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Tipps, Informationen und Gerichtsurteile

Wenn es in der Wohnung schimmelt

Inhalt

Der Wandel und die Entwicklung der Baukonstruktionen und Baumate­rialien hat in den vergangenen 20 Jahren dafür gesorgt, dass völlig andere bauphysikalische Problemkreise aufgetaucht sind, die z.B. früher bei undichten Fenstern und Türen oder bei großem Wärmeaustausch über Dach- und Wandflächen nicht oder nur in geringem Maße bauliche Schadensrelevanz gehabt haben. Die Energieverknappung und die umweltfreundliche Gestaltung von Bauten haben dazu geführt, die Baukonstruktion und das Wohnverhalten zu verändern. Insofern haben die Wasserbelastung und der Wechsel zwischen Wärme und Kälte im Bereich des Wohnhauses eine neue Bedeutung gewonnen.

Ein- und Austritt von Wasser

Wasser ist Lebenselixier. Jedes Lebewesen benötigt zur Entstehung und zum Erhalt des Lebens eine ausreichende Menge von Wasser. Unser Körper besteht über 90 % aus diesem Element. Wasser ist daher für das Leben segensreich. Wasser begegnet uns in Form von Oberflächenwasser, Grundwasser, Schichtenwasser, Quellwasser, Fluss- und Grabenwasser, Meerwasser, im Rahmen von Dampf und Ausfallkondensat und kapillarem Wasser. Jede Art von Wasser birgt Gefahrenquellen im medizinischen, biologischen oder bautechnischen Bereich. Die nordeuropäi­schen Breiten unserer Erde führen mehr Wasser als südeuropäische Länder, sodass die Auswirkungen des freien Wassers auf die Hauskonstruktionen in unseren Breiten (Nord – Europa) hohe Beachtung finden müssen. Wasser kann gerade bei Hauskonstruktionen erhebliche Schäden anrichten, wenn der Eintritt und der Austritt des Wassers nicht reguliert wird. Bei ungehindertem Eintritt von Wasser (in welcher Form auch immer – Oberflächenwasser, drückendes Wasser, Kapillar- Schwitz- oder Kondenswasser) in den Wohnbereich und einer Wohnraumtemperatur ­größer als 10 °C, nimmt die Raumluft verdunstendes Wasser auf und entlädt den Wasserdampf an kälteren Bauteilen, sodass es zur Durchfeuchtung dieser Stellen kommt. Fehlende Abdichtungen nach DIN 18195, undichte Fenster und Dächer, undichte Balkone oder schadhafte Rohrleitungen können Ursache für Durchnässungen sein. Die Feuchtigkeit wird von der warmen Raumtemperatur teilweise oder ganz aufgenommen und bedarf der konsequenten Beseitigung durch Stoß- oder Querlüftungen des Raumes.

Ständige Durchfeuchtung

Ohne einen entsprechenden Luftaustausch mit der Außenluft findet das in der Luft gebundene Wasser an kälteren Bauteilen seinen Niederschlag in Form von Schwitzwasser oder sonstigem Kondensat. Bei Nichterkennen der Feuchtigkeitsursache wird die Durchfeuchtung der belasteten Bauteile stets aufs Neue eintreten und eine ständige Durchnässung der Bauteile im Bereich der Feuchtigkeitseindringungsstelle sowie hinsichtlich der durch den Wasserdampf belasteten Hausteile zur Folge haben. Eine evtl. Austrocknung der vernässten Gebäudeteile hat nur dann Sinn, wenn die Ursache für die Durchfeuchtung (z.B. Rohrbruch oder Abdichtung des Fußpunktbereiches, Bodenplatte – aufgehende Wand) fachgerecht erkannt und saniert worden ist. Die Feuchtigkeitserscheinungen können allerdings auch daraus resultieren, dass das physikalische Gleichgewicht des Baukörpers durch Erneuerung einzelner Bauteile (Fensterauswechslung mit einem höheren Wärmedämmmaß) gestört worden ist, ohne z.B. auch die vorhandenen Außenwände in das nunmehr neu entstehende Wärmedämm-System einzubeziehen. Hier kann es alsdann insbesondere, wenn auch noch falsche Dämm-Maßnahmen oder Dampfsperren an ungeeigneter Stelle in den Baukörper eingebracht werden, zu Tauwasserbildung auf der Wand oder schlimmsten Falls in der Isolierung kommen. Das Bewohnen eines Energiesparhauses und das hermetisch gegen Windaustausch gesicherte Haus erfordert vom Bewohner ein Mindestmaß an physikalischen Kenntnissen oder zumindest ein Mindestmaß an die Baustruktur angepasste Verhaltensweisen. Nur so können Bauschäden und unliebsame biologische Belastungen durch Pilze (Schwämme, Flechten und Bakterien) vermieden werden.

