SBZ: Für die Unternehmen der Technischen Gebäudeausrüstung und hier insbesondere das Heizungs- und das Elektro-Fachhandwerk wird das Thema Smart Home zu einem Thema der Zukunftssicherung. Eine Frage vorweg: Was verstehen Sie unter Smart Home oder ist das eher ein Modebegriff für alles mögliche?
Beukenberg: Die Bezeichnung Smart Home wird zwar gerade in letzter Zeit im Zusammenhang mit der komfortablen und funktionalen Ausstattung von Gebäuden immer häufiger benutzt, aber als Modebegriff würde ich es dennoch nicht bezeichnen. Wir erleben vielmehr, dass eine noch vor wenigen Jahren eher visionäre Technik jetzt den Weg in die Breite, in die Praxis gefunden hat, und somit viel öfter darüber gesprochen wird. Für mich ist Smart Home deswegen auch kein technischer Begriff, sondern eher ein Synonym für einen konkreten Mehrwert daheim, für mehr Komfort, mehr Spaß, mehr Bequemlichkeit, und natürlich auch die effizientere Nutzung von Ressourcen.
SBZ: Was hat dazu geführt, dass sich das Smart Home jetzt so viel intensiver in der öffentlichen Wahrnehmung wiederfindet als früher?
Beukenberg: Wegbereiter dafür war und ist vor allem die Unterhaltungselektronik im weitesten Sinne. Ein wichtiges Stichwort ist hier beispielsweise die kabellose Vernetzung von Internet und PC, TV oder Musikanlage. Die TGA, also zum Beispiel Heizung und Wärme, Licht, Klima, Lüftung und Schutz vor zu starker Sonneneinstrahlung, ziehen jetzt massiv nach. Sie leiten gewissermaßen eine neue Qualitätsstufe im massenkompatiblen Smart Home ein.
SBZ: Und wo haben in dieser Aufzählung die Wilo-Pumpen ihre Position?
Beukenberg: Pumpen gehören als zentrale Installationskomponenten in allen Heizungs- und Sanitäranlagen aus meiner Sicht genauso zum Internet der Dinge wie der Fernseher, die Alarmanlage oder die Beleuchtungsarchitektur. Der wesentliche Unterschied ist nur, dass die Pumpen nicht direkt im Blickfeld der Nutzer sind und sich ihre Integration zudem nur mittelbar, nämlich energiesparend und damit kostensenkend, auswirkt. Außerdem gibt es auch erst im Nachgang einen spürbaren Komfortgewinn, weil dank intelligenter Pumpen und vernetzter Systembezüge bedarfsabhängiger geheizt oder gekühlt wird.
SBZ: Aber Pumpen sind doch immer Bestandteil einer größeren Einheit, also zum Beispiel einer Heizungsanlage. Die Aufgabe, die Voraussetzungen für eine Vernetzung im Smart Home zu schaffen, müssten doch eigentlich in deren Entwicklungsabteilungen liegen.
Beukenberg: Natürlich stehen wir mit den Heiztechnik-Herstellern im intensiven Austausch oder betreiben sogar gemeinsame Forschung. Es gibt aber genügend weitere Anwendungen wie Kühlkreisläufe und Trinkwasserzirkulationen, Druckerhöhungs- oder Brauchwasseranlagen, deren Pumpen konsequenterweise auch integriert und mit Installationskomponenten wie Dreiwegeventilen oder Sicherheitsarmaturen vernetzt werden müssen.
Hinzu kommt: Wilo hat mit der Elektronikentwicklung und -fertigung seine Kompetenz auf diesem Gebiet in Dortmund strategisch so konzentriert, dass wir uns über dieses Know-how ganz klar als kompetenter Partner für die gesamte TGA positionieren können.
SBZ: Wo liegen denn die technischen Herausforderungen, die vor einer nennenswerten Marktdurchdringung noch gelöst werden müssen?
Beukenberg: Es gibt eindeutig zu viele Protokolle! Wir müssten uns auf drei oder vier konzentrieren. Hier sind klare Standards notwendig, um die Unsicherheiten im Markt, speziell beim Fachhandwerk, das solche Projekte umsetzen muss, auszuräumen. Bisher richtet sich das Smart Home noch an seinem technischen Ursprung, der Gebäudeautomation aus. Die ist aber für das Alltagsgeschäft im Handwerk zu komplex. Stattdessen brauchen wir selbsterklärende und selbstlernende Systeme, die sich ähnlich wie Handys und Unterhaltungselektronik fast automatisch miteinander vernetzen lassen. Und das am besten drahtlos, um einen möglichst einfachen Zugang zum Sanierungsgeschäft, dem entscheidenden Zukunftsmarkt, zu finden.
SBZ: Sie wollen dieses komplexe Anforderungsprofil über eine Kooperation mit dem Unternehmen iExergy auflösen, das den Wibutler entwickelt hat.
Beukenberg: Aus unserer Sicht ist der Wibutler als kleiner Smart-Home-Server die ideale Lösung, weil er einfach zu installieren und zugleich extrem flexibel ist. Das Gerät versteht alle wichtigen Protokolle und kann beispielsweise genauso per WLAN wie per Enocean-Funktechnologie mit den Installationskomponenten kommunizieren. So ist es möglich, Produkte verschiedener Hersteller miteinander zu verknüpfen und über eine gemeinsame Wibutler-App zu steuern. Wir führen die Komponenten also nicht nur technisch, sondern auch in ihrer einfachen, selbsterklärenden Bedienung direkt zusammen. Das gibt es bisher noch nirgendwo sonst.
