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Umdenken bei der Badgestaltung

Begegnung statt Rückzug

Inhalt

Träume sind etwas Schönes, etwas, das uns inspiriert. So wie der Traum von der einsamen Insel oder auch der von einem Traum-Bad „nur für mich allein“. Designer und Architekten, Badplaner und Produktentwickler müssen sich aber auch fragen: Schaffen wir uns eine Wohnumgebung, die unserem Ideal entspricht, oder eine, die unseren Bedürfnissen gerecht wird? Ist das Bad ein Abbild unserer Wunschträume oder ein Raum zur Entfaltung unentdeckter Potenziale des Miteinanders?

Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir die Idee der guten Stube samt Polsterschonern aufgegeben haben zugunsten eines von Leben erfüllten Wohnzimmers, in dem die gesamte Familie alltags ihre gemeinsame Zeit genießen kann. Noch näher zurück liegt der Aufbruch der Küchen-Zelle und ihre Öffnung zum Wohn- und Essbereich. In manchen Wohnstudien von Architekten und Designern erscheint dieser Tage nun selbst das Bad als mehr oder weniger offener Bereich – offen zum Schlafzimmer, offen zum Garten oder sogar offen zum Wohnbereich. Doch so weit muss innovative Badplanung gar nicht gehen. Es reicht, sich dem Gedanken einer Öffnung dieses so intimen Raums für mehrere Nutzer gleichzeitig anzunähern.

Ein geschäftiges Bad, das vor Leben vibriert

Keine Frage: In einer Gesellschaft von Individualisten schätzen wir die Intimität des Badezimmers, um Zeit für uns allein zu haben. Dass das nicht naturgegeben ist, sondern vielmehr ein kulturell erlerntes Verhalten widerspiegelt, zeigen die Beispiele quirligen Familienlebens, in der Kinder das Bad – oft zum Leidwesen der Eltern – instinktiv und ohne jede Berührungsangst zum Zentrum des sozialen Lebens machen. Doch auch im späteren Leben finden hier mehr soziale Kontakte und intime Begegnungen statt, als wir uns gemeinhin bewusst machen. Ähnlich wie die Küche ist das Bad ein Ort täglicher Routinen, an dem nicht nur existenzielle Bedürfnisse wie Essen (im Fall der Küche) und Hygiene, sondern auch solche nach Kommunikation und Sozialisation befriedigt werden. Denn im Badezimmer kümmern wir uns nicht nur um uns selbst, sondern auch um andere: Wir putzen unseren Kindern die Zähne, schrubben unserem Lebenspartner in der Badewanne den Rücken oder reichen ihm ein Handtuch, kommentieren die digitale Anzeige auf der Waage und den Kalorienzähler am Fitnessgerät, kämmen unseren Geschwistern die Haare (oder ziehen daran), assistieren unserer Freundin beim Schminken oder unserem Freund bei der Versorgung des Sonnenbrands, treffen uns nach dem Sport zum Saunagang oder helfen unseren Eltern beim Aussteigen aus der Badewanne. Hier sind wir uns nahe, beweisen unsere Zuneigung und suchen die Bestätigung durch Familie, Partner und Freunde.

Das Badezimmer am Morgen als Treffpunkt der Familie

Was die Küche bei jeder Party und der Schminkspiegel in jedem Club, ist das Badezimmer während des Morgenrituals oder beim abendlichen Chillen: der eigentliche Treffpunkt der Gruppe. Mit dem Unterschied, dass hier ein hohes Maß an Vertrautheit oder zumindest Intimität gefordert ist; eine Vertrautheit, die auf langjährigem Zusammenleben gründet – oder auf einem erst im Moment der Begegnung entstandenen, spontanen Empfinden von Nähe. In jedem Fall aber schafft das Badezimmer, schafft der Ort an sich eine besondere Atmosphäre des Sich-aufeinander-Einlassens. Ob als Ruheinsel im Alltagsstrom oder als geschützter Raum für offene Begegnungen – das Bad kann zu ­einem magischen Ort werden, an dem besondere Erlebnisse stattfinden, von der inspirierenden Dusche bis zum Initiationsgespräch zwischen Vater und Sohn, Mutter und Tochter oder zwei Freundinnen.

