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Trends von der Möbelmesse

Kuschelige Badezimmer

Die Wohnkultur hat sich verändert, das Bad wird von immer mehr Menschen als attraktiver Raum mit hohem Wohnwert entdeckt. Die deutsche Sanitärwirtschaft hat diese Neuorientierung nicht wirklich vom ersten Moment an mitgetragen. Zu technisch sind viele Produkte orientiert, und der Installateur ist immer noch mehr mit DIN-Normen als mit Farbharmonien oder mit der Entwicklung von Wohlfühlatmosphäre im Badezimmer beschäftigt. Dass diese Gewichtung seitens der deutschen Handwerker überholt sein könnte, zeigte aktuell die imm cologne 2014 in Köln. Unter den vielen Trends, die auf der internationalen Möbelmesse zu sehen waren, war die zunehmende Behaglichkeit in Wohnungen und Häusern zweifellos einer der wichtigsten. Dieser Trend zu mehr Kuscheln in der eigenen Wohnung macht auch vor der Badezimmertür nicht halt. Der Badmöbelspezialist Burgbad stellte auf der imm eine Überarbeitung seines Solitär-Programms Crono vor. „Wir sehen uns als Brückenbauer zwischen Architektur, Installationstechnik und Möbeldesign. Und damit in der Mitte all dessen, was Einrichtung ausmacht“, so Geschäftsführer Jörg Loew in Köln.

Der Lieblingssessel im Bad

Schön und gut, doch wie kommt das Wohnliche nun ins Badezimmer? Es gab schon immer Holz-Möbelfronten oder klassische Badmöbel, doch die wohnliche Qualität kommt vorrangig durch Accessoires, Materialien und Produkte, die eigentlich eher im Wohnzimmer zu finden sind. Wohnen hat auch etwas mit Mode und Trends zu tun, die sich Jahr für Jahr verändern und variiert werden. Dieser Anspruch passt so gar nicht in die uniforme Welt eines Badezimmers, das erst in gefühlten 20 Jahren wieder ein neues Kleid erhält. Für den ambitionierten Handwerker und Badplaner gilt es, diesen Widerspruch aufzulösen.

Neben den fest installierten Produkten wie Armaturen, Duschabtrennung, Badewanne, Waschtisch, Dusch-WC oder Möbel-Ensemble ergänzen weitere Produkte das Badezimmer und bringen zusätzlichen Wohnkomfort ins Bad. Das kann zum Beispiel ein Teppich, ein Sessel und ein Beistelltisch sein, weil man im Badezimmer vielleicht auch mal ein Buch lesen will – weil es hier im Winter so kuschelig warm ist. Auch schöne Stoffe bieten sich für die Dekoration an. Und schon kommt der (an und für sich ja plausible) Einwand, dass Teppich und Stoffe mit der Zeit von Schimmel und Keimen befallen werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass es mittlerweile innovative Materialien gibt, die sich auch zum Einsatz in schwierigeren Bereichen als der guten Stube eignen. So hat die Stoff-Industrie Produkte entwickelt, die auch im Nassbereich verwendet werden können, und wenn der Teppich allzu lebendig wird, hat dieser nach fünf Jahren seinen Wohnzweck erfüllt und wird ausgetauscht.

Licht als Schlüssel zum Wohnbad

Viele Kerzen oder eine professionelle Lichtplanung können ein Badezimmer ganz einfach in ein Wohnbadezimmer verwandeln. Indirektes Licht, Funktionslicht und Emo­tionslicht werden aufeinander abgestimmt und über verschiedene Steuerungen zur passenden Stimmung oder Nutzung geschaltet. Das per Sensor gesteuerte Orientierungslicht in der Nacht für den kurzen Toilettengang ist auch für die nicht von nächtlicher Unruhe betroffenen Mitbewohner eine Wohltat. Natürlich ist in der Vergangenheit das Thema Licht und Wasser mit seinen Schutzzonen eine Herausforderung für den Installateur gewesen, doch mit den neuen LED-Technologien ist in Sachen Licht eine neue Qualität im Badezimmer möglich. Und diese Möglichkeiten zielen genau auf das gestiegene Wohnraumgefühl der Konsumenten ab.

Die natürliche Verschmelzung von Licht und Wasser in Form von der neuen Lampshower von Axor etwa soll dem Badezimmer mehr Wohnlichkeit verleihen und kann somit einen wichtigen Beitrag zur Entschleunigung eines zunehmend hektischen Alltags beitragen. „Mit der Axor-Lampshower designed by Nendo ist es uns gelungen, mit einem eleganten Einrichtungsobjekt das traditionell isolierte Bad zum Wohnraum hin zu öffnen. Die imm cologne ist für uns daher die richtige Plattform, um Architekten und Einrichtungsexperten aus aller Welt die Möglichkeiten individueller Gestaltung des Lebensraums Bad vorzustellen“, erklärt Philippe Grohe.

