SBZ: Herr Heinrichs, die Normenreihe DIN 1988 mit den Teilen 1 bis 8 „Technische Regeln Trinkwasser-Installation“ (TRWI) vom Dezember 1988 sind Anfang Juni 2012 zurückgezogen worden. Damit haben die Normen ihre Gültigkeit als allgemein anerkannte Regel der Technik verloren. Welche Normen sind künftig für Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung von Trinkwasserinstallationen anzuwenden und ab wann müssen die Handwerker die neuen Regeln in der Praxis umsetzen?
Heinrichs: Im Juni 2012 wurden sowohl die Normen der DIN 1988 Teil 1 bis Teil 8 von 1988 als auch der zugehörige Kommentar auf Veranlassung der DIN-Geschäftsführung Normenausschuss Wasserwesen vom Beuth zurückgezogen. Ersetzt wurden diese Regeln von DIN 1988 durch die europäischen Grundlagennormen DIN EN 806 und DIN EN 1717 sowie der nationalen Ergänzungsnormen der neuen Normenreihe von DIN 1988-100, -200, -300, -500 und -600. Hierzu wurden vom DIN/Beuth und dem ZVSHK neue Kommentare erstellt. Die neuen Regeln sind mit dem Datum der Veröffentlichung der DIN anzuwenden. Teilweise sind einzelne europäische Normen schon seit Jahren veröffentlicht, wie DIN EN 1717 vom Mai 2001 oder DIN EN 806-1 vom September 2000. Bei diesen Normen stellt sich nicht mehr die Frage, ab wann sie anzuwenden sind. Grundsätzlich sind immer die neueren Normen anzuwenden.
SBZ: Was kann passieren, wenn Handwerker weiter nach der alten Normenreihe installieren und sich darauf beziehen?
Heinrichs: Zum Zeitpunkt der Abnahme sind die aktuell gültigen anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Bei der Vielzahl der Änderungen in den neuen europäischen und nationalen Trinkwasserinstallationsnormen kann der Auftraggeber darauf bestehen, dass die wesentlichen Neuerungen in seinem Bauvorhaben eingehalten werden, ggf. muss eine Nachbesserung auf den neuesten Stand erfolgen.
SBZ: Gibt es keine Übergangszeit?
Heinrichs: Die Übergangszeit ist die Zeit der Entwurfsphase der Normen in der Fachöffentlichkeit, in der über die Inhalte der Norm diskutiert werden kann und mögliche Einwendungen dem Normenausschuss mitgeteilt werden können. Diese Einsprüche aus der Fachöffentlichkeit werden in einer Einspruchssitzung entsprechend den DIN-Regularien besprochen. Erst danach erfolgt der Weißdruck und ab diesem Zeitpunkt sind die Normanforderungen einzuhalten.
SBZ: Mit der neuen TRWI wurde das Rad nicht neu erfunden. Vielmehr wurde ein Teil aus den alten Normen übernommen. Welche Dinge sind wirklich neu und worauf muss der Handwerker besonders achten?
Heinrichs: Selbstverständlich ist nicht alles neu, was in den neuen Normen steht, jedoch sind von 1988 viele Erkenntnisse vorhanden und neue Techniken entwickelt worden, die im Zuge der Neubearbeitungen berücksichtigt werden mussten. Insbesondere stehen die gesundheitlichen und hygienischen Belange stärker im Fokus. Hierzu gehören die Vermeidung durch Stagnation, die Werkstoffwahl, die Dämmung, der hydraulische Abgleich, die Bemessung der Nennweiten und vieles mehr, welches aus den künftigen Veröffentlichungen in der SBZ entnommen werden kann. Auf der Grundlage der neuen Trinkwasserverordnung wurde auch der Betreiber mit den Anforderungen von DIN EN 806-5 „Betrieb und Wartung“ stärker in die Pflicht genommen, für einen bestimmungsgemäßen Betrieb zu sorgen und regelmäßige Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen.
SBZ: Zu dem neuen Normungspaket hat der ZVSHK in Kooperation mit dem DIN/Beuth einen Kommentar erstellt. Mittlerweile gibt es aber auch weitere Kommentierungen, wie die vom DVGW. Führt das nicht zu Verwirrung?
Heinrichs: Die Bundesfachgruppe Sanitär Heizung Klima hat sich nach intensiven Beratungen dazu entschlossen, wie bisher gemeinsam mit dem DIN/Beuth einen Kommentar zu den einzelnen Normen zu erstellen. Diese Kommentare wurden von Mitarbeitern des entsprechenden DIN-Normenausschusses und weiteren Experten aus den jeweiligen Anwendungsbereichen praxisgerecht und anwenderorientiert erarbeitet. Der DVGW hat sich für ein anderes Konzept für seine Mitglieder entschieden. Der DVGW-Kommentar ist derzeit nur digital verfügbar und ist anders strukturiert als die gültigen Normen. Zudem sind die zugehörigen Normen im DVGW-Kommentar nicht enthalten. Die Anwender, die die aktuellen Normen wie gewohnt verfügbar und kommentiert haben möchten, sind mit dem offiziellen DIN/Beuth- und ZVSHK-Kommentar richtig ausgestattet, um über die Neuigkeiten informiert zu sein und die Hintergründe zu kennen.
SBZ: Was ist für den Handwerker wichtig, worauf soll er sein besonderes Augenmerk legen?
Heinrichs: Grundsätzlich sind alle Anforderungen der neuen Normen der Trinkwasserinstallation wichtig. Insbesondere auch, weil heute Sachverständige die Normen wie eine Checkliste zur Beurteilung der ausgeführten Arbeiten verwenden und damit kontrollieren, ob die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden. Damit die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden, muss der Handwerker die Inhalte der Normen kennen und muss deshalb die Normen besitzen. Wenn er von den anerkannten Regeln der Technik abweicht, muss er Argumente haben, weshalb er davon abgewichen ist und ob mit dem angewendeten Verfahren eine vergleichbare Lösung erzielt wurde. Wenn der Auftraggeber Abweichungen verlangt, muss dies schriftlich vereinbart werden.
SBZ: Warum soll der SHK-Fachhandwerker den ZVSHK-Kommentar als Grundlage für die Planung, Ausführung und den Betrieb von Trinkwasserinstallationen nehmen?
Heinrichs: Der Kommentar ist, wie bereits erwähnt, ein offizieller Kommentar von DIN/Beuth und ZVSHK. Praxisgerecht wurden die zusammengehörenden europäischen und nationalen Normen abschnittsweise zusammengeführt und ausführlich kommentiert. Die Normen wurden einzeln kommentiert und sind auch einzeln erhältlich. Das hat zum einen den Vorteil, dass sich die Anwender nur die Normen beschaffen müssen, die sie benötigen, und zum anderen brauchen sie kein neues Buch zu kaufen, nur weil sich eine Norm geändert hat. Für die Mitglieder der Verbandsorganisation hat der ZVSHK ein Handwerkerpaket erstellt, welches jeder SHK-Betrieb verfügbar haben muss. In dem Handwerkerpaket sind die Normen einschließlich der Kommentare zu DIN EN 806-2 und DIN 1988-200 „Planung“, aber auch DIN EN 806-4 „Installation”, DIN EN 806-5 „Betrieb und Wartung“ sowie DIN EN 1717 und DIN 1988-100 „Schutz des Trinkwassers“ enthalten. Dieses Handwerkerpaket ist nochmals deutlich günstiger als im Einzelbezug für netto 155,00 Euro, bei den Fachverbänden allerdings nur bis Ende November 2012 erhältlich.
SBZ: Das neue Regelwerk ist sehr umfangreich. Wo sehen Sie den größten Schulungsbedarf und wo liegen nach Ihrer Auffassung die größten Fallstricke für die Handwerker?
