Das von der öffentlichen Wasserversorgung bereitgestellte Trinkwasser ist unabhängig vom Ursprung (Grundwasser, Uferfiltrat, Quellen- oder Oberflächenwasser) nicht grundsätzlich steril, sondern enthält eine geringe Anzahl an unterschiedlichen Mikroorganismenarten (Bakterien, Pilze, Viren) und Amöben. Ein Teil der Organismen ist für den Menschen ungefährlich, das Wasser kann jedoch auch krankheitserregende Mikroorganismen enthalten, die aus dem Wasser entfernt werden müssen, um bei der Übertragung durch Einatmen oder Trinken auf den Menschen Infektionen zu vermeiden.
Mikrobiologische Verunreinigungen im Trinkwasser
Die Zahl der Organismen wird wesentlich durch die Wassertemperatur, organische Verunreinigungen, Stagnation, Biofilme, Materialien und Entnahmehäufigkeiten von Wasser beeinflusst. „Problemkeime“ sind Legionellen und das als Hospitalismuskeim bekannte Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Legionellen sind Bakterien, die sich im Warmwasserkreislauf vermehren, über Aerosole beim Duschen durch Einatmen auf den Menschen übertragen werden und die „Legionärskrankheit“ (Kopf-, Gliederschmerzen, erhöhte Körpertemperatur) verursachen. Pseudomonas aeruginosa ist ein anspruchsloses und widerstandsfähiges Bakterium, das hauptsächlich in der Trinkwasser-Installation in Kliniken vorkommt und bei Patienten Lokalinfektionen (im Augen- und Ohrenbereich) auslösen kann. Andere erhöhte Koloniezahlen, wie z.B. E. coli weisen auf eine fäkale Verunreinigung des Trinkwasser hin. Um trinkwasserbedingte Infektionen beim Menschen zu vermeiden, müssen die Koloniezahlen möglichst niedrig gehalten werden.
Betroffene Gebäudearten
Besonders im Klinikbereich, in Pflegeheimen, Hotels, Schulen, Schwimmbädern und Sportanlagen können erhöhte Koloniezahlen von Bakterien auftreten. Legionellen und Pseudomonaden kommen am häufigsten im Krankenhausbereich vor. Hier sind vor allem die Duschen sowie Schwimm- und Therapiebäder betroffen. Nicht nur in öffentlichen Gebäuden kann das Wasser hygienisch belastet sein, auch in Ein- und Mehrfamilienhäusern sind bei Untersuchungen erhöhte Legionellen- und Pseudomonaden-Belastungen festgestellt worden. Auch hier ist eine regelmäßige Wasserentnahme an allen Zapfstellen dringend notwendig, um Stagnation und damit ein Wachstum von Mikroorganismen zu vermeiden.
Gesetze, Normen und allgemein anerkannte Regeln der Technik
Gesetzliche Grundlage für die Desinfektion und Sanierung kontaminierter Trinkwasser-Installationen ist das Infektionsschutzgesetz, daraus abgeleitet die Trinkwasserverordnung 2001 (TrinkwV 2001), die derzeit überarbeitet wird. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) müssen von allen Beteiligten (Planer, Installateure, Betreiber) eingehalten werden. Diese stellen einen Mindeststandard dar. DIN-/EN-Normen und die Arbeitsblätter/Merkblätter von DVGW, VDI, ZVSHK bzw. SHK zählen zu diesen Regeln der Technik. Besonders beachtet werden müssen neben den DVGW-Arbeitsblättern W 551 und W 553, auch die VDI 6023 sowie die aktuellen Veröffentlichungen des ZVSHK zur Sanierung von kontaminierten Trinkwasser-Installationen.
Grundsätze – unbedingt einzuhalten
Bei jedem Projekt, ob Neubau oder Sanierung im vorhandenen Bestand, ist folgendes notwendig: aktuelle Bestandspläne der Trinkwasser-Installation sind erforderlich, aktuelle Wasseranalysen (mikrobiologische und chemische Parameter) mit Vermerken von Grenzwertüberschreitungen müssen vorliegen. Vor der Anwendung einer Desinfektion sollte das Rohrleitungssystem mit einem Luft-/Wassergemisch gespült werden, um die mechanischen Verunreinigungen (Feststoffpartikel) zu entfernen, sodass eine nachfolgende Desinfektion erfolgreicher verläuft. Je nach Art des Mikroorganismus kann es notwendig sein, verschiedene Desinfektionsverfahren (thermische Behandlung, chemische Desinfektion, Einsatz von UV bzw. Ultraschall und UV) zu kombinieren. Das Minimierungsgebot für Chemikalien ist unbedingt einzuhalten, d. h. eine Dauerdesinfektion ist unerwünscht, um Korrosionen zu vermeiden und die Qualität des Trinkwassers durch Chemikalien nicht unnötig zu belasten. Weiterhin gilt als Grundsatz, dass ein hydraulischer Abgleich der gesamten Trinkwasser-Anlage als Grundlage für alle nachfolgenden Maßnahmen unbedingt notwendig ist.
Erlaubte Desinfektionsmittel und -verfahren
Zur Desinfektion von Trinkwasser sind nur Desinfektionsmittel und –verfahren zugelassen, die in der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren nach § 11 der TrinkwV 2001 aufgeführt sind. Diese Liste wird vom Umweltbundesamt stets aktualisiert und ist im Internet verfügbar. Als Desinfektionsmittel sind aufgeführt: Calciumhypochlorit, Chlor, Chlordioxid, Natriumhypochlorit und Ozon. Auch die Verfahren sind genau festgelegt: UV-Bestrahlung, Dosierung von Chlorgaslösung, Dosierung von Natrium- und Cacliumhypochloritlösung, Dosierung einer vor Ort hergestellten Chlordioxidlösung und die Erzeugung und Dosierung von Ozon bzw. Ozonlösung. Auch die elektrolytische Herstellung und Dosierung von Chlor vor Ort ist möglich. Die thermische Desinfektion ist als Sanierungsverfahren im DVGW Arbeitsblatt W 551 genannt. Auch die Membrantechnik kann zur Entfernung von Mikroorganismen eingesetzt werden, ist im eigentlichen Sinne aber kein Desinfektions- sondern ein Aufbereitungsverfahren. Andere Verfahren sind nicht zulässig!
Projektbeispiele
In einem Seniorenheim sind Legionellen und erhöhte Gesamtkoloniezahlen nachgewiesen worden. Die Neu-Installation (Rohrleitungen aus Edelstahl) ist hydraulisch berechnet und abgeglichen. Nach einer Spülung mit Wasser sind die Koloniezahlen erwartungsgemäß angestiegen. Ursache für die mikrobiologische Belastung war eine ca. 200 m erdverlegte PE-Leitung, die prophylaktisch mehrere Jahre zuvor verlegt, mit Pressluft abgedrückt und danach nicht genutzt wurde. Eine Spülung und Desinfektion erfolgte ebenfalls nicht. Als Maßnahmen wurden mehrere Schritte unternommen: Desinfektion mit Chlor, Hochchlorung, thermische Desinfektion und mehrmalige Zwangsspülung der Zapfstellen.
Als Ursache für erhöhte Legionellenzahlen in einer Behindertenschule ist stagnierendes Wasser in Schnellschlussventilen der Duscharmatur festgestellt worden, die mit Membrankammern ausgestattet waren. Von hier aus traten immer wieder Rückverkeimungen auf. Eine völlig andere Ursache wurde in einem weiteren Projekt gefunden. Im Bettentrakt eines Klinikums wurden Fertig-Nasszellen eingebaut, deren interne Rohrleitungen bei der Produktion nass gespült aber nach der Montage nicht desinfiziert wurden. Dadurch traten erhöhte Legionellen- und Gesamtkoloniezahlen auf.
Fazit
Erhöhte Keimzahlen im Trinkwasser haben ihre Ursachen: kein hydraulischer Abgleich, Verunreinigungen in der Installation, fehlende Wasserentnahme an den Zapfstellen, Überdimensionierung, Stagnation, Montagefehler, zu niedrige Temperaturen im Warmwasserkreislauf, Biofilmbildung, keine sachgerechte Inbetriebnahme, vorhandene Totleitungen, Verwendung von Werkstoffen, die ein Organismenwachstum fördern und kein bestimmungsgemäßer Betrieb. Die langjährige Erfahrung hat gezeigt, dass eine frühzeitige Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern positiv ist. Fort- und Weiterbildungen in Ergänzung zur praktischen Erfahrung sind mehr als notwendig, hierzu bieten die Institutionen und Firmen der Wasseraufbereitung produktneutrale Schulungen an. Montagen sind unbedingt unter hygienischen Aspekten durchzuführen. Alle Maßnahmen müssen dokumentiert werden.
Tipp
Literatur zum Thema
Trinkwasserverordnung 2001
Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der TrinkwV 2001
DVGW W 551 Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen – Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums – Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasserinstallationen, 2004
DVGW W 553 Bemessung von Zirkulationssystemen in zentralen Trinkwassererwärmungsanlagen, 1998
VDI 6023 Hygiene in Trinkwasserinstallationen – Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung, 2006
ZVSHK-Merkblatt Spülen, Desinfizieren und Inbetriebnahme von Trinkwasser-Installationen, 2004
ZVSHK Fachinformation Sanierung kontaminierter Trinkwasser-Installationen, 2008
Autor
Dr. Heinz Rötlich ist bei Grünbeck Wasseraufbereitung für den Geschäftsbereich Hygiene/ Gesundheitswirtschaft zuständig und Schulungsleiter. 89420 Höchstädt, Telefon (0 90 74) 41-3 42, Telefax (0 90 74) 41-7 03 42, E-Mail: heinz.roetlich@gruenbeck.de