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Liebes Tagebuch,

Tagebuch eines Installateurs, Teil 1

Montagmorgen, Mai 2012, 6.30 Uhr MESZ: Unendliche Weiten. Mein Schreibtisch biegt sich unter der Last von Rech­nungen, Lieferscheinen, Faxen, Fachliteratur, Regelwerken, Preislisten, Ausdrucken etc. Die am Wochenende gesammelte gute Laune schwindet angesichts dieser Berge schnell. Beginne, mich von der Mitte her durch den Papierwust zu fräsen.

7.00 Uhr: Mitarbeiter Michael Meier ruft an – krank! Beim Fußballspielen umgeknickt. Gips für drei bis vier Wochen. „Sorry, Chef, aber kann nix machen. Geht bestimmt auch ohne mich. Kollege Schmidt weiß Bescheid. Rohmontage Baustelle Gartenstraße kann er mit Lehrling diese Woche fertig machen. Material wird vom Großhandel direkt auf Baustelle geliefert. Wenn noch was ist, bin hin und wieder am Handy erreichbar. Ach ja: Monteurauto steht vor meiner Haustür. Können Sie abholen!“ Woche fängt gut an! Kollege Schmidt schlappt um viertel nach sieben über den Hof: „Moped nicht angesprungen. Freundin hat mich hergebracht. Die muss aber später auf Arbeit als wie ich.“ Schlucke meine Wut runter. Bin froh, dass ich meinen Ossi Schmidt habe – fast nie krank, arbeitet gut, denkt hin und wieder mit, kommt bei Kundschaft gut an. „Ok. Aber morgen wieder pünktlich! Schnapp Dir den Lehrbub und dann los. Gartenstraße muss fertig werden. Kollege Meier ist krank.“ „Allet klar, Chef. Aber Lehrling hat Berufsschule!?“ „So eine verdammte Sch...“ Immer, wenn man den Stift brauchen könnte, ist er in der Schule. Wer legt eigentlich fest, dass die so oft in der Schule sind? Sport, Religion, Erdkunde... Die sollen am Wochenende zu Fuß 5 km in den Nachbarort in die Kirche gehen, dann haben sie alles erledigt – Sport, Religion, Erdkunde!

12.00 Uhr: Baustelle Garten­straße läuft. Habe mit Schmidt die Rohmontage vorangebracht. Er kann nachmittags alleine weitermachen, seine Freundin holt ihn auf dem Heimweg ab. Muss Bestellung für Hinterwand-Installationsmaterial machen. Da war doch ein Fax letzte Woche. Irgendwo in den unendlichen Weiten des Schreibtischs. Nach 10 Minuten Suche werde ich fündig. „Senkung der Bruttopreise!“ klingt gut! Aber für wen? Denke kurz nach und stelle fest: wieder eine Schweinerei des Großhandels (GH) zu meinen Lasten! Ich verliere Marge bei Kunden, an die ich brutto verkaufe. GH verliert nichts, weil der Netto-Einkaufspreis gleich bleibt! Das ist keine Partnerschaft! Schreibe erbostes Fax an die GH-Geschäftsleitung – Durchschlag an Innung, Landes-Zentralverband, Steuerberater, Landtagsabgeordneten etc. Die sollen wissen, wie wir täglich von unseren Lieferanten verschuftet werden.

17.30 Uhr: Außendienstmit­arbeiter des Großhandels meldet sich. Er kann auf seiner Tour noch schnell vorbeikommen und mir alles erklären. Wir würden sicher eine Lösung finden... Sage ihm, er soll an der Gartenstraße vorbeifahren, Schmidt abholen, der dort nicht wegkommt, weil seine Freundin noch einen Termin im Nagelstudio hat.

18.15 Uhr: Außendienstler und Schmidt fahren auf den Hof. Schmidt versucht, mir die Lage an der Preisfront zu erklären. Gehirnwäsche des Außendienstlers auf den letzten Kilometern war bei ihm bereits erfolgreich. Schicke Schmidt heim. Meine Frau schmeißt ihn auf Weg zum Einkaufen zuhause raus. Wer bezahlt mir eigentlich etwas für die Logistik meiner Mitarbeiter?

19.30 Uhr: Außendienstler ist weg. Seine Erklärung war hilfreich, aber unbefriedigend. Fast wäre ich ihm auf den Leim gegangen. Komme mir irgendwie ausgenommen vor – ­allerdings auf einem höheren Wohlfühlniveau.

Nächster Morgen 8.15 Uhr: Innendienstler (Führungsoffizier des Außendienstlers) des Großhandels meldet sich bei mir auf dem Handy. Nach dem guten Gespräch gestern mit dem Kollegen vom Außendienst, bietet er mir größere Verpackungseinheiten an, die viel günstiger seien als normale Ware. Komisch denke ich mir, wo ist da der Haken? Normalerweise liefern die Großhändler in zunehmendem Maß, Waren auf Strecke oder lassen liefern. Ich soll mir aber große Gebinde aufs Lager legen!? Bin ich Lagerist oder die? Wenn der Großhandel jetzt auch noch seine letzten Lagerfunktionen aufgibt, ist er nur noch Kreditanstalt mit Fuhrpark und Bad-Ausstellung...

...Fortsetzung folgt.

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