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Tipps für das Kundengespräch

Vintage ist kein Jagdgewehr

Zurück zu mehr Individualismus und eigener Identität und Geschichte liegt im Trend und machen auch vor dem Badezimmer nicht halt. Statt steriler Aufgeräumtheit und futuristischer Klarheit sind wieder Dekorationen und Accessoires aus vergangenen Tagen gefragt: vom Sessel über Vasen, Bilderrahmen oder Leuchten. Eine Herausforderung für jeden Badplaner, denn das gestalterische Einbinden von Vintage-Möbeln und Accessoires erfordert viel Feingefühl. Dies insbesondere, wenn sie mit modernen Produkten und Designlinien kombiniert werden sollen.

Was versteht man eigentlich unter Vintage?

Unter Vintage versteht man Möbel und Accessoires mit Flohmarkt-Charme. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bedeutet: alt, aus einer bestimmten Zeit, klassisch, typisch. Als Vintage-Möbel bezeichnet man gebrauchte Möbel aus den 20er- bis 70er-Jahren des 20 Jahrhunderts. Dabei sind Gebrauchsspuren nicht nur typisch, sondern erwünscht: Man darf (soll) ihnen ihre Vergangenheit ansehen. Denn abgegriffene Oberflächen, verblichene Farben und kleine Kratzer zeugen von Authentizität.

Alte Möbel und Accessoires haben eine ganz besondere Ausstrahlung. Mit ihren Abnutzungsspuren, einer gewissen Patina, erzählen sie nicht nur ihre eigene Geschichte, sondern sind auch Zeitzeugen – sie strahlen einen ganz individuellen Charme aus. Für den Nutzer kann sogar eine ganz persönliche Geschichte dahinter stehen: ob es ein Erbstück ist – vielleicht ein Sessel auf dem die Großmutter ihm Geschichten erzählt hat – ein heiß umkämpftes Schnäppchen vom Flohmarkt oder ein Mitbringsel von einer Reise. Aber Vintage-Objekte bieten neben dem Charme noch einen Aspekt: Klassiker-Originale aus den 50er- und 60er-Jahren sind meist noch in Handarbeit hergestellt worden. Eine gute Verarbeitung und hochwertige Materialien (Vollholz) zeugen von guter Qualität. Zudem wurden viele Stücke in geringer Auflage produziert und sind Raritäten mit bleibendem Wert – eben auch nach weiteren Jahren der Abnutzung. Für den Bauherren ­also wie eine bleibende Investition in Zeiten der Eurokrise und des Wertverfalles. Wer ein echtes oder bestimmtes Vintage-Stück erwerben will, der muss sich auf die Suche machen – auch das macht einen Teil der Faszination aus. Es müssen aber nicht unbedingt echte (teure) Vintage-Stücke sein. Der Markt reagiert schnell auf Trends und so kann man schöne neu gefertigte Möbel und Accessoires im Vintage-Style erwerben. Dabei handelt es sich nicht um „echte“ Vintage-Stücke, sondern um neue Produkte im sogenannten Used Look oder Shabby-Chic. Nicht jedem gefallen diese typischen Gebrauchsspuren, so hat sich umgangssprachlich der Stil auch auf intakte Möbel ausgeweitet. Entscheidend ist, dass dabei das Design aus vergangenen Zeiten ist, beziehungsweise so anmutet (Bild 2).

Museumscharakter vermeiden

Fast immer funktioniert die Mischung aus Vintage-Möbeln – ob nun Used Look, Shabby-Chic oder reduziert nur auf das Design und moderner Badgestaltung. Damit ein Raum mit mehr als einem Vintage-Möbel nicht aussieht wie ein Museum, kommt es auf die Mischung an. Mehrere Epochen, Stile oder Materialien passen zusammen, wenn sich die Einzelstücke nicht gegenseitig die Schau stehlen. Sie sollten jedes für sich genügend Raum zum Wirken haben. Einfacher ist die Mischung eines dominanten Möbels mit Accessoires. Das können Stehleuchten, Bilderrahmen, Kissen oder Gefäße sein. Boden, Wände und Farben sollten dann neutral gehalten werden. Bei Verwendung mehrerer Hölzer passen ähnliche oder besonders gegensätzliche zusammen (Bild 3).

Behaglichkeit mit viel Liebe zum Detail

Mundgeblasene Glasvasen, bestickte Kissen, Kerzen, gehäkelte oder gestrickte Kissen und Decken: Accessoires im Vintage-Stil schaffen schnell eine gemütliche Atmosphäre. Dabei liegen Strick- und Häkelwaren in zünftiger Optik voll im Trend (Bild 4) – denken wir nur an die bestrickten Baumstämme in Schaufenstern, von Loops und Mützen ganz abgesehen. Dass es sich dabei oft um maschinell in Serie produzierte Ware handelt, fällt kaum auf. Es gibt sie in fast allen Farben, Formen und Größen, sie verleihen jedem Raum eine warme und gemütliche Atmosphäre und besitzen diesen altmodischen Charme, der so typisch ist für den Vintage-Stil – hier haben wir wieder die Reduzierung aufs Design. Aber auch eine alte Steh- oder Hängeleuchte vom Flohmarkt – oder entsprechend neu – in knalligem Farbton lackiert, passt perfekt. Genauso im Trend liegen alte Bilderrahmen – mit Bild oder auch nur die Rahmen. Als lose an die Wand gestellte Sammlung verleihen sie jedem Raum etwas künstlerisches und „unfertiges“. Eben wie gerade dort abgestellt, um irgendwann ihren rechten Platz an der Wand zu finden (Bild 5). Oder als Sammlung unterschiedlicher Größen und Rahmen. Genau diese lebendige, nicht perfekte Ausstrahlung macht den Reiz und die Individualität dieses Stils aus.

Der Vintage-Stil, ganz gleich ob nun Shabby Chic oder Used Look ist sehr facettenreich. Die Bildbeispiele dieses Artikels zeigen eindrucksvoll, wie unterschiedlich und individuell das Ergebnis sein kann. Ob nun in knalligen Farbergüssen, dezent in gedeckten Farben oder mit viel Holz – möglich ist alles. Das macht diesen Stil so besonders und erfordert viel Feingefühl und vor allem eine gute Analyse des Bauherren, denn hier geht es weit mehr als nur um die Bedürfnisse im Bad.

Vintage-Affinität bei der Badplanung berücksichtigen

Manch einer mag sagen, das sei Bauherrensache und dekorieren käme erst nach der Badfertigstellung und habe mit der Badplanung nichts zu tun – eben loses Mobiliar und Accessoires. Wird aber der Wunsch nach einem Vintage-Style von vorneherein vom Bauherrn geäußert oder gar Stücke präsentiert, die im zukünftigen Bad Einzug halten sollen – sollte die gesamte Planung darauf abgestimmt werden. Bezugsstoffe, Materialien und Farben der Vintage-Objekte geben dann die Farb- und Materialgestaltung des Raums vor. Auch wenn noch keine Objekte vorhanden sind, ist es die Aufgabe des Planers in der Entwurfspräsentation Ideen und Positionierungen möglicher Vintage-Objekte zu visualisieren. Also: Gut hinhören beim Kundengespräch, um mögliche Stilrichtungen hinterfragen zu können und ruhig selber etwas Eigeninitiative ergreifen beim Entwerfen – denn das unterscheidet einen guten Planer vom Internetshop. Und denken Sie bitte daran: Alles geht – nur dem Bauherren allein muss es gefallen.

SBZ-Spotlight

Accessoires zum Vintage-Style

Strick- und/oder Häkelware als Kissen oder Decke

Mundgeblasene, meist farbige Vasen und Gefäße

Bilder-(Rahmen), ob auf den Boden gestellt oder an der Wand

Farbig lackierte Hänge- oder Stehleuchten

Beistelltische, Hocker, Garderoben­haken

Vintage-Style steht für Individualismus

Grundregel Nr. 1: Erlaubt ist, was gefällt

Unbedingt notwendig: genaues Hinterfragen der gewünschten Stilrichtung bzw. der Epoche

Nichts von der Stange: So individuell die Kunden, so individuell sollte der Entwurf sein

Hilfreich: Gleich fragen, ob bestimmte Möbel oder Accessoires eingeplant werden sollen

Möbel im Vintage-Style passen in keine Schublade

Möbel aus den 20er- bis 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts

Auf alt getrimmte Möbel nennt man Used Look oder Shabby Chic

Gebrauchsspuren sind erwünscht

Lieber nur Einzelstücke einplanen

Palette reicht von futuristisch bis Bauerncharme

Grundzüge einer guten Raumgestaltung

Boden- und Wandfarben sollten neutral sein

Holz sollte ähnlich oder kontrastreich zum VintageMöbel ausgesucht werden

Moderne Badarchitektur passt hervorragend als Kontrast zum Vintage-Style

Vintage-Möbel brauchen Platz zum Wirken

Nicht übertreiben: Weniger ist oft mehr

Autor

Innenarchitektin Nicola Stammer plant Hotels, Büros und Privathäuser. Das Bad hat sie sich als Steckenpferd ausgesucht. Schon zweimal konnte sie als Siegerin des SBZ-Bad-Kreativ-Wettbewerbs überzeugen. Zudem ist sie für die Industrie tätig und hält Seminare.

Nicola Stammer 21365 Adendorf Telefon (0 41 31) 2 20 96 57 innenarchitektur@nico-stammer.de https://www.nico-stammer.de/