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Garaus dem Zertifizierungswahn!

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Wundern Sie sich auch oft, warum eigentlich wenig komplexe SHK-Produkte so viel kosten? Ein Grund ist unser Zertifizierungswahn.

Stellen Sie sich vor, Sie haben den neuen Golf, das Brot-und-Butter-Auto des VW-Konzerns, zu entwickeln, inkl. der nötigen Zulassungen für die 28 EU-Länder. Zulassungstechnisch heißt das: Für sicherheitsrelevante Bauteile, wie Bremsen oder Kraftstoffversorgung, müssen Sie den unterschiedlichen Regelungen von vier Hauptmärkten (DE, NL, UK, F) folgen. Abzuwägen ist: Welche Prüfungen muss, welche sollte oder will man erfüllen? Daraus leiten Sie die Materialien ab, im Wissen, dass sie für manche Märkte zu teuer sind und für andere Märkte keine Zulassung bekommen werden. Es stellt sich die Frage, ob es möglicherweise sinnvoll wäre, verschiedene Materialien zu entwickeln, um alle Märkte beliefern zu können. Dies führt aber wiederum zu erhöhten Entwicklungs-, Investitions- und Lagerkosten. Sie machen es trotzdem und entwickeln drei verschiedene Golf-Varianten.

Nachdem Sie die sicherheitsrelevanten Bauteile abgehandelt haben, machen Sie sich an die mechanischen Teile. Hier stellen Sie fest, dass Sie mindestens sechs bis sieben verschiedene nationale Regelungen einhalten müssen, die sich zwar zu 80% decken, aber voneinander nichts wissen wollen. Nachdem Sie sich für eine Regelung entschieden haben, versuchen Sie nach den ausgewählten mechanischen Kriterien alle anderen na­tionalen Wünsche zu erfüllen. Manchmal ist der Auspuff zu groß, die Fahrlichter sind zu klein, die Gurtschnalle hat die falsche Farbe, die Abgasnormen sind verschieden. So brauchen Sie mindestens vier zusätzliche Varianten. Ihr Controller zeigt an, dass Sie bereits zu viel Geld ausgegeben haben und die Herstellkosten deutlich steigen.

Sie versuchen diesen Prozess zu vereinfachen und sprechen mit allen Regelsetzern. Sie bieten alle verfügbaren Tests und Prüfungen für eine Anerkennung an. Mit dem Hinweis, dass diese nicht in der entsprechenden Landessprache vorhanden sind und man das Testlabor nicht kennt, wird Ihre Bitte abgelehnt. Also wiederholen Sie einen Teil der gewünschten Tests, was wiederum Geld und Zeit kostet. Kopfschüttelnd gehen Sie in die Serienproduktion mit nun sieben Varianten. Da Sie ja die Zulassung für nur sieben EU-Länder erreicht haben, beginnen Sie nun mit den anderen 21 Ländern zu verhandeln, welche Prüfungen, Berichte und Tests diese akzeptieren. Ihre Kosten steigen weiter, zudem verzögert sich die Markteinführung. Irgendwann haben Sie die weiteren 21 Länderzulassungen. Jedes Land verlangt, dass Sie das entsprechende Label der jeweiligen Zulassung am Heck gut sichtbar anbringen. Endlich geschafft! Sie haben zwar statt einem nun sieben verschiedene Golfmodelle entwickelt, die Kosten für Entwicklung und die Investition glatt verdoppelt, aber das macht ja nichts, der Kunde bezahlt es schon!

Unglücklicherweise sind Sie noch nicht ganz fertig. Von den 21 Zertifizierern möchten mindestens 15 die Produktion und Prozesse zweimal im Jahr überprüfen. Dies geschieht so unkoordiniert, dass sich innerhalb eines Monats zwei bis drei verschiedene Prüfer anmelden, die dann fast deckungsgleiche Tests und Probeentnahmen verlangen und mitnehmen. Sie erklären, dass Sie just letzte Woche genau diese Prüfungen schon gemacht haben und zeigen die Resultate. Der Prüfer beharrt jedoch auf eigenen Prüfungen, die Sie neu aufsetzen und starten. Dummerweise produzieren Sie ein paar Artikel in China, sagen wir mal die Armlehne, also nichts sicherheitsrelevantes. Die muss natürlich auch geprüft werden. Somit geht das ganze Spiel wieder los, mit zusätzlich einem interkontinentalen Flug und einer Woche Hotel und Verpflegung pro Auditor. Macht ja nichts, der Kunde bezahlt ja gerne. Diese Geschichte könnte sich in der Automobilbranche niemand vorstellen. In unserer Branche ist dieser Zertifizierungswahnsinn normal.

Es stellt sich die Frage: Was hat der Kunde davon? Wo ist der Mehrwert? Sind Produkte, die zertifiziert werden, besser? NEIN! Sie werden vielleicht nur etwas anders geprüft, aber auf die Lebensdauer gesehen hat dies keinen Einfluss. Überhaupt, welche Verantwortung übernehmen die Zertifizierer? KEINE! Diese bleibt immer am Hersteller hängen. So gesehen ist der Frabo-DVGW-Prozess eigentlich ein Segen. Er zeigt die Schieflage auf. Das SHK-Radar meint:

  • Dieser einseitige, nationale Zertifizierungsaufwand muss aufhören!
  • Die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen muss schnell umgesetzt werden!
  • Gegenseitige Anerkennung der Fremdüberwachung muss kommen!
  • Wettbewerb unter den Zertifizierern muss sein!
  • Klare Differenzierung zwischen CE-Kennzeichnung und Qualität/Zertifizierung

Mit dem Frabo-DVGW-Prozess haben alle Beteiligten die Chance, diese Schieflage zu überdenken und sich neu zu orientieren, damit wir uns auf die wichtigste Frage konzentrieren können: Was haben Sie als Verarbeiter, was hat der Kunde davon?

Übrigens: Eine Zulassungsprüfung kostet mittlerweile, je nach Umfang, für ein Trinkwassersystem bis zu 400000 Euro. Garaus dem mittlerweile ganz normalen Zertifizierungswahnsinn!

Dies meint zumindest
Ihr SHK-Radar

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Diese SBZ-Kolumne wird von Brancheninsidern ­geschrieben, die frei von täglichen Zwängen zum Nachdenken anregen und deshalb anonym bleiben möchten.

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