Nährboden für Schimmel

Die vorbezeichnete Feuchtigkeit bringt nicht nur eine hohe Luftfeuchtigkeit mit sich und eine ständige Vernässung von Bauteilen, sondern ist der ideale Nährboden für Kleinstlebewesen, Bakterien, Pilze und Flechten. Pilze sind dabei eine der resistentesten Lebewesen, die zur Entwicklung und zur Vermehrung ein minimalen Lebensraum und die einfachsten Bedingungen benötigen. In der Regel gedeihen sie bei Feuchtigkeiten ab 70 % relativer Luftfeuchtigkeit und einer Raumtemperatur von über 20 °C. Sie können problemlos auch mehrere Monate und ggf. Jahre ohne Wasser oder sonstige Feuchtigkeit kapillarer Art überleben, auch wenn der Baukörper zuvor als ausgetrocknet galt. Kommen diese Pilzsporen später mit Wasser wieder in Berührung, gedeihen sie ohne Einschränkung an dieser Stelle wieder neu. Pilze sind von ihrer Funktion her Moder/Abfall-verarbeitende Lebewesen, die sich insbesondere dann explosionsartig vermehren können, wenn sie einen geeigneten Nährboden finden, der vorwiegend aus organischen Bestandteilen besteht. Dabei sind Tapeten, Holz und Textilien Gips und Zellstoffprodukte hochgradig gefährdet, weil sie durch ihre Porosität Pilzen und deren Sporen geeignete Lebensräume bieten. Sie können sich aber auch bereits mit Hilfe von Staubpartikelchen entwickeln, die in der Luft umherschwirren oder auf verschiedensten Materialien liegen. Dabei ist von hoher Bedeutung, dass die Sporen nicht nur auf einer Materialoberfläche aufgelagert sind, sondern dass sie bei Rissebildungen oder modrigen Materialien auch tief in das Materialinnere eindringen können. Durch die Porosität des Materials können Sporen auch durch Wasser in das Material hineingespült oder durch Dampfdruck in die Poren der Materialien eindringen. Daraus folgt, dass ein Abwischen von befallenen Wandstellen keinesfalls ausreichend ist, um den Pilz zu beseitigen. Die unterschiedlichen Arten der Pilze haben auch unterschiedliche Lebens- und Überlebens­eigenschaften und können sich sowohl auf der Oberfläche wie auch in tieferen Schichten der Wandstruktur befinden, ruhen oder sich entwickeln. Der Populationsrhythmus der Pilze beträgt ca. 14 Tage. Aus der Vermehrung der Sporen kann man den jeweils aktuellen Befall, getrocknetem Altschaden oder Sporenkontamination ablesen. Der Befall wird in drei Befallkategorien (Schweregrade) aufgeteilt, wobei der Schaden vernachlässigbar, behandelbar ist oder sofortiger Beseitigung bedarf. Dabei kommt es nicht zu sehr auf die Anzahl der Sporen und Myzel an, sondern auf die verschiedenartige Zusammensetzung der Pilzarten. Die festgestellten Pilzarten, die nicht behandelt werden, können sich in ihrer Struktur und Zusammensetzung rasend schnell verändern. Aus einer harmlosen Pilzkultur können sich binnen weniger Tage auch für den Menschen gefährliche toxische Pilzarten weiter entwickeln, insbesondere der hoch toxische und Innenraum-relevante Schimmelpilz „Stachybotrys Charta­rum“. Dieser Pilz entwickelt das hochwirksame Mykotoxin Satratoxin.

