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Handwerker-(Amts-)Stuben

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Hin und wieder braucht man einen neuen Reisepass. Verlängern ist nicht mehr, weil die Bundesdruckerei privatisiert wurde und sich die hohe Verkaufssumme, die dem Staat gezahlt wurde, rentieren muss. Leidtragender ist der reisewillige Bundesbürger (m/w). Anmerkung: (m/w) steht für männlich/weiblich. Falls Sie das schon mal wissen wollten und sich nicht getraut haben zu fragen! Einige meinen ja, es hieße: mehr/weniger oder mittelprächtig/wohlproportioniert.

Also ab aufs Amt und den Pass beantragen! Früh morgens um kurz nach halb acht schleicht man/frau zur Verwaltungsbehörde, weil dann die Warteschlange noch nicht allzu lange ist. Weit gefehlt! Mindestens 20 bis 30 andere Reisewillige sind bereits da, haben eine Wartenummer gezogen und sitzen misslaunig vor der Amtsstubentüre. Die schlechte Laune wabert greifbar über den Köpfen der Mit-Bundesbürger (mittelmäßig/wohlerzogen). Nach einer Stunde – der Verdi-Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst sieht wahrscheinlich eine Mindestwartezeit von einer Stunde für normale Amtsgeschäfte vor – wird vor der eigenen Wartenummer noch eine Mutter mit Kleinkind (ca. 9 Jahre) und ein 39-jähriger Frührentner mit 20%iger Behinderung vorgezogen. Dann ist es soweit: Man betritt das Kabuff, in dem Verwaltungsakte wie Staatsakte zelebriert werden. „Nummer?“, raunt es hinter dem Tresen vor. Gegenfrage: „Welche Nummer?“ „Ihre Wartenummer!“ „178“. „Was wollen Sie?“ und so weiter. Man kennt das. Der Antragssteller als Bittsteller. Meis­tens hat man dann eine Unterlage oder ein Dokument vergessen und muss sich morgen noch mal in die Schlange zum Schafott einreihen.

Während der Angestellte im öffentlichen Dienst sich mit den vorgelegten Schriftstücken abmüht, streift der Blick über das wohnungsähnlich eingerichtete Büro: Hier ein ausgetrocknetes Zimmerbefeuchtungsbecken im japanischen Stil, dort die Urlaubspostkarten aus Hongkong, Peking und Kenia. Man fragt sich, ob man selber etwas falsch macht, weil man noch nicht in Hongkong, Peking oder Kenia war? Wenn selbst die Leute vom Amt dort schon gewesen sind – auch wenn es schon länger her ist, wie man am Vergilbungsgrad erkennen kann. Hinter dem Bearbeiter eine vor Schmutz starrende Kaffeemaschine, daneben ein paar Plüschtiere und darüber das Stadtwappen auf einem nahezu farblosen Computerausdruck. In der Ecke ein verstaubter Kaktus, der auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Wie halten es die Leute, die hier arbeiten, nur aus? Was ist in deren Leben schief gegangen, um diese Atmosphäre ertragen zu können bzw. nichts zu unternehmen, an diesem Zustand etwas zu ändern?

Genau dieselbe Frage stellt sich ein Besucher Ihres Handwerksbetriebes, wenn er den Laden, die Werkstatt oder das Büro betritt und ähnliche Zustände vorfindet. Wer gehobene Kundschaft bedienen will, muss gehobenen – nicht übertriebenen – Standard bieten. Ein gepflegtes Erscheinungsbild sowohl persönlich wie auch hinsichtlich der Geschäftsräume und der Monteurwägen ist unabdingbar. Wer keinen Parteiverkehr hat, könnte meinen, die benutzten Kaffeefilter neben der Maschine und die aufgeschlagenen Großhandelspreis­lis­ten von vor zwei Jahren am Boden liegen lassen zu können. Aber weit gefehlt! Chaos im Büro überträgt sich auf die Baustelle, in den Heizungskeller und in das Bad des Kunden. Ein Mindestmaß an Ordnung muß sein! Das Motto lautet: „Halte Ordnung; dann hält die Ordnung Dich!“

Oder wollen Sie auf Ihren Kunden (makellos/wohlduftend) wie ein blutleerer, unengagierter, durch sein öffentlich zu Schau gestelltes Arbeitsleid abschre­ckender und unordentlicher Mitarbeiter einer Meldestelle (mittelmäßig/widerwillig) wirken? Sicher nicht! Also noch heute: Kaffeemaschine putzen, vergilbte Bilder von den Wänden (am bes­ten bei der Gelegenheit gleich streichen), trostlose Topfpflanzen entsorgen, Preislisten sowie Kataloge vom Boden aufheben und ein kleines Lächeln aufsetzen!

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Diese SBZ-Kolumne wird von Brancheninsidern geschrieben, die frei von täglichen Zwängen zum Nachdenken anregen und deshalb anonym bleiben möchten.

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