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Die Akropolis von Staufen

Früher war es in, sein Auto tiefer zu legen. Heute kommt es anscheinend in Mode, seine Stadt höher zu legen. Staufen im Breisgau hat es vorgemacht: Man nehme einen großen Bohrer, treibe ihn durch geologisch hierfür nicht geeignete Schichten unter der Innenstadt und warte ab, bis sich die Erde hebt. Einige Häuser sind seitdem einsturzgefährdet, andere sind unbewohnbar und müssen wohl abgerissen werden, Dutzende sind in unterschiedlichem Maße beschädigt. Staufen hat jetzt eine „Akropolis“ (griech. akros „hoch“ und polis „Stadt“). Wir gratulieren herzlich!

Auch kommt es vor, dass Bohrungen für die Installation von Tiefengeothermie kleine Erdbeben auslösen. In diesen Gebieten wird der Martini dann nicht mehr gerührt, sondern geschüttelt angeboten. Keine große Affäre! Wirklich? Für jede neue Technik, die eingeführt wird, muss man Lehrgeld bezahlen. Mag sein, muss aber nicht sein. Haben etwa die Amerikaner ihre Atombombe hinter dem Rathaus von New York City ausprobiert? Nein! Stimmt, der Vergleich hinkt, macht die Sache aber anschaulich.

Gerade im Öko-Vorzeige-Ländle Baden-Württemberg haben die Stadtverordneten vor lauter Eurozeichen in den Augen die Gefahren nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Die Erfinder des Kupferdrahts1) wollten ihr Umwelt­bewusstsein unter Beweis stellen. Daher übernimmt das schwäbische Umweltministerium die Schirmherrschaft über den jährlichen Geothermie-Kongress in Offenburg. Was wohl das Städtebau-Ministerium dazu zu sagen hat? Sehen wir es positiv, denn in jeder schlechten Sache steckt ein guter Kern: Ein Abriss von Häusern in der Innenstadt (prädestiniert wären beispielsweise die Stadtkerne von Pforzheim oder Mannheim) schafft stadtplanerische Chancen. Außerdem braucht man zum Verfüllen der unterirdischen Hohlräume jede Menge Beton, der oberirdisch dann fehlt. Zusätzlich lassen sich normalerweise für höher gelegte Stadtviertel am Immobilienmarkt bessere Preise erzielen, da Übersichtslagen in den meisten Städten begehrter sind als niedrigere gelegene.

Auch in Bayern sind derzeit Tiefengeothermieprojekte „en vogue“. Rund um München herrscht Goldgräberstimmung und die Bürgermeister von Münchener Landkreisgemeinden kaufen Tiefen-Bohr-Rechte wie einst die Goldsucher in Alaska. Der grüne Unsinn treibt die Preise hoch und der Prestigewunsch des Bürgermeisters geht über alle betriebs- und volkswirtschaftliche Vernunft hinaus. Zugegeben ist jede Kilowattstunde, die aus Tiefen-Geothermie stammt, ein Gewinn für die Umwelt. Man darf andererseits aber auch nicht verschleiern, dass groß-dimen­sionierte Spitzenlastkessel, die überwiegend Öl oder Gas verfeuern, bereitgehalten werden müssen und im Winter praktisch fortwährend in Betrieb sind. So grün ist Tiefen-Geothermie doch nicht! Außerdem begibt sich der Endkunde in die Klauen der Geothermie-Gesellschaft, die die Preise nach Gutdünken festlegen kann. Im Aufsichtsrat dieser Gesellschaften sitzen dann wieder die Gemeinderäte, die mit den Gewinnen der Geothermie stark defizitäre Eigenbetriebe der Gemeinden subventionieren. Das ist dann wie Steuern zahlen über die Wärmerechnung – nur mit einem etwas besseren grünen Gewissen. Leidtragende sind vor allem ortsansässige Handwerksbetriebe, denen durch die Geothermie ein Haufen Kunden verloren gehen. Die Gewerbesteuern kassieren die Gemeinden perverserweise trotz der Konkurrenz zu den Handwerksbetrieben. Mit Ausbildungsbetrieben schmückt sich jeder Bürgermeister gerne. Aber an die Existenzgrundlagen ihrer mittelständischen Betriebe legen sie die Geothermie-Axt. Wir haben die Ineffizienz öffentlicher Institutionen (Bahn, Post, Telekom etc.) erlebt. Jetzt bauen wir erneut solche Strukturen auf, streichen sie grün an und fühlen uns gut dabei! Zum Schluss sei festgestellt, dass wir Deutschen das Weltklima nicht alleine retten können. Wir können nur einen Beitrag leisten. Beträge müssen erwirtschaftet werden. Bürger, die keine Arbeit, Jugendliche, die keine Ausbildung und Betriebe, die keine Aufträge haben, zahlen keine Steuern! Aber wen störts, wenn man doch auf einem neuen Berg leben kann und die Sache von oben gar nicht so schlimm aussieht?!

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1) Im Jahre 1904 fanden in Stuttgart zwei geizige Schwaben gleichzeitig einen Kupferpfennig auf der Straße. Beide wollten ihn behalten und zogen so lange daran, bis er zu Kupferdraht wurde.

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Diese SBZ-Kolumne wird von Brancheninsidern ­geschrieben, die frei von täglichen Zwängen zum Nachdenken anregen und deshalb anonym bleiben möchten.

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