Endlich wieder Farbe

Auf der Möbelmesse war bei vielen Ausstellern eine große Farbigkeit zu sehen. Da sind zum einen sehr kräftige Farben, wie zum Beispiel Rot, die mit anderen Farben oder Materialien in Kontrast gesetzt werden, um noch kräftiger zu wirken. Zum anderen werden gleich drei oder vier verschiedene moderne Farben zu einer harmonischen Kombination zusammengesetzt. Überhaupt ist das Kombinieren und „Sampeln“ von Materialien und Farben, Stilelementen und Produkttypen ­einer der wichtigsten Trends im Einrichtungsbereich. Die Kombination von Neu und Alt, von minimalistischen Produkten und üppigen Formen oder glatten und rauen Oberflächen erscheint besonders reizvoll. Allerdings bedarf es einer kreativen und erfahrenen Hand, um die ideale Komposition im Bad zu erreichen. Ob dies jedem Endkunden per Klick im Online-Shop gelingt, ist fraglich.

Hier ergibt sich für den Badprofi bzw. Interior Designer eine lukrative Entwicklung für die nächsten Jahre, denn ohne professionelle Unterstützung sind die auf den ersten Blick wunderbar einfach erscheinenden Einrichtungsszenarien dann doch nicht umzusetzen. Und noch ein Trend war zu beobachten: Kupfer. Das Material erfährt gerade eine Renaissance: ob als Lampe, Beistelltisch, Griffleiste (Burgbad) oder Installation (Hansgrohe). So präsentiert auch Dornbracht auf den Frühjahrsmessen eine neue galvanische Oberfläche sowie den Armaturen-Klassiker MEM in verfeinerter Ausführung. Der aus Feingold und Kupfer hergestellte Roségold-Farbton heißt Cyprum.

Design entdeckt Gemütlichkeit

Gemütlich ist heute kein Euphemismus mehr für altmodisch – im Gegenteil: Gemütlich ist cool. Die angesagtesten Labels bieten Möbel und Ambiente zum Kuscheln an, scheuen sich nicht vor traditionellen Formen – häufig aus den 50er- und 60er-Jahren – und holen fast vergessene Designklassiker und Möbeltypen wie das Pappmöbel wieder aus dem Keller, um sie in neuem Glanz oder in neuem Street-Art-Look erstrahlen zu lassen. Das Möbeldesign wird insgesamt weicher und emotionaler.

Das stellt den Designanhänger bei der Entscheidung für eine Badausstattung vor eine Herausforderung. Denn nicht nur Design wird emotionaler und insgesamt offener für individuelle, manchmal sogar dekorative Gestaltungsprinzipien (vor wenigen Jahren noch ein absolutes Tabu), sondern auch das Bad an sich öffnet sich modischen Tendenzen! Noch weniger gerne als vom Sofa trennen wir uns nur von der Badewanne. Wie soll man nun mit modischen Einflüssen auf das Badezimmer umgehen? Hier galt bisher ein weißes, zeitlos klares Design als eine sichere Bank. Doch diese Zeiten könnten ihren Zenit bereits überschritten haben. Zeitlos-modern wird zwar immer noch bevorzugt, doch selbst bei Puristen muss es schon kompatibel mit dem neuen Kuschel-Stil sein. Wo sie nicht den Ton angeben, sind Hochfloriges, Flauschiges, Gemustertes, Holzfarbiges und Verspieltes gern gesehene Begleiter von fest installierter Keramik und eingebauten Schränken. Und auch die Individualisierbarkeit von Möbeln aus dem übrigen Einrichtungsbereich ist schon auf die sanitäre Möbelwelt übergeschwappt. Wenn Badeinrichtungen schon modischer werden, dann sollten offene Schränke mit austauschbaren, farbigen Rückwänden oder Fronten, wie sie schon heute vereinzelt zu haben sind, dem Kundenwunsch entgegenkommen. Öfter mal was Neues – das könnte in Zukunft auch für das Badezimmer gelten. Hauptsache, der Kuschelfaktor stimmt.

Autor

Der in Köln ansässige diplomierte Produktdesigner Frank A. Reinhardt hat sich als Berater auf Design und Marketing spezialisiert und publiziert in der SBZ regelmäßig rund um den Schwerpunkt Design; Telefon (02 21) 6 20 18 02, Telefax (02 21) 9 62 45 39, content@far-consulting.de, https://far-consulting.de/.