Heinrichs: Eins schon vorweg: Für denjenigen, der die Inhalte der Normen kennt, gibt es keine Fallstricke. Alle Normen wurden umfänglich so verändert, dass man nicht sagen kann, es werden wie im Jahr 2008 bei der Gasinstallation TRGI nur Ergänzungen geschult. Zu dem Gesamtkonzept des ZVSHK gehört neben dem Zusammenstellen der europäischen und nationalen Normen sowie der zugehörigen Kommentare auch eine Weiterbildungsmaßnahme. Auf der Grundlage der einzelnen Kommentare wurden Schulungsfolien erstellt. In Train-the-Trainer-Seminaren wurden vom ZVSHK geeignete Referenten aus den Landesverbänden und von den am Kommentar beteiligten Herstellern besonders geschult, damit die Inhalte überzeugend an die Schulungsteilnehmer vermittelt werden können. Zu den Schulungsunterlagen gehören die jeweiligen Normen mit den Kommentaren. Die Landesfachverbände bieten diese Schulungen an, die von den jeweiligen Wasserversorgungsunternehmen als Voraussetzung zur Eintragung in das Installateurverzeichnis anerkannt werden.
SBZ: In welchen Bereichen treten am häufigsten Probleme bei der Trinkwasserinstallation auf?
Heinrichs: Probleme treten meistens dort auf, wo die Grundsätze der Normen bei Planung, Ausführung und Betrieb missachtet wurden. Um das auch noch einmal deutlich anzusprechen: Wenn die Anforderungen der Normen bei Planung, Ausführung und Betrieb eingehalten werden, gibt es keine Probleme. Mit der neuen Trinkwasserverordnung müssen öffentliche Gebäude und Wohngebäude (ab drei Wohneinheiten), in denen eine zentrale Trinkwassererwärmung Duschen versorgt, regelmäßig, derzeit noch jährlich (künftig alle drei Jahre), auf Legionellen beprobt werden. Bei diesen Beprobungen fallen natürlich am häufigsten nicht fachgerecht geplante und ausgeführte Trinkwasserinstallationen auf. Aber auch Trinkwasserinstallationen, die nicht bestimmungsgemäß betrieben werden, fallen auf. Meistens fehlt ein regelmäßiger Wasseraustausch oder die Warmwassertemperaturen sind aus Energieeinsparungsgründen zu niedrig eingestellt. Hier gilt es, in der Zukunft die Betreiber besser als bisher einzuweisen, auf notwendige Inspektions- und Wartungsarbeiten hinzuweisen und auf die Verkehrssicherungspflichten aufmerksam zumachen.
SBZ: Sie waren Mitglied in zahlreichen Normenausschüssen. Bis die neue Normenreihe fertig war, hat es lange gedauert. Warum hat das so lange gedauert?
Heinrichs: Anfang der 90er-Jahre wurde mit der europäischen Normung von Trinkwasserinstallationen begonnen. Alle Mitgliedsstaaten haben das gleiche Recht, sich in der europäischen Norm wiederzufinden. Man kann sich vorstellen, dass aufgrund der unterschiedlichen Niveaus in den einzelnen Staaten es nicht einfach war, einen Konsens über diese Inhalte in den einzelnen Normen zu erreichen. Dieser Harmonisierungsprozess hat dazu geführt, dass im Jahr 2000 die erste Norm (DIN EN 1717) und im Jahr 2011 die letzte der europäischen Normen (DIN EN 806-5) für Trinkwasserinstallationen veröffentlicht wurde. Außerdem konnten nationale Ergänzungsnormen erst erstellt werden, nachdem bekannt war, was in europäischen Normen steht. Abschließend ist aber für Anwender das Ergebnis entscheidend. Durch das Zusammenfassen von europäischen Grundlagennormen und nationalen Ergänzungsnormen mit einem anwenderfreundlichen Kommentar in acht Teilen ist wieder ein praxisgerechtes Regelwerk für Trinkwasserinstallationen entstanden.
SBZ: Herr Heinrichs, vielen Dank für das informative Gespräch und die hilfreichen Erläuterungen.