Explosionsartige Vermehrung

Mit dieser Art Pilzen (Schwarzpilz) ist nicht zu spaßen, er ist höchst vorsichtig zu ermitteln und im Schwarz-Weiß-Bereich (Einhausung) zu beseitigen. Ein einfaches Abwischen der Pilzsporen und Pilze ohne Einhausung des gefährdeten Bereiches, kann zu einer explo­sionsartigen Vermehrung der Pilze im ganzen Haus führen, denn die Pilzsporen werden und durch Luftbewegung und Anlagerung an Staubteilen auf andere Gebäudeteile übertragen. Der Beseitigung des Schimmelpilzes geht die fachgenaue Analyse der Schimmelpilzart zwingend voraus, um einerseits die Gefährlichkeit des Schimmelpilzes und andererseits die Beseitigungsmethode festzulegen. Die Beseitigung ist keine Sache für den Laien, sondern sollte immer zusammen mit dem Bausachverständigen durchgeführt werden, um insbesondere für die Bewohner des befallenen Hauses das Gesundheitsrisiko so gering wie möglich und die Beseitigungsmaßnahme so effektiv wie möglich zu gestalten. Dabei ist der vom Bundesumweltamt herausgegebene „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelwachstum in Innenräumen“ zur Schadensminimierung in jedem Falle zu berücksichtigen. Danach gilt, dass Hausmittel wie z.B. Essig, unter Umständen nicht die gewünschte Wirkung erzielen, da die Schimmelpilzart möglicherweise darauf nicht reagiert, Kalk eine Neutralisierung des Essigs herbeiführt oder aber das angebliche Sanierungsprodukt metabolisiert – zu körpereigener Substanz macht – oder sogar als Nährboden nutzt. Keinesfalls dürfen Mittel verwandt werden, die die Diffusions­fähigkeit des Bauteiles hindert, da bestimmte Pilzarten und deren Sporen vortrefflich auch anaerob (ohne Sauerstoff) wachsen können und die Versiegelung einer Wandfläche dazu führt, den Pilz in dem abgeschotteten Bauteil gedeihen zu lassen. Dies gilt umso mehr, wenn die Beschichtung keine homogene Verbindung mit dem behandelten Bauteil aufnimmt und bei weiterem stetigen Wasserzufluss durch den entstehenden Wasser- oder Dampfdruck abplatzt oder aufbricht. Dann könnte in konzentrierter Form der Pilz aus dem zu behandelnden Bauteil austreten und sich weiter im Wohnraum vermehren. Also, jede Behandlung des Schimmelpilzes setzt die Ursachenerkennung voraus, um auf Dauer den Schimmelpilz aus dem befallenen Bauteil zu verbannen. Jede äußere Behandlung, sei es durch Chemikalien oder Hitzemaßnahmen (Heißdampfverfahren) (Pilz-Myzels sterben bei einer Temperatur zwischen 80 °C und 120 °C ab), bedarf einer sachkundigen und sachverständigen Begleitung.

Aktuelle Rechtsprechung

Der Schimmelpilz belastet Wohnbereiche. Es ist daher verständlich, dass bei Auftreten des Schimmelpilzes in Gebäuden Menschen betroffen sind, entweder als Mieter, Vermieter, Bauherr oder Unternehmer. Die Verantwortlichkeit für das Auftreten von Schimmelpilz wird nach der vom OLG Karlsruhe entwickelten Rechtsprechung (so genannte Sphärentheorie) beurteilt. Sie ist mittlerweile fester Bestandteil der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und nahezu aller Instanzgerichte. Im Mietvertragsrecht muss daher der Mieter darlegen und beweisen, dass Schimmelpilz vorhanden ist (Wohnraumsphäre des Mieters). Den Vermieter trifft ein Entlastungs-Negativbeweis. Er muss die Möglichkeit ausräumen, dass die Schadensursache aus einem Umstand herrührt, der in seiner Verantwortungssphäre liegt. Das ist der Fall, wenn der Mangel nicht aus der vermieteten Bausubstanz stammt, den er als Vermieter zu verantworten hat. Alle Baumängel hat er ebenso zu vertreten, wie alle Schäden, die auch ohne sein Verschulden zum Beispiel bei Vernässung durch einem Rohrbruch eintreten. Auch für eine nicht sachgerechte Austrocknung oder Schadensbeseitigung trägt er die Verantwortung, weil sie seinem Einflussbereich entstammt. Gelingt dem Vermieter dieser Beweis, so hat sich der Mieter umfassend hinsichtlich der Verursachung und Verschulden zu entlasten. Er muss daher darlegen, dass der Schimmelpilz nicht darauf zurückzuführen ist, dass er ein fehlerhaftes Wohnverhalten an den Tag gelegt hat. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur dann, wenn der Vermieter ihm bei Mietbeginn, Erläuterungen z.B. zum Lüftungsverhalten dargestellt hat. Schimmelpilz durch Verunreinigungen hat der Mieter in jedem Fall selbst zu verantworten, da diese Ursache alleine auf sein Nutzungsverhalten zurückzuführen ist. Durch die Verunreinigungen hat er seine mietvertraglichen Obhutspflichten des Mietobjektes verletzt. Im Bereich des Baurechtes gilt der Anspruch des Bauherrn an den Bauunternehmer, ein nach dem Regelwerk der Baukunst erstelltes, mangelfreies Gebäude zu erhalten. Daher ist der Befall von Schimmelpilz ein Mangel, denn es liegt damit eine Abweichung von der Soll-Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes vor. Das gilt gleichermaßen für verfärbenden (Blaufäule) wie auch zerstörenden Pilz (Hausschwamm). Auch, wenn ein sichtbarer Pilzbefall nicht vorhanden ist, sondern das Gebäude nach einer Sanierung weiterhin mit Schimmelpilzsporen behaftet ist, liegt ein Mangel vor.

