Kennen Sie Bologna? Bologna ist eine oberitalienische Stadt. In ihr wurde die erste Universität gegründet. Was lag also näher, die Reform des europäischen Hochschulwesens nach dieser geschichtsträchtigen Stadt zu benennen? Der Bologna-Prozess war geboren.
Außerdem ist Bologna noch für etwas anderes bekannt, dem es seinen Namen ebenfalls geliehen hat: der Sauce Bolognese. Diese ist eine amorphe Hackfleischsoße, die gerne zu langen Nudeln gegessen wird.
Geht man davon aus, dass der Hochschulreformprozess alla Bolognese durchgeführt wird, ist klar: Wie bei den Nudeln wird alles, egal wie es vorher auch beschaffen war, mit einer Einheitssoße übergossen. Europa schüttet mit einer großen Kelle die Brüsseler Vorgaben über alle bewährten Bildungssysteme.
Zu unserem Leidwesen gab es vor Bologna den eingeführten und weltweit bekannten sowie geschätzten Hochschulabschluss mit Diplom. Nach der Bolognese-Behandlung gibt es nur noch Bachelor- und Master-Abschlüsse. Dabei spielt es keine Rolle, dass fast kein Deutschsprachiger den Titel Bachelor aussprechen, geschweige denn richtig aussprechen kann. Früher hielten, diejenigen, die im Englischunterricht aufgepasst hatten, den „Bätschler“ für einen Junggesellen. Heute ist er oder sie ein Hochschulabgänger – zweiter Klasse! Erstklassig sind hingegen die Master, also die Meister ihres Faches.
Bachelor-Studiengänge können jetzt zwischen sechs und acht Semester dauern. Da muss die Frage gestattet sein, was durch Bologna besser wurde? Vorher erreichte ein Student an einer Fachhochschule (FH) nach acht oder neun Semestern inklusive zwei Praxissemestern den anerkannten Abschluss „Diplom“. Heute ist er nach sieben oder acht Semestern (inklusive einem Praxissemester) lediglich Bachelor. Um den höchsten Abschluss zu erreichen, muss er weitere vier bis fünf Semester anhängen.
Die deutsche Politik hat, getrieben von der inländischen Industrie und genötigt durch Brüssel, ohne Not den Absolventen einen Bärendienst erwiesen. Zwar sind die Abschlüsse nunmehr dem Titel nach europäisch und teilweise international vergleichbar. Die Inhalte aber überhaupt nicht. Wir haben wieder einmal bewiesen, dass wir als gute Europäer bis zur Selbstverleugnung gehen und damit zusammenhängende Wettbewerbsnachteile für unseren Nachwuchs gerne in Kauf nehmen. Denn ähnlich wie bei der Einführung des achtjährigen Gymnasiums haben es die Lehrplanverantwortlichen an den Hochschulen nicht vermocht, die Lehrinhalte dem neuen gekürzten Zeitvorgaben anzupassen. Der gute Weg, auf dem sich gerade die Fachhochschulen vor der Reform befanden, ist durch Bologna verlassen worden, was wahrscheinlich an der dicken Hackfleischsoßen-Schicht liegt!
Gerade die Industrie, die – ähnlich wie bei der Einführung des achtjährigen Gymnasiums – am lautesten nach Reformen geschrien hat, muss jetzt Farbe bekennen und gezielt Bachelors einstellen, damit inländische Studierende nicht das Nachsehen haben.
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