Der weit größere Teil kommunikativer Funktionen, die das Badezimmer erfüllt, sind freilich banaler Natur: Hier wird morgens über den Tagesablauf gesprochen, hier wird Kritik geübt und Motivation ausgesprochen, während ein Doppelwaschtisch den reibungslosen Ablauf gewährleistet. Hier wird unter der Dusche gelacht und die Beziehung durch gemeinsamen Badespaß gefestigt. Hier werden die Kenntnisse vermittelt, wie man sich verhält, pflegt, verarztet, schön macht. Hier wird das Selbstbild überprüft, indem der Spiegel und ein Partner zurate gezogen werden. Hier wird – wieder unter den kritischen Augen eines Gegenübers – das Bild gestylt, das man/frau der Außenwelt nach Waschen, Kosmetik, Frisieren und Krawattezurechtrücken präsentieren will.

Das von den Verbrauchern immer stärker eingeforderte Raumangebot für das Badezimmer ist nicht nur als Bedürfnis für ein allein genutztes Private Spa zu interpretieren. Denn Großraumduschen, Doppelbadewannen und Doppelwaschtische werden auch deshalb immer stärker nachgefragt, weil das Badezimmer als gemeinschaftlich genutzter Raum hoch im Kurs steht – und das nicht nur bei Familien. Das Bad dient heute nicht mehr nur der Körperpflege, sondern auch der Gesundheits- und der Beziehungspflege. Gekuschelt wird demnach nicht mehr nur auf dem Sofa, sondern auch im Badezimmer. Was liegt da näher, als dem Wunsch nach mehr Wohnlichkeit nachzukommen und Platz für Sitzmöbel, Fitnessgeräte und insgesamt mehr Bewegungsfreiraum zu schaffen? Bewegungsraum für spielende Kinder, Yoga-Übungen, Liegestützen, Bücherwürmer und Entspannungsstunden. Sanitärhersteller wie Duravit oder Emco greifen diesen Trend auf.

Raum auch für die Sauna, die in neuer, häufig überraschend transparenter Optik ein Comeback feiert. Allerdings nicht unbedingt im Keller, sondern zunehmend im Badezimmer. Die Sauna selbst steht schließlich nicht nur für Entspannung des Einzelnen nach einem harten Arbeitstag, sondern auch für Geselligkeit unter Freunden. Diese Rolle steht in der skandinavischen Sauna-Kultur sogar häufig im Vordergrund. Überall da, wo die Badekultur einen Ausgleich schafft zu Kälte und Alleinsein oder wo sie rituelle Formen annimmt wie in vielen asiatischen oder auch arabischen Kulturkreisen, wird Kommunikation im Bad zu einem wichtigen Aspekt des körperlichen wie seelischen Wohlbefindens.

Nur das WC separiert

Ein Bereich, der weitgehend von kommunikativen Bedürfnissen ausgeklammert bleiben dürfte, ist die Toilette. Hier geht der Trend schon seit einigen Jahren zu einer Separierung oder gar Ausquartierung: Das Klo wandert aus dem Badezimmer in einen extra WC-Raum innerhalb der Wohnung, der vom Bad oder vom Flur aus zugänglich ist. In diesem Punkt unterscheidet sich unsere Badkultur nachhaltig von der unserer römisch-antiken Vorbilder und vor-neuzeitlicher Praxis.

Kommunikationsmodule ­inklusive

Produkte für das Badezimmer können nicht nur an der Schnittstelle Mensch–Architektur vermitteln, sondern auch auf die Beziehungen unter den Menschen eingehen, wenn sie den Bedürfnissen vieler in Funktion und neutraler Gestaltung entgegenkommen. Der Doppelwaschtisch ist per se ein kommunikatives Element. Eine Mittelablaufwanne mit zwei Rückenschrägen löst nicht nur das Problem des leidigen Badewannen-Stöpsels, sondern bietet zudem viel Platz für das Baden zu zweit. Großräumige Walk-in-Duschen, von mehreren Seiten frei zugängliche Ausstattungselemente und ein wenig freie Fläche in der Mitte bieten viel Raum für Interaktion im Bad. Genug Stauraum in Badmöbeln und in der Wand integrierten Elementen sowie elektronische Steuerungen mit individuellen Programmen für alle Familienmitglieder in Dusche und Badewanne tragen dem Bedürfnis des Einzelnen Rechnung. Und wenn dann der Badplaner noch eine breite Sitzbank (etwa im Bereich der Badewanne) vorgesehen hat, halten sich Familienmitglieder und Freunde auch gerne gemeinsam im Badezimmer auf.

Kommentar

Das moderne Bad ist kommunikativ

Das moderne Badezimmer vereint alte und neue Badkultur. Die kommunikativen Funktionen sind in den Jahren, in denen das Badezimmer kontinuierlich zu einem individuellen Wellness-Tempel gestaltet wurde, ja auch nicht abgestellt worden – man hat sich nur nicht recht dazu bekennen wollen. Entsprechend fehlt es an modernen Vorbildern und zukunftstauglichen Raumkonzepten. Dabei ist das kommunikative Badezimmer nicht nur für Großfamilien und Wohngemeinschaften attraktiv. Auch eingefleischte Singles haben gerne Besuch und teilen mit ihm auch mal den Whirlpool oder die Badewanne, wenn es geht in einer Wanne mit einem immer häufiger verfügbaren Mittelablauf. Familien brauchen vor allem Platz, und zwar sowohl Freiraum als auch Stauraum, mit Doppelwaschtisch und vielen, vielen Ablagen. Universal Design als Leitgedanke erhält vor diesem Hintergrund eine neue Aktualität, denn es eignet sich als Gestaltungsprinzip nicht nur für das Generationenbad, sondern kann auch helfen, den Raum zu einem echten Treffpunkt der Generationen und des Freundes- und Familienkreises zu machen. Marketingsätze wie zum Beispiel „Das Bad ist der intimste Raum des Hauses“ gehören also der Vergangenheit an.

In Zeiten, in denen die Lebenswirklichkeiten der Mitglieder einer Gemeinschaft immer weiter auseinanderklaffen und die Tagesplanung selbst innerhalb einer Familie zunehmend asynchron verläuft, wächst die Bedeutung der wenigen festen Orte und Rituale, die Gemeinsamkeit erzeugen. Und das sind vor allem Tisch und Bad. Künftige Badplanung sollte dies gestalterisch zum Ausdruck bringen und damit die Wohnverhältnisse den realen Bedürfnissen anpassen. Das kommunikative Badezimmer gibt hierzu Denkanstöße. Dabei geht es weniger um spezifische Gestaltungsprinzipien als darum, Möglichkeiten zu schaffen – zur gemeinsamen, barrierefreien Nutzung, zur Kommunika­tion, zur Multifunktionalität, zum Wohlfühlen. Egal, ob alleine oder zu mehreren. Denn den Schlüssel hinter sich umdrehen kann man ja immer noch.

Frank A. Reinhardt

Checkliste

Der Weg zum echten Familien-Badezimmer

Das Bad dient heute nicht mehr nur der Körperpflege, sondern auch der Gesundheits- und der Beziehungspflege. In einem Beratungsgespräch kann der Badplaner punkten, wenn er folgende Bedürfnis-Checkliste abfragt und bei der individuellen Planung Lösungsvorschläge berücksichtigt:

Offener Raum – Mischung aus Freiraum und Rückzugsmöglichkeiten mit Platz für alle

Gemeinschaftserlebnis – mit Familie/Freunden zusammen sein

Tagesplanung – Absprachen treffen, Abläufe optimieren

Mitteilungsbedürfnis – von Erlebnissen und Gefühlen erzählen

Feedback – Kommentare zu Erzähltem und Gezeigtem

Gemeinsames Badeerlebnis – Mittelablauf-Wanne mit zwei Rückenschrägen

Nähe – romantischer Abend, Kinder baden, Körperpflege

Intimsphäre bei Bedarf – separates/Gäste-WC, Sichtschutz etc.

Spaß und Bewegung – Freiraum für Fitness, Spielen, Chillen

Gemeinsames Entspannen in Sauna & Co.

Verfügbarkeit persönlicher Utensilien – Stauraum und Ablagen mit eigenem Platz für alle Badnutzer

Versorgung der Gemeinschafts-/Familienmitglieder

Ein Platz zum Anziehen/Ausziehen – Bank, Pouf oder Stuhl für zappelige Kleine, ­eilige Große und unsichere Ältere

Praktikabilität und reibungslose Abläufe – Parallelnutzungen am Doppelwaschtisch, schnelles Duschen etc.

Quick and not dirty für Männer – separates Urinal

Multifunktionalität – vielseitiges Raumkonzept

Darf trotz Familienbad nicht fehlen: auch mal abschließen können

Autor

Der in Köln ansässige diplomierte Produktdesigner Frank A. Reinhardt hat sich als Berater auf Design und Marketing spezialisiert und publiziert in der SBZ regelmäßig rund um den Schwerpunkt Design; Telefon (02 21) 6 20 18 02, Telefax (02 21) 9 62 45 39, content@far-consulting.de, https://far-consulting.de/.