Vermieter muss Mangel beseitigen

Denn das vertraglich geschuldete Soll besteht in einem Bauteil ohne Pilzbefall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Gesundheitsgefährdung vorliegt oder nicht, sondern nur darauf, ob das erstellte Bausoll dem vertraglichen entspricht. Selbst wenn im Mietrecht aufgrund des erheblichen Schimmelpilzbefalles eine akute Gesundheitsgefährdung vorliegt, muss dem Vermieter die Möglichkeit eingeräumt werden, die durch den aufgetretenen Schimmelpilz ausgelöste Gesundheitsgefährdung sach- und fachgerecht zu beseitigen. Eine fristlose Kündigung ist daher ohne eine entsprechende Abmahnung nur in den seltensten Fällen möglich. Im Einzelnen müsste hier dargestellt und bewiesen werden, dass:

  • eine Fristsetzung oder Abmahnung von vornherein offensichtlich keinen Erfolg verspricht, z.B. wenn die Beseitigung des Mangels nur durch Abriss erfolgen kann
  • die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung beiderseitiger Interessen gerechtfertigt ist (schwere Gesundheitsgefährdung)

und

  • eine Abwägung von wirtschaftlichen Interessen erfolgt ist.

Der Vermieter ist durch den Mietvertrag verpflichtet, die Mietsache in einem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten. Der Vermieter verletzt regelmäßig seine Pflicht aus dem Mietvertrag, wenn er einen die Gesundheit gefährdenden Zustand der Mieträume nicht beseitigt. Somit ist die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung grundsätzlich nur dann gegeben, wenn eine Fristsetzung oder Abmahnung des Vermieters vorausgegangen ist. Die fristlose Kündigung hingegen darf sich mithin nicht nur auf eine Gesundheitsgefährdung beziehen, sondern muss in Abwägung der wechselseitigen Belange eindeutig zugunsten des Mieters ausfallen. Kann weder der Vermieter noch der Mieter nach der oben bezeichneten Beweislastregelung (Sphären-Theorie) seine ihm obliegenden Nachweise führen, führt das „Non Liquet“ – Beweisgleichstand – nicht dazu, dass der Mieter als Kläger den Beweis der Schadensverursachung nicht geführt hat, sondern dass ein nicht aufklärbarer Sachverhaltszustand zu Lasten des Vermieters geht. Für den Fall, dass das Vermieterverhalten mit ursächlich für den eingetretenen Schimmelpilzschaden ist (z.B. fehlende Lüftung), kommt ein Mitverschulden nur dann in Betracht, wenn dem Mieter die von ihm geforderten Verhaltensweisen zu­mut­bar sind. An dieser fehlt es ggf. z.B., wenn Räumlichkeiten ob ihrer baubedingten Feuchtigkeit mehr als viermal am Tag einer Stoßlüftung zugeführt werden müssen (umstritten). Grundsätzlich ist immer davon auszugehen, dass bei unaufgeklärtem Sachverhalt die Verantwortung des eingetretenen Schimmel­befalls den Vermieter trifft.

Weitere Informationen

Unser Autor Dipl.-Ing. Axel Meyer referierte zu diesem Thema beim 1. Deutschen Forum Innenraumhygiene Mitte Oktober 2007 in Bochum. Meyer ist Dipl.-Bau-Ing., Rechtsanwalt und Notar, Senior Partner der Kanzlei HTM Meyer Venn & Partner, Hamminkeln, Bocholt, Rhede und Kleve, Telefon (0 28 52) 91 50-0, Telefax (0 28 52) 91 50-6 86, E-Mail: meyer@htm-meyer-venn.de