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Umweltwärme aus dem Abwasser

Es muss nicht immer Grundwasser sein

Inhalt

Für ein Wärmepumpenprojekt, das sicher nicht als Standardlösung zu bezeichnen ist, entschied sich die Gemeinde Hengersberg bei der Vergrößerung ihrer Kläranlage und des zugehörigen Betriebsgebäudes. Hengersberg, das liegt etwa 50km nordwestlich von Passau in Donaunähe und gehört zum Landkreis Deggendorf. Die Gemeinde selbst, die im Jahr 997 gegründet wurde, ist der älteste Markt Altbayerns mit über 1000 Jahren Marktrecht und hat knapp 8000 Einwohner. Nach der Bildung eines Zweckverbands von Hengersberg mit der Nachbargemeinde Nieder­alteich mussten die Kapazitäten des alten Klärwerks erweitert werden. Heute sind etwa 10000 Einwohner und 500 Gewerbebetriebe angeschlossen, was einem Äquivalent von 28000 Einwohnern entspricht.

Der Ausbau erforderte mehrere neue Klärbecken und die Vergrößerung des Betriebsgebäudes durch Aufstockung. Abschluss der Maßnahmen war Ende 2011. Neben der jetzt großzügig gestalteten Zentrale im Betriebsgebäude mit mehreren Bildschirmarbeitsplätzen und zahlreichen Monitoren zur Überwachung und Steuerung der Anlage gibt es jetzt einen modern eingerichteten Besprechungsraum, ansprechende Sozialbereiche mitsamt Küche sowie eine Werkstatt und ein Labor, denn zu den wichtigsten Aufgaben des Betriebspersonals gehören eine umfangreiche Beprobung und zugehörige Analyse­arbeiten in regelmäßigen Abständen. Unter anderem ermittelt das Labor täglich den Gehalt an Trockensubstanz im geklärten Abwasser zwecks Qualitätsnachweis und es stellt Proben zur Lagerung zurück. Falls es in der Donau zu einem Fischsterben kommen sollte, kann das Wasserwirtschaftsamt über diese Proben die Herkunft einer Vergiftung eingrenzen, um Maßnahmen zu treffen.

Nach der Erweiterung hat das Klärwerk ein Einzugsgebiet von rund 8 km. Zum Abwassernetz gehören mehrere Sammelbecken und 33 Pumpwerke. Bei trockenem Wetter liegt der Zulauf bei 2800 bis 3200 m3 Abwasser pro Tag, wie der stellvertretende Klärmeister Michael Wollinger ausführt. Bei Regenwetter ist das natürlich mehr, in der Regel 12000 bis 13000 m3 pro Tag.

Gemeinde Hengersberg geht mit gutem Beispiel voran

Für das Betriebsgebäude im Klärwerk wollte die Gemeinde auf jeden Fall regenerative Energien nutzen – allein schon wegen des guten Vorbilds. Denn in Hengersberg steht moderne und umweltschonende Haustechnik ganz oben auf der Agenda, wie Bürgermeister Christian Mayer ausführt. In der Gemeinde steht eine von zwei Passivhausschulen in Bayern. Dort konnten nach der Sanierung 90 % der Heizkosten eingespart werden. Vorher lag der jährliche Verbrauch bei 140000 Liter Heizöl.

Für das Betriebsgebäude des Klärwerks wurden in der Planungsphase verschiedene Varianten durchkalkuliert. Die erste Idee war die Nutzung der Abwärme von der EDV, wie Manfred Knapp, Vertriebsbeauftragter von Stiebel Eltron für die Region, berichtet. Dieser Plan wurde aber verworfen, denn die Abwärmeentsorgung außerhalb der Heizperiode erforderte zusätzlichen apparativen Aufwand. Als zweite Möglichkeit kam eine Wärmepumpe mit Erdkollektoren in Betracht, weil für die Erweiterung sowieso zusätzliche Becken und umfangreiche Erdarbeiten erforderlich waren. Schließlich fiel die Entscheidung jedoch auf die Nutzung der zwei neu erbauten Belebungsbecken als Reservoire für Umweltwärme, in die ein Kollektor aus PE-Rohr eingebaut wurde. Diese Variante ließ sich mit sehr geringem baulichen Aufwand umsetzen. Da die Planung frühzeitig feststand, konnten die Klärbecken gleich mit den erforderlichen Durchführungen betoniert werden. Das Verlegen des Kollektors sowie die Installation der Wärmepumpe erfolgte durch den Fachbetrieb Markus Wasmeier Heizung und Sanitär in 94501 Aidenbach. Da Abwasser korrosionstechnisch sehr aggressiv ist, hat der Heizungsbauer den Kollektor mit Spezialhalterungen aus Edelstahl installiert. Dabei war ein Wandabstand von 15cm einzuhalten, damit sich keine Schwebteile festsetzen und eine Umströmung stets gewährleistet ist. Insgesamt hat der Betrieb etwa 500m PE-Rohr der Dimension 25 x 2,3 verlegt.

