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Vor- und Nachteile

Flachkollektor oder Röhre?

Inhalt

Wenn es um Sonnenwärme geht, ist die Entscheidung der deutschen Installateure ziemlich eindeutig: Auf den Dächern zwischen Sylt und dem Allgäu dominieren Flachkollektoren, flache Paneele mit Kupferabsorber und Glasplatte, in denen eine Sole zirkuliert. Im Reich der Mitte, immerhin der weltgrößte Kollektormarkt, macht der Vakuumröhrenkollektor das Rennen: Pakete von evakuierten Glasröhren fangen die Wärme ein und übertragen sie ebenfalls mit einer Sole zum Speicher. „Die Röhren liefern schnell höhere Temperaturen. Das zahlt sich vor allem bei kurzer Sonnenscheindauer aus, beispielsweise im Winter“, urteilt Roger Hackstock, Geschäftsführer des Verbandes Austria Solar. „In der Übergangszeit ist der Flachkollektor schnell genug. Im Sommer spielt dieser Vorteil der Röhrenkollektoren kaum eine Rolle, denn die langen Sonnenstunden erlauben für beide Kollektortypen ausreichend langen Betrieb.“

In Deutschland gilt der Flachkollektor als Quasistandard. „Der Flachkollektor ist bei kleinen Anlagen die erste Wahl“, sagt Hackstock. „Aber je größer die Anlagen sind, desto besser kann der Röhrenkollektor seine Vorteile entfalten. So fahren die Röhren im Winter schneller hoch, bei ungünstigen Bedingungen erzielen sie den doppelten Ertrag. Weil dieser Vorteil aber in der ertragsschwachen Zeit liegt, relativiert er sich übers Jahr gesehen.“

Der Flachkollektor nur ein fauler Kompromiss?

In Österreich haben die Röhrenkollektoren einen Marktanteil von rund 2 %, allerdings verdoppelt er sich jährlich. „Das hat mit dem Engagement von deutschen Firmen zu tun, die hier ihre Röhren verkaufen“, analysiert der Experte. „So wurde eine große Anlage auf der Messe in Wels mit Röhren gebaut. Technisch gesehen geht das aber auch mit Flachkollektoren.“ Namentlich die Anbieter der Ritter-Gruppe – Paradigma und Ritter XL Solar – verbauen ausschließlich Röhrenkollektoren. Sie gehören zur Firmengruppe von Alfred Ritter, der sein Geld unter anderem mit Schokolade (Ritter Sport) verdient.

„Schaut man sich an, wie viel Solarwärme tatsächlich in der Warmwasserbereitung oder in den Heizkreisen ankommt, trennt sich schnell die Spreu vom Weizen“, kritisiert Rolf Meißner, Chef von Ritter XL Solar. Für ihn ist der Flachkollektor ein fauler Kompromiss. Zwar koste der Röhrenkollektor die Hälfte mehr als ein Flachkollektor, leistet aber auch mehr. Unabhängig von der Sonneneinstrahlung bietet er immer 80°C an, das vereinfacht die Regelung. Denn bei Flachkollektoren bereiten vor allem die niedrigen Systemtemperaturen Kopfzerbrechen, wie man diese Wärme überhaupt nutzen kann. Flachkollektoren benötigen deutlich größere Speicher, damit sie im Sommer nicht stagnieren, sprich: überkochen. Diese höheren Systemkosten sind nicht zu unterschätzen.

Kostenvorteile können Effizienznachteile kompensieren

Dass der Flachkollektor eindeutig Vorteile bei den Kosten hat, ist unbestritten. „Das ist eine ausgereifte Technik, die man in großen Stückzahlen herstellen kann“, sagt Claus Alt, Geschäftsführer der REM GmbH in 84056 Rottenburg/Laaber. „Ein Flachkollektor kostet pro m2 Kollektorfläche nur die Hälfte eines Röhrenkollektors. Das spiegelt sich in den Marktanteilen in Deutschland wieder, wo er rund 90 % des Marktes beherrscht.“ Sein Urteil: „Die Leute schauen zunehmend auf die Anlagenkosten. Für Heizzwecke im privaten Sektor reichen die Flachkollektoren völlig aus.“ REM baut im Jahr rund 10000 Kollektoren mit 30 Mitarbeitern. „Wir fertigen keine Röhrenkollektoren, weil wir eine möglichst hohe Fertigungstiefe erreichen wollen“, sagt der Geschäftsführer. Für Röhrenkollektoren braucht man akkurat gezogene Glasröhren und Evakuierungspumpen, das macht die Sache sehr aufwendig.

