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Es lebe der vegane Kunde!

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Dienstag Vormittag in meinem SHK-Betrieb am Rande einer süddeutschen Kreisstadt. Die Tür geht auf, kurz vor der Mittagspause. Es schlendern zwei unscheinbare, schillernde Gestalten in merkwürdigen Kleidern in mein Büro. „Guten Tag! Wir brauchen Informationen!“, sagt die Person, die am ehesten dem weiblichen Geschlecht, Typ: militanter Kampfvegetarier mit überdimensioniertem Sendungsbewusstsein zuzuordnen ist. Weite dunkelgrüne Pluderhosen, Birkenstocksandalen mit nicht gefärbten, weißgelblichen Baumwoll-Socken, eine Schlabberbluse in erdfarbenen Tönen mit offensichtlich selbst gebatikten Motiven, ungeschminktes, herbes Gesicht mit einer undefinierbaren Art Kopfbedeckung, die zwischen indischem Turban und Knautschhut eines Zirkusclowns anzusiedeln ist.

„Guten Tag!“, erwidere ich freundlich. „Ja, wie Rabea schon sagte, brauchen wir Informationen,“ papageit der ebenfalls im betont lässigen Schlabberlook gewandete Begleiter. Er trägt ähnliche Klamotten – allerdings ohne Kopfbedeckung, dafür aber mit einem farbenfrohen Baumwollschal um den Hals, auf dem die Speisenkarte der letzten Wochen Spuren hinterlassen hat. Ich schließe messerscharf: Sie heißt Rabea und führt das große Wort. Geschult durch diverse Herstellerschulungen wende ich mich also direkt an das Alphatier, die Leitwölfin, die aber eher aussieht wie ein Blindenhund für den Harlekin mit Papageieigenschaften.

„Sie brauchen also Informationen? Worüber brauchen Sie die denn?“ Insgeheim hoffe ich, dass die drolligen Gestalten nur nach den Öffnungszeiten des benachbarten Schwimmbades fragen wollen. Aber leider täusche ich mich! Sie wollen eine neue Heizung bzw. fühlen sich von der autoritären Staatsmacht genötigt, eine solche zu erwerben. Und das nur, weil der Kaminkehrer klar gemacht hat, dass ihre alte Heizung nicht mehr betrieben werden darf – wegen dem Umweltschutz. Noch dazu ist es gar nicht ihr Haus, in dem die Heizung steht, sondern das seines 84-jährigen Vaters. Dieser lebt dort seit 1961 zuerst mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner neuen Ölheizung und nach dem Tod der Gattin und Wegzug des Sohnes alleine mit seiner Heizung. Und jetzt droht auch noch die Heizung über die Wupper zu gehen.

Ich stutze. Ich habe noch nie so einen altaussehenden Mittfünfziger gesehen, wie dieses mir gegenüberstehende, dem männlichen Geschlecht zuzuordnende Wesen. Anscheinend lässt ihn Rabea – wie auch die Ölheizung – kräftig altern! Kurz und gut: Sie brauchen eine neue Heizung, weil sie ja auch den Umweltschutz gut finden und selber eine Patenschaft für zweimal fünfzig Bambusbüsche im mittelindischen Poona übernommen haben. Das haben sie sich gegenseitig zu ihrem 50. Reinkarnationsfest geschenkt.

Umweltschonend soll die Heizung sein, aber nicht teuer, denn man wisse ja nicht, ob der alte Herr noch lange Spaß daran haben wird. Und ich wüsste ja sicher, dass der Vater immer schon ein sparsamer Mensch gewesen sei und sie im Übrigen nicht sicher sagen könnten, ob sie das Haus nicht in ein paar Jahren verkaufen, um dann ganz in einen Ashram nach Indien zu ziehen. Ich frage mich, was die Inder mit diesen zwei Vögeln wollen, wo sie selber eine gute Milliarde teilweise schräger Bewohner haben.

Aber das geht mich nichts an! Vor mir stehen Kunden, die eine neue Heizung haben wollen. Falls sie aber doch in ein paar Jahren selber in das Haus einziehen würden, so denke ich – müsste sie veganen Ansprüchen genügen. Ich frage nach, was Essgewohnheiten denn mit der Erwärmung der Wohnung zu tun hätten? Und so warm, dass man essen darauf kochen kann, werden moderne Heizung doch eh nicht mehr! Blöder Scherz, wie mir Rabea mitteilt! Sie findet das gar nicht lustig! Vegan hat nur zum Teil mit Essen zu tun. Es sei vielmehr eine Lebenseinstellung!

„Ach so“, antworte ich, „das habe ich nicht gewusst“ (aber nach ihrem Aufzug befürchtet!) Sie seien auch keine Vegetarier, sondern echte Veganer. Und das sei ethisch noch viel besser als Vegetarier. Sozusagen die Premiumethiker unter den ethisch Korrekten! Wow, denke ich mir – jahrelang, freiwillige Mangelernährung macht Birne hohl!

Ich versuche, das Thema auf ein neutrales Gebiet zu lenken: „Also, die ethisch beste Heizung ist die Pelletheizung. Nur Holz gepresst. Sonst nix. „Als ich aber sage, was diese Variante kostet, schlucken beide. Ob nicht Öl oder Gas eine Alternative wären, fragen sie. „Ja“, sage ich. „zehn Riesen weniger.“ Aber dann sagt Rabea, dass Öl ja aus gepressten Pflanzen und Dinosauriern hergestellt wird. Das ginge gar nicht. Und Gas ist auch tierischen Ursprungs. Strom scheide eigentlich auch aus, weil Kohle wie Öl oder Gas sei. Nur Wind- oder Sonnenstrom wäre akzeptabel. Ich werfe ein, dass man das im Winter in der Nacht nicht versprechen könne.

Brennstoffzelle wäre doch noch was Modernes, erwidern die beiden Hardcore-Ökos. Ja, sage ich, allerdings braucht man dazu wieder Gas. Folglich: veganes No-Go! Es bleibt nur die Pelletheizung. Ich versichere, nur Pellets aus ökologischem Anbau zu bekommen. Gibt es zwar nicht, ist aber fürs vegane Gewissen gut! Das überzeugt beide!

Alles richtig gemacht, denke ich und freue mich auf den veganen Auftrag. Drei Wochen später haben wir unter den kritischen Augen von Rabea eine Ölheizung installiert, weil das mit den Pellets doch zu teuer war „für den sparsamen Vater.“ Beim eigenen Geldbeutel hören die guten Vorsätze auf.

Auch auf derarige Kundschaft müssen wir vorbereitet sein. Und je besser, desto eher kommt es zum Auftrag. Und der ist dann eben oft nicht Fisch, nicht Fleisch – vegan eben.

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Diese SBZ-Kolumne wird von Brancheninsidern geschrieben, die frei von täglichen Zwängen zum Nachdenken anregen und deshalb anonym bleiben möchten.

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