Trinkwasserinstallationen werden bereits in der Entwurfsphase durch den Betreiber und den Fachplaner in Abhängigkeit von der späteren Nutzung des Gebäudes für den „bestimmungsgemäßen Betrieb“ und damit für einen regelmäßigen Wasseraustausch ausgelegt (Bild 1). Dazu gehört unter anderem, für jede Entnahmestelle die zu erwartenden Nutzungsmengen und -intervalle im sogenannten Raumbuch schriftlich festzuhalten. Der Hintergrund: Die Länge und die Dimensionierung der Rohrleitungen sind so zu wählen, dass gleichzeitig die Versorgungssicherheit gegeben und das Volumen der Einzelzuleitung bei den vorgesehenen Nutzungsmengen und -intervallen regelmäßig vollständig ausgetauscht wird. Ist das Volumen zu groß, muss unter Umständen auf den geplanten Verbraucher verzichtet oder über andere Möglichkeiten nachgedacht werden, die für einen vollständigen Wasserwechsel sorgen. Problematisch ist allerdings, dass die Intervalle für den Wasseraustausch in den Regelwerken nicht einheitlich festgelegt sind:
- Die DIN 1988-100 sieht für Leitungen zu selten genutzten Verbrauchern, beispielsweise Stichleitungen zu Außenentnahmestellen, erst eine vierwöchige Nutzungsunterbrechung als kritisch an.
- In der DIN EN 806-5 wird das Intervall für einen Wasserwechsel für solche Rohrleitungen hingegen auf "vorzugsweise einmal je Woche" festgelegt.
- Die DIN 1988-200 beurteilt den Sachverhalt ähnlich, empfiehlt aber – wörtlich genauer – einen vollständigen Austausch des Inhalts der Rohrleitungen "spätestens nach sieben Tagen" Nutzungsunterbrechung.
Wasseraustausch nach VDI 6023
Die kleinste Spanne für tolerierbare Nutzungsunterbrechungen bietet die VDI 6023 an: Sie geht von einem regelmäßigen Wasseraustausch alle 72 Stunden oder maximal alle sieben Tage aus, damit in der Trinkwasserinstallation hygienisch einwandfreie Verhältnisse herrschen. Um die hygienischen Verhältnisse einer Trinkwasserinstallation bewerten zu können, müssen parallel zum Betrieb laufend mikrobiologische Probenahmen erfolgen. Maßstab für hygienisch einwandfreie Verhältnisse ist dabei die Europäische Trinkwasserdirektive.
Ausgehend von den genannten Regelwerken und den darin beschriebenen, unterschiedlichen Intervallen für den hygieneerhaltenden Wasseraustausch gemäß „bestimmungsgemäßem Betrieb“ könnten also prinzipiell insbesondere große Trinkwasseranlagen differenziert betrachtet und – je nach Strangabschnitt – aus wirtschaftlichen Gründen in unterschiedlichen Zeitabständen gespült werden: In selten genutzten Strängen (beispielsweise zu den Außenzapfstellen) also nur alle vier Wochen, in hygienisch kritischen Zuleitungen hingegen alle 72 Stunden, und die längeren Stichleitungen zu Waschmaschinenanschlüssen oder ähnlichem möglicherweise jede Woche. Zudem gibt es Einflussfaktoren wie die Umgebungstemperatur, die über die rein funktionale Betrachtung der Strangabschnitte hinaus die Trinkwassergüte ebenfalls negativ beeinflussen können. Aus hygienischen Gründen ist daher grundsätzlich von einer dreitägigen Nutzungsunterbrechung als Grenzwert und damit von einem 72-stündigen Spülintervall auszugehen.
Nutzungsunterbrechungen
Nutzungsunterbrechungen, also Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Betrieb, kommen während des Lebenszyklus einer Trinkwasserinstallation immer wieder aus unterschiedlichsten Gründen vor, wie zum Beispiel der Umnutzung des Gebäudes oder saisonbedingten Betriebsunterbrechungen. Typisch dafür sind jahreszeitenabhängige Urlaubshotels oder Schulen während der Ferienperioden. Bei diesen Nutzungsunterbrechungen ist der regelmäßige Wasseraustausch dann nicht mehr gegeben; das stagnierende Wasser verkeimt möglicherweise. Da der Betreiber einer Trinkwasserinstallation aber nach Trinkwasserverordnung § 4 („Der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage dürfen Wasser, das den Anforderungen … nicht entspricht, nicht als Trinkwasser abgeben oder anderen zur Verfügung stellen.“) und VDI/DVGW 6023 für den Hygieneerhalt des Trinkwassers und damit den bestimmungsgemäßen Betrieb verantwortlich ist, muss er für einen ausreichenden Wasseraustausch sorgen. Dies gilt auch für Bauträger oder Fachhandwerker, wenn das Objekt nach Fertigstellung einer Installation nicht direkt an den künftigen Nutzer oder Betreiber übergeben wird.