Wärmeentnahme kühlt das Abwasser um maximal 0,07 K ab

Zu verhindern ist bei der Auslegung solcher Anlagen eine Auskühlung der Wärmequelle. Die eingebaute Wärmepumpe WPF 10 E von Stiebel Eltron hat eine Heizleistung von 9,9kW bei einer Quellentemperatur von 0°C und einer Vorlauftemperatur von 35°C. Die Abkühlung des Abwassers lässt sich mit einer einfachen Rechnung nach oben abschätzen: Hierzu werden die 2800 m3 Mindestmenge Abwasser pro Tag betrachtet. Bei ganztägigem Wärmeentzug mit 10kW liegt die Temperaturabnahme am Schluss bei 0,07 K, was sicher zu vernachlässigen ist.

Da die Wassertemperatur im Becken auch im Winter nicht unter 5°C fällt, fallen die Leistungsdaten in der Praxis günstig aus. So erreicht die Wärmepumpe Heizleistungen bis etwa 13kW. Zum Zeitpunkt der Besichtigung ließen sich noch keine Jahresarbeitszahlen über jeweils eine komplette Heizsaison angegeben. Immerhin wiesen die Messwerte, die der integrierte Wärmepumpenregler aufzeichnet, auf einen Wert um die 5,0 hin.

Die im Technikraum des Betriebsgebäudes installierte Wärmepumpe WPF 10 E war nicht nur mit einem Regler, sondern mit weiteren Einrichtungen ausgestattet, die die Montage vor Ort vereinfachen. Zu nennen sind hier Schwingungsdämpfer, eine Umwälzpumpe für den Pufferspeicher, eine Solepumpe mitsamt Solebausatz und ein Umschaltventil für die Warmwasserbereitung. Der Pufferbehälter SBP 200 E und der Brauchwasserspeicher SBB 302 WP mit jeweils 200 und 300 Liter Inhalt sind ebenfalls von Stiebel Eltron. Die großzügige Auslegung des Brauchwasserbehälters ist nicht nur der Anforderung geschuldet, dass sich mehrere Mitarbeiter und ggf. auch Fremdkräfte nach ihrem Einsatz duschen können. Sie ist auch ein Marktproblem, da es derzeit keine kleineren Warmwasserspeicher mit der geforderten Wärmeübertragerfläche von 5m2 gibt. Die Wassertemperatur ist auf 47°C eingestellt. Über eine elektrische Zusatzheizung (Heizstab) lässt sich die Temperatur zur Legionellenprophilaxe auf 60°C erhöhen.

Die Wärmeverteilung im Betriebsgebäude mit 150m2 zu beheizender Fläche erfolgt über eine Fußbodenheizung. Lediglich einen Heizkörper gibt es im Gebäude, der aber auf die gleiche Vorlauftemperatur wie die Flächenheizung ausgelegt ist. Somit ist für die Anlage kein Mischer erforderlich.

Auch natürliche Gewässer sind geeignete Wärmequellen

Sicher gibt es in Deutschland viele Kläranlagen, die sich mit einer solchen Heizung ausstatten ließen. Dennoch lassen sich die wesentlich größeren Potenziale von Kläranlagen als Wärmequellen kaum nutzen, denn aus nachvollziehbaren Gründen liegen solche Anlagen immer etwas abseits von Wohn- und Gewerbegebieten. Nahwärmenetze lohnen sich wegen der hohen Wärmeverluste über die langen Strecken kaum, wie bereits Prof. Dieter Wolff in seinem Beitrag „Nah- und Fernwärmenetze – Ausbau oder Rückbau?“ (SBZ 20/2011) aufzeigte. Der Beitrag ist im Archiv unter https://www.sbz-online.de/ zu finden.