Der Flachkollektor, den REM für eigene Anlagen und REM-Kunden herstellt, hat einen optischen Wirkungsgrad von 79 %. Mit jedem Grad Temperaturdifferenz sinkt die Effizienz. Der Grund sind Wärmeverluste durch das Deckglas und den Rahmen. Bei einem Temperaturgradienten von 70 Kelvin hat der Flachkollektor noch rund 50 % Wirkungsgrad. Der Röhrenkollektor hat viel weniger Wärmeverluste, deshalb erreicht er noch 60 % Wirkungsgrad. Claus Alt rechnet vor: „Zehn Prozentpunkte Vorteil beim Wirkungsgrad wiegen den höheren Preis kaum auf.“

Art der Wärmenutzung sollte die Technologie bestimmen

Nach seiner Auffassung scheiden sich die Geister zwischen beiden Technologien vor allem in der Wärmenutzung. „Flachkollektoren geraten an ihre Grenzen, wenn hohe Temperaturen benötigt werden, etwa in der industriellen Prozesswärme. Denn die Wärmeverluste steigen mit den Temperaturen im Kollektor. Bei mehr als 80°C im Solarvorlauf fallen der Wirkungsgrad und der Solarertrag des Flachkollektors steil ab.“ Technische Kniffe wie teilkonzentrierende Systeme oder die doppelte Verglasung der Kollektorfront wiederum sind mit höheren Kosten verbunden. Für Privatkunden sei jedoch der Flachkollektor erste Wahl, etwa um Warmwasser zu bereiten. Das sieht Roger Hackstock von Austria Solar ähnlich: „Röhren nur für Warmwasser zu nutzen, wäre wie ein Sportwagen im Stadtverkehr. Im Sommer können Flachkollektoren die Energie für Warmwasser voll abdecken. Röhrenkollektoren hingegen sind bei größeren Anlagen mit Heizungsunterstützung oder gar Prozesswärme durchaus sinnvoll.“

Im Grunde genommen ist jede solarthermische Anlage ein Prototyp, ein Einzelstück, geplant und installiert nach den konkreten Wünschen des Kunden und den lokalen Einstrahlungsbedingungen. Planer und Installateure müssen genau abwägen, mit welcher Technik sie den Auftrag ihres Kunden erfüllen. Ein Beispiel rechnet Claus Alt vor: „Selbst wenn der Flachkollektor zwischen 20 und 25  % weniger Wirkungsgrad als der Röhrenkollektor hat, so kann man bei verfügbarer Dachfläche den geringeren Ertrag leicht durch ein oder zwei Kollektoren zusätzlich ausgleichen – bei vertretbaren Kosten.“

Die Röhre liefert höhere Temperaturen

Röhrenkollektoren haben überall dort ihre Vorteile, wo hohe Temperaturen verlangt werden. Man muss nicht nur den Kollektor betrachten, sondern das Gesamtsystem. Dazu gehören die Wärmespeicher, die Anlagensteuerung und die Steuerung der Pumpen ebenso wie die Wärmenutzung. Die abgeforderten Systemtemperaturen bei der Wärmenutzung sind für den solaren Deckungsgrad ganz entscheidend. Soll heißen: Der Kollektor und die Systemtechnik müssen sich dem gewünschten Wärmekomfort unterordnen. Sogar historische Befindlichkeiten spielen eine Rolle. „In Österreich werden durchschnittlich größere Anlagen gebaut als in Deutschland. Das hat historische Gründe, die in die Zeit der Selbstbauszene zurückreichen“, bestätigt Roger Hackstock. „Damals machte man die Erfahrung: Solarthermie funktioniert. Das wurde durch Mund-Propaganda verbreitet. Die Deutschen haben erst zehn Jahre später mit der Solarthermie begonnen. Dort baut man kostenbewusster.“

Nördlich der Alpen gilt eine Solaranlage zur Heizungsunterstützung mit 15 m2 Kollektorfläche als sehr groß, den Österreicher dünkt sie eher klein. „In Österreich geht es uns um einen möglichst hohen solaren Deckungsgrad“, meint Hackstock. „Die Deutschen orientieren sich eher am ökonomischen Optimum.“

Und in den Bergen hat der Röhrenkollektor einen gewichtigen Nachteil. Manchmal ist er nämlich ein Opfer seines eigenen Erfolgs, wie Hackstock zu bedenken gibt. „Da er kaum Konvektionsverluste hat, das ist sein zentraler Vorteil, taut er sich nicht selbst ab, wenn er zugeschneit ist. Bei Flachkollektoren reicht ein kleines schneefreies Eck, und er taut sich selber ab. Damit liegt der Schnee auf Röhrenkollektoren oft länger als auf Flachkollektoren.“ Bei wechselnder Witterung, bei der sich Schneefall mit Tauwetter ablöst, kann sich das Eis zwischen den Röhren verklemmen und im ungünstigsten Fall das Glas sprengen. Solche Wetterlagen herrschen oft in Tirol oder in der Region um Salzburg.

Info

Großanlage in Wels

Die Solaranlage auf dem Dach der Messehalle im österreichischen Wels ging Mitte Mai 2011 mit rund 3400 m2 Kollektorfläche und rund 2 MW Leistung in Betrieb. Die Vakuumröhrenanlage speist die gewonnene Wärme in ein Fernwärmenetz ein, das somit als Solarspeicher dient. Das Kollektorfeld erstreckt sich über fast 10000 m2 Dachfläche, während die gesamte Haustechnik übersichtlich in einem nur etwa 50 m2 großen Heizraum untergebracht ist.

Autor

Dipl.-Ing. Heiko Schwarzburger ist Wissenschaftsjour­nalist mit dem Themenschwerpunkt Solar, 10435 Berlin, Telefon (0 30) 4 48 73 81, verlag@cortexunit.de, http://www.cortexunit.de