Treten solche Nutzungsunterbrechungen auf, wie beispielsweise zwischen der Fertigstellung einer Trinkwasserinstallation und ihrer Übergabe an den künftigen Betreiber oder Nutzer allgemein üblich, erfolgt die geforderte Spülung der Trinkwasserinstallation zum Erhalt der Trinkwassergüte in der Regel manuell nach einem Spülplan. Je nach Länge und Dimensionierung des betreffenden Rohrleitungsnetzes ist dabei allerdings neben dem Spülort eine zuvor zu errechnende Spüldauer zwingend einzuhalten (Bild 2). Diese richtet sich nach der nicht bestimmungsgemäß genutzten Rohrleitungsstrecke und ihrer Dimensionierung, denn erst daraus ergibt sich das zum Hygieneerhalt mindestens auszutauschende Wasservolumen (Bild 3). Hersteller wie Viega stellen für solche Berechnungen im Internet entsprechende Tabellen zur Verfügung (Bild 4). Werden die Richtwerte nicht eingehalten, besteht entweder weiterhin ein Verkeimungsrisiko (weil Restwasser im Leitungsnetz stehen blieb) oder es kommt durch zu langes Spülen zu Wasserverschwendung, das Spülen wäre unwirtschaftlich. Beides ist zu vermeiden.
Qualifizierte Übergabe
Idealerweise wird durch den Fachhandwerker ein Spülplan aufgestellt, der gleichzeitig als Nachweis für die vorgenommenen Wasserwechsel dient. Neben den Planungsgrundlagen für die Trinkwasseranlage und dem Übergabeprotokoll sollte diese Dokumentation dann im Rahmen der Einweisung des Bauherrn in seine Betreiberpflichten mit übergeben werden. Der Bauherr/Betreiber bekommt damit konkrete Handlungsempfehlungen, mit welchen Maßnahmen auch er bis zum bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage sowie in der Folgezeit die Trinkwasserhygiene zuverlässig erhalten kann.
Sichere technische Lösungen
Häufig verhindern bauliche Gegebenheiten jedoch, sämtliche trinkwasserhygienischen Grundsätze anzuwenden, sodass der notwendige Wasseraustausch durch Spülung sichergestellt werden muss. Selbst bei genauer Analyse des Rohrleitungsnetzes und Aufstellung eines präzise ausgearbeiteten Spülplans dürfte die manuelle Spülung der Installation in der Praxis aber nicht zuverlässig bzw. wirtschaftlich umsetzbar sein.
In solchen Anlagen kann es sinnvoller sein, die betroffenen Strangabschnitte schon installationsseitig mit intelligenten Verbrauchern auszustatten, die eine Nutzungsunterbrechung erkennen und einen bedarfsgerechten Wasserwechsel automatisiert durchführen. Bei Zuleitungen zu einzelnen Entnahmestellen, wie einem Außenwasserhahn, ist das mit geringem Aufwand über eine Ringleitung möglich, die vor einer Einpressdüse nach dem Venturi-Prinzip von der Hauptverteilung abgeht (Bild 5). Auch das (nachträgliche) Einschleifen von Entnahmestellen in eine Reihenleitung und das Positionieren einer häufig benutzten Entnahmestelle am Ende der Reihenleitung, zum Beispiel eines WCs (Bild 6), kann schon zu einem deutlich häufigeren und damit hygieneerhaltenden Austausch des Wasservolumens führen.