SBZ: Warum ist für Sie die für alle Produkte nutzbare App so wichtig?
Beukenberg: Die gemeinsame App ist neben der gemeinsamen technischen Plattform so wichtig, weil der Erfolg des Smart Home entscheidend von dem hohen Nutzen für den Anwender abhängt. In der Regel ist das als erstes der Installateur, der die Heizungs- oder die Pumpenanlage einbaut, und als nächstes der Endkunde, der in dem Haus wohnt und über die Fernsteuerung per Smartphone einen direkten Nutzen erzeugen möchte. Dafür jedes Mal eine andere App aufrufen zu müssen, ist schlichtweg unpraktisch und lebensfremd. Mit dem Wibutler und der zugehörigen App haben wir also die beiden entscheidenden Herausforderungen zugleich gelöst.
SBZ: Welches Gewerk wird denn bei diesen jetzt einfacheren Systemvernetzungen die Hauptverantwortung tragen, also im Ergebnis das Funktionieren garantieren?
Beukenberg: Die Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten werden sich zweifellos stärker als bisher überschneiden, das ist sicher. Vor allem, weil eine Schlüsselfrage immer die des Einstiegs ist, also über welches Gewerk das Smart Home gestartet wird. Das kann in der Nachrüstung genauso die Beleuchtung oder die Sicherheitstechnik sein wie die neue Heizungsanlage.
Meiner Meinung nach müssten wir aber zu einer Art Schwarmintelligenz der Geräte mit einer Gleichwertigkeit in der Zuordnung kommen – und deswegen letztlich auch die Berührungsängste abbauen, die gerade bei dieser Technologie noch häufig zwischen den einzelnen Gewerken zu beobachten sind.
SBZ: Das Smart Home wird neben dem Komfortgewinn für die Nutzer dazu beitragen, den Heizenergiebedarf zu verringern. Sie sprechen von bis zu 8 % durch die abgestimmte Fahrweise vernetzter Pumpensysteme und ihrer Peripherie. Warum tut sich gerade das SHK-Handwerk immer noch so schwer, diese Technologie anzubieten?
Beukenberg: Neben den technischen Schwierigkeiten der Vernetzung, die wir gemeinsam mit unseren Partnern aus der Haustechnik jetzt durch den Wibutler ausräumen, sehe ich ganz klare Defizite auf der politischen Ebene, nicht zuletzt bei manchen Verbänden aus unserer Branche. Statt sich auf die neuen, Gewerke umfassenden Technologien des Smart Homes einzulassen, werden Traditionen und Besitzstände, Techniken und Handlungsfelder aus den 1960er-Jahren und früher verteidigt. Stattdessen müssten wir die große kritische Masse betrachten, die als handelnde Akteure insgesamt auf das Smart Home einwirkt. Also nicht nur Heizung, Klima und Sanitär, sondern genauso die Beleuchtungs- und die Sicherheitstechnik oder den unglaublich wachsenden Komplex der Betreuung und Pflege, der ebenfalls auf die vernetzte Haustechnik im Smart Home angewiesen sein wird.
Der VDMA hat übrigens diese Entwicklung erkannt – und reagiert darauf mit Fachtagungen, Foren und Publikationen, um alle Beteiligten auf dem Weg zum Wohnen 4.0 zu unterstützen. Dieser Innovationsgeist und die Bereitschaft, gemeinsam nach neuen Lösungsansätzen für die drängenden Anforderungen des Marktes wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung oder Wohnkomfort auch im hohen Alter zu suchen, werden darüber entscheiden, wer die Gewinner im Smart Home der Zukunft werden.
SBZ: Wann, schätzen Sie, wird sich das Smart Home im Alltag durchsetzen?
Beukenberg: Das Smart Home befindet sich in einer Übergangsphase. Die entscheidenden Ziele sind beschrieben, die technischen Herausforderungen definiert, und die Akzeptanz bei den Anwendern steigt mit einer unglaublichen Dynamik. Denn jetzt wächst die Generation Y in die Rolle der für Haustechnik maßgeblichen Kaufentscheider hinein. Diese Kunden zeichnen sich durch eine technologieaffine Lebensweise aus, denn sie sind mit Internet und mobiler Kommunikation groß geworden. Wir müssen ihnen also nicht mehr erklären, warum man Raumwärme und Beleuchtung mit einer Präsenzerkennung im Raum koppeln sollte oder warum es sinnvoll ist, die Heizung und die Wärmeverteilung per App zu steuern, um Energie zu sparen.
Jetzt geht es nur noch darum, gewisse Standards durchzusetzen und möglichst schnell, beispielsweise auf Produkte wie die Pumpen von Wilo zu übertragen.
SBZ: Herr Dr. Beukenberg, herzlichen Dank für dieses informative Gespräch.
Info
Beteiligung an iExergy
Die Wilo SE hat im Zuge eines Venture Capital-Investments eine Minderheitsbeteiligung am Software- und Systementwickler iExergy aus Münster erworben. iExergy ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördertes Innovationsunternehmen und hat sich auf die Entwicklung von Smart-Home-Lösungen – eben den Wibutler – spezialisiert. Im Bild ist Wilo-Technikvorstand Dr. Beukenberg und iExergy-Geschäftsführer Arne Feldmeier zu sehen.