Dennoch gibt es weitere Beispiele für vergleichbare Projekte, wie Manfred Knapp aus seiner Vertriebserfahrung berichtet. So hat er auch schon einmal ein interessantes Projekt für eine Mühle betreut, die an einem gemauerten Bachlauf stand. Dort war das Vorgehen im Prinzip identisch. Bei der Nutzung von Bächen oder Seen sind allerdings Wasserrechte zu berücksichtigen. Denn auch wenn ein Bach komplett durch das eigene Grundstück läuft, ist die Nutzung als Wärmequelle nicht ohne weiteres erlaubt, obwohl davon keine Verschmutzung des Wassers ausgeht. Für die Genehmigung einer solchen Nutzung muss sich der Betreiber bzw. sein Beauftragter an das Wasserwirtschaftsamt oder an das Landratsamt wenden.

Weitere Ideen liefert Frank Röder, Leiter der Planungsabteilung von Stiebel Eltron im folgenden Interview.

Welche Wärmequellen sind noch möglich?

Alternativen zu Luft, Grundwasser und Erdreich Es sind noch viele Wärmequellen denkbar, die sich für die Heizung mit Wärmepumpen anzapfen lassen. Wir haben Frank Röder nach Beispielen gefragt, die schon umgesetzt wurden und die noch einer Realisierung harren.

SBZ: Wir haben mit Hengersberg ein interessantes Projekt gesehen. Haben Sie aus Ihrer Praxis weitere Beispiele mit etwas außergewöhnlicheren Wärmequellen?

Röder: Vor fast 40 Jahren hat Stiebel Eltron begonnen, Geräte zur Nutzung erneuerbarer Energien zu entwickeln. Heute ist das Unternehmen mit Lösungen zwischen 5 und 500kW Heizleistung einer der führenden Anbieter von Wärmepumpen für Heizung, Kühlung und Trinkwassererwärmung. Oberste Priorität hatte immer, Wärmepumpen als ganz normales Heizsystem für den Neubau und den Bestand zu etablieren. Das ist gelungen. Natürlich gibt es immer wieder Gebäude und Einsatzzwecke, vor allem aus dem Bereich der Nichtwohngebäude, die eher ungewöhnlich, aber gleichzeitig auch sehr interessant sind. In jüngster Vergangenheit wurde zum Beispiel ein echter Altbau, und zwar eine Kirche, mit einer 160-kW-Grundwasser-Wärmepumpenanlage saniert. Vor allem in Industriebetrieben ist die Nutzung von Prozesswärme als Wärmequelle sehr interessant und wird häufig realisiert. Daneben sind Objekte entstanden, die einen Eisspeicher für die Heizung und Kühlung des Gebäudes nutzen. In der Schweiz haben wir sogar eine Wein-Wärmepumpenanlage gebaut. Hier wurde die Wärme aus den Weintanks für die Gebäudeheizung genutzt.

SBZ: Können Sie sich weitere Wärmequellen vorstellen, die Sie zusammen mit Ihren Kunden aus dem Handwerk noch gerne erschließen würden?

Röder: Die Wärmequellen Luft sowie auch die oberflächennahe Geothermie mit Grundwasser und dem Erdreich werden auch in Zukunft die meistgenutzten Wärmequellen sein. Dennoch sind wir stets an neuen Entwicklungen interessiert. Zurzeit ist ein mit Kooperationspartnern entwickeltes System im Feldtest, das vor allem für Industriehallen interessant ist. Die Gebäudehülle dient hier als großflächiger Absorber und Wärmequelle. Das erste Betriebsjahr ist nahezu abgeschlossen, und die Jahresarbeitszahl ist besser als die einer Luft/Wasser-Wärmepumpe. Sie erreicht nahezu Ergebnisse einer Erdsondenanlage. Daneben kann das Gebäude passiv als auch aktiv gekühlt werden. Zum Einsatz kommen Sole/Wasser-Wärmepumpen aus der Serienfertigung. Zukünftig liegt hier vielleicht ein Potenzial für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Handwerk und Industrie.

