unsere Leser bereits bei den SBZ-Extras zum Herunterladen. In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch noch das Zertifikat erwähnenswert, das Sie mit dem TÜV Süd zusammen entwickelt haben.
Mertz: Dieses Zertifikat gibt es nun seit Ende 2011. Zertifizierte Unternehmen garantieren ihren Kunden damit die Einhaltung strenger Qualitäts- und Servicekriterien bei der Reinigung und der Instandhaltung von raumlufttechnischen Anlagen – auch fetthaltiger Küchenabluftanlagen. Einige Fachfirmen haben bereits das Zertifikat, weitere befinden sich noch im Verfahren. Das Zeichen bietet Betreibern von RLT-Anlagen eine wichtige Orientierung bei der Suche nach geeigneten Dienstleistern für die Einhaltung von Hygieneanforderungen.
SBZ: Herr Mertz, vielen Dank für das interessante Gespräch.
SBZ Extras
Wie im Interview angekündigt, haben wir für Sie einige aktuelle Unterlagen vom FGK über die kontrollierte Wohnungslüftung zum Herunterladen bei den SBZ-Extras bereitgestellt. Es handelt sich um die FGK-Status-Reporte Nr. 9: „Hygiene in Wohnungslüftungsanlagen“, Nr. 21: „Software zur Auslegung von Wohnungslüftungssystemen“ und Nr. 30: „Richtiges Lüften in Haus und Wohnung“ sowie ein aktuelles Statement zur Wohnungslüftung von Claus Händel, technischer Referent vom FGK. Download unter: http://www.sbz-online.de/extras