Zur einfachen und zuverlässigen Vermeidung von Nutzungsunterbrechungen kann alternativ auch eine Betätigungsplatte mit Hygiene+-Funktion für WCs oder Urinale am Ende einer Reiheninstallation (Bild 7) installiert werden. Bei diesen Betätigungsplatten lassen sich sowohl Spülintervalle wie Spülvolumina so programmieren, dass auf die jeweilige Installation und das entsprechende Stagnationsrisiko abgestimmt bedarfsgerecht gespült wird. Steht kein Spülkasten zur Installation einer Betätigungsplatte mit Hygiene+-Funktion zur Verfügung oder ist eine Dokumentation der Maßnahmen erwünscht, ist alternativ der Einsatz einer entsprechenden Spülstation möglich (Bild 8). Die Spülstation erkennt über entsprechende Sensorik, wenn ein Wasseraustausch ausbleibt und welche Menge ausgetauscht werden muss. Dabei wird durch die Spülstation der Zeitpunkt, die Spülmenge, die Temperatur vor und die Temperatur nach dem Wasserwechsel als Nachweis protokolliert.
Fazit
Fachgerecht werden Trinkwasserinstallationen in Abhängigkeit von der späteren Nutzung des Gebäudes für den bestimmungsgemäßen Betrieb und damit für einen regelmäßigen Wasseraustausch ausgelegt. Kann dieser aufgrund von Betriebsunterbrechungen nicht gewährleistet werden, muss regelmäßig ein Wasseraustausch durchgeführt werden. Die Intervalle dazu sind allerdings in den einschlägigen Regelwerken unterschiedlich definiert. Aus trinkwasserhygienischen Gründen sollte also auf die VDI/DVGW 6023 zurückgegriffen werden: Mit 72 Stunden schreibt sie das kürzeste Spülintervall vor; damit ist bei Anwendung dieses Regelwerkes das Risiko einer negativen Beeinflussung der Trinkwasserqualität sehr gering.
Info
Im Notfall trennen
Unter anderem die DIN 1988-100 hebt auf das Hygienerisiko durch Stagnation in Trinkwasserinstallationen ab und empfiehlt u.a.:
„Ein bestimmungsgemäßer Betrieb bedeutet die Durchströmung (d.h. Nutzung) aller Installationsbereiche. Dies kann Folgendes einschließen: Zur Sicherstellung einer jederzeit einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers sollte an allen Entnahmestellen regelmäßig Trinkwasser entnommen werden; Trinkwasseranlagen, die länger als sechs Monate nicht benutzt werden, sind in befülltem Zustand zu belassen und am Hausanschluss abzusperren. Vor der Inbetriebnahme sind die Leitungen erneut gründlich nach DIN EN 806-4 zu spülen; stillgelegte, nicht mehr benötigte Leitungsabschnitte sind von der übrigen Installation direkt am Abzweig zu trennen.“
Info
Planung und Praxis
Oftmals können aufgrund baulicher Gegebenheiten wichtige hygieneerhaltende Voraussetzungen für Trinkwasserinstallationen aus der Planung wie
kurze Leitungswege, durchgeschliffene Zapfstellen, Hauptnutzer am Ende von Stichleitungen oder Einhaltung der Temperaturführung bei der Ausführung nicht in der gewünschten Konsequenz erfüllt werden. Das kann dazu führen, dass der ursprünglich festgelegte bestimmungsgemäße Betrieb für den Wasseraustausch nicht ausreichend ist. In diesem Fall ist der bestimmungsgemäße Betrieb den Gegebenheiten anzupassen.
Info
Betreiber in der Pflicht
Nach VDI/DVGW 6023 ist der Betreiber einer Trinkwasserinstallation für den Erhalt der Trinkwassergüte verantwortlich:
Mit dem dokumentierten Nachweis der einwandfreien Trinkwasserbeschaffenheit nach der Befüllung geht die Verantwortung für den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasserinstallation auf den Unternehmer und sonstigen Inhaber über. Bis zum Vorliegen des Nachweises, längstens jedoch bis zum Zeitpunkt der werkvertraglichen Abnahme, hat der Errichter den bestimmungsgemäßen Betrieb sicherzustellen und zu dokumentieren. Der Unternehmer und sonstige Inhaber (Betreiber) ist spätestens zu diesem Zeitpunkt auf seine bestehenden Pflichten zum bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage hinzuweisen. Hierüber ist ein Protokoll anzufertigen.
Autoren
Dr. Peter Arens ist Leiter des Kompetenzzentrums Trinkwasser bei Viega in 57439 Attendorn
- Telefon (0 27 22) 61-0
- https://www.viega.de/de/homepage.html
Dipl.-Ing (FH) Tobias Klosta ist Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Trinkwasser bei Viega in 57439 Attendorn
- Telefon (0 27 22) 61-0
- https://www.viega.de/de/homepage.html