SBZ: In letzter Zeit sind immer wieder Nah- und Fernwärmenetze mit niedrigen Temperaturen für Wärmepumpen und Kälteanlagen im Gespräch. Solche Netze haben kaum Wärmeverluste und man kann sich hohen Dämmaufwand sparen. Kläranlagen oder natürliche Gewässer könnten ideale Wärmequellen sein. Gibt es bei Ihnen Überlegungen und vielleicht auch schon Anfänge?

Röder: Die Idee, ein „kaltes Nahwärmenetz“ zum Beispiel für eine Wohnsiedlung zu bauen, ist aus den von Ihnen genannten Gründen sehr interessant. Als zentrale Wärmequellen könnten zum Beispiel die Wärme aus Abwässern, aber auch Standard-Erdsondenfelder dienen. Letztere hat Stiebel Eltron bereits für viele Großanlagen realisiert. Echte kalte Netze gibt es meines Wissens nur wenige. Im ehemaligen Ruhrgebiet nutzen einige Betreiber unsere Wärmepumpen, um Energie aus dem Grubenwasser ausgedienter Bergwerke für die Heizung zu gewinnen.

Im Bereich von Wohnsiedlungen war unsere Planungsabteilung an mehreren Vorplanungen beteiligt, die leider nicht realisiert werden konnten. Obwohl eine zentrale Wärmequelle im Vergleich zu vielen kleinen Erdsonden kleiner ausfallen kann und die Wirtschaftlichkeit für den Betreiber interessant sein dürfte, konnten letztendlich keine Kosten- und Nutzungsmodelle mit allen Nutzern und Eigentümern vereinbart werden. Meines Erachtens funktioniert solch ein Modell nur, wenn auch der Betreiber der Wärmequelle gleichzeitig die Wärmeerzeuger, also die Wärmepumpe, stellt und Wärme an den Nutzer verkauft. Ist dies nicht der Fall, bleibt offen, was eine kWh regenerative Energie aus einer zentralen Quelle kostet und wie wirtschaftlich diese im Vergleich zu einer individuellen einzelnen Lösung ist.

SBZ: Nun möchte ich noch eine Frage zu Ihren Supporttätigkeiten für Handwerker und Planer stellen. Mit welchen zusätzlichen Leistungen können Sie diese bei ihren Projekten unterstützen?

Röder: Insbesondere bei der Planung bieten wir eine qualifizierte Unterstützung, weil diese entscheidend für den effizienten Betrieb einer Anlage ist. Erste Anfragen bearbeiten die geschulten Mitarbeiter jeweils in den Vertriebszentren vor Ort. Unterstützung erfahren unsere Fachberater vor Ort durch die Planungsabteilung am Stammsitz des Unternehmens in Holzminden. Mit 15 Ingenieuren erstellen wir hier die verschiedensten Planungs- und Auslegungsgrundlagen wie Heiz- oder Kühllastberechnungen oder Nachweise nach Energieeinsparverordnung und EEWärmeG. Entwurfs- und Ausführungsplanungen bieten wir für die Bereiche Heizungswärmepumpen, kontrollierte Wohnungslüftung, thermische Solaranlagen, Photovoltaik und Klimasysteme. Wir legen großen Wert auf die integrale Planung verschiedener Systeme. So werden zum Beispiel PV-Anlagen im Hinblick auf die kombinierte Nutzung mit Wärmepumpen dimensioniert. Basis für die Entscheidungsfindung sind Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen mit Energiekostenprognosen, die individuell erstellt werden können.

Mehr als 2500 Planungen erstellen wir pro Jahr in unserer Planungsabteilung. Geboten wird eine komplette Rundum-Betreuung, optimale Auslegung und Auswahl des Systems sowie der dazugehörigen Komponenten. Eine sorgfältige Planung unter Berücksichtigung jahrelanger Erfahrung ist der Garant für Betriebssicherheit und Effizienz bei haustechnischen Anlagen.

SBZ: Herzlichen Dank, Herr Röder, für Ihre interessanten Ausführungen.