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Bewertungsportale im Internet

Wenn der gute Ruf in Gefahr ist

Auf der Suche nach einem geeigneten Handwerker war der Kunde im analogen Zeitalter auf Empfehlungen im Freundes- und Bekanntenkreis angewiesen. Ansonsten blieb nur der Blick ins Telefonbuch oder in die „Gelbe Seiten“. Der besondere Wert eines Portals liegt in der Gewinnung von Bewertungen anderer Nutzer, die die kritisierte Leistung bereits in Anspruch genommen haben und denen ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit beigemessen wird. Der Nutzer wähnt sich mit dem Kritiker „in einem Boot“ und unterstellt keine finanziellen Eigeninteressen. Auch neigt er instinktiv zu der Annahme, dass eine Vielzahl subjektiver Einzelbewertungen (irgendwie) ein ­objektives Gesamtbild abgibt. Diese Annahmen sind auch grundsätzlich richtig; insoweit können Bewertungsportale einen Beitrag für den Verbraucherschutz durch Information leisten und die Markttransparenz ­erhöhen.

Folgen

Während der positiv Bewertete sich einer unerwarteten Gratiswerbung erfreuen kann, stellt sich die Lage für den schlecht Bewerteten anders dar. Der Kunde trifft seine Auswahlentscheidung nach der einfachen Regel: Wenn es diverse Handwerker in seiner Stadt mit ausschließlich positiven Bewertungen gibt, wird er einen Handwerker, der eine oder gar mehrere schlechte Bewertungen erhalten hat, gar nicht erst in Betracht ziehen. Insoweit kann negative Kritik unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen haben durch weniger Neukunden und Verlust von Bestandskunden. Wie die Bewertungen zustande gekommen sind und ob sie auch inhaltlich richtig oder von Seiten des Kritikers oder – besonders perfide – von Seiten des Bewerteten bzw. seines Strohmanns frei erfunden sind, kann und wird der Nutzer nicht hinterfragen.

Hinzu kommt eine bei vielen Menschen unterschwellig vorhandene Zahlengläubigkeit: Wird aus den vorhandenen Einzelbewertungen eine abschließende Durchschnittsnote gebildet, erscheint dem Nutzer diese Zahl oder 5 von 5 Sternen im Gegensatz zu einer subjektiven Meinung immer objektiv. Da Bewertungen jederzeit abgegeben werden können und über Suchmaschinen einem unbegrenzten Nutzerkreis dauerhaft zugänglich sind, ist der betroffene Handwerker zu einer permanenten Kontrolle seiner digitalen Repräsentation gezwungen.

Ausgangslage

Stellt der Betroffene eine negative Bewertung fest, fragt er sich, ob und unter welchen Voraussetzungen er hiergegen vorgehen kann. Ihm selbst steht zunächst sein grundrechtlich geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht zur Seite, insbesondere das Recht der persönlichen Ehre, der Anspruch auf soziale Achtung und Geltung, das Recht auf Darstellung der eigenen Person in der Öffentlichkeit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch ist bei der Bewertung beruflicher Leistungen das Grundrecht der Berufsfreiheit betroffen.

Andererseits sind auch die Grundrechte der anderen Beteiligten des Kommunikationsprozesses zu berücksichtigen: So stehen dem Kritiker und dem Portalbetreiber das ebenfalls grundrechtlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung und die Kommunikationsfreiheit zu. Auch kann sich der Portalbetreiber, soweit es sein Geschäftsmodell betrifft, auf seine Berufs- und Eigentumsfreiheit berufen. Am Ende ist die grundrechtlich geschützte Informationsfreiheit der Nutzer zu berücksichtigen, d. h. das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert informieren zu können.

Die so im Konflikt stehenden Grundrechte muss die Rechtsprechung – wie stets im Medienrecht – über eine umfassende Güter- und Pflichtenabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls miteinander und gegeneinander abwägen, um im konkreten Fall zu einer Entscheidung zu kommen. Das ist alles seit Jahrzehnten praktizierte Rechtsprechung.

Kein Anspruch auf Löschung sämtlicher Bewertungen

Ausgangspunkt ist, dass die in Portalen veröffentlichten Bewertungen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs „nur“ die berufliche Tätigkeit des Betroffenen und damit seine am wenigsten geschützte Sozialsphäre berühren. Daher hat der Betroffene keinen Anspruch auf vollständige Löschung sämtlicher Bewertungen, weil dies auf ein allgemeines Bewertungsverbot hinauslaufen würde.

Im Gegenteil gilt der Grundsatz, dass derjenige, der seine Leistungen öffentlich anbietet, sich der Kritik seiner Leistung stellen muss. Er hat keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selber sieht oder von anderen gesehen werden möchte. Im Ergebnis ist daher die „Zwangsmitgliedschaft“ in einem Bewertungsportal ohne Einwilligung oder sogar gegen den Willen des Betroffenen zulässig.

Es kommen grundsätzlich nur Ansprüche auf Unterlassung konkreter Äußerungen in Betracht. Stets zu unterlassen sind unwahre (beweisbare) Tatsachenbehauptungen, wie z. B. unzutreffende Öffnungszeiten, unzutreffende Angaben über Abrechnungen oder über die Anzahl des bei einer Reparatur eingesetzten Personals.

Bild: iStock / Getty Images Plus / HAKINMHAN

Es kommen grundsätzlich nur Ansprüche auf Unterlassung konkreter Äußerungen in Betracht. Stets zu unterlassen sind unwahre (beweisbare) Tatsachenbehauptungen, wie z. B. unzutreffende Öffnungszeiten, unzutreffende Angaben über Abrechnungen oder über die Anzahl des bei einer Reparatur eingesetzten Personals.

Anspruch auf Unterlassung konkreter Äußerungen

Daher kommen grundsätzlich nur Ansprüche auf Unterlassung konkreter Äußerungen in Betracht. Stets zu unterlassen sind unwahre (beweisbare) Tatsachenbehauptungen, wie z. B. unzutreffende Öffnungszeiten, unzutreffende Angaben über Abrechnungen oder über die Anzahl des bei einer Reparatur eingesetzten Personals. Viel schwieriger wird es im Bereich der Meinungsäußerungen, wenn also eine Behauptung nicht mit Mitteln des Beweises als wahr oder unwahr überprüft werden kann, sondern diese durch subjektive Elemente der Stellungnahme, des Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet sind. Insofern werden die meisten Bewertungen auf der Grundlage einer tatsächlich erbrachten Leistung zulässige Meinungsäußerungen sein. Das gilt insbesondere für Noten und Sterne.

Die Zulässigkeitsgrenze überschreitet der Kritiker allerdings dann, wenn er den Kritisierten beleidigt oder Schmähkritik übt, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht und dieser jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt werden soll. Diese Fälle kommen vor, sind aber eher selten.

Fake-Bewertungen

Bei sog. „Fake-Bewertungen“ ist die Rechtsprechung kompromisslos: Hat der Kritiker die kritisierte Leistung überhaupt in Anspruch genommen, ist jede Meinungsäußerung als fingierte Bewertung ohne Differenzierung zur Gänze unzulässig. Darüber hinaus handelt derjenige, der diese verfasst oder in Auftrag gegeben hat, unlauter und kann nach dem UWG in Anspruch genommen werden. Bei Hotelbewertungsportalen geht man davon aus, dass ca. ein Viertel aller Bewertungen fingiert und damit per se unzulässig ist.

Auch gibt es dubiose Anbieter, die sich auf dieses „Geschäftsmodell“ spezialisiert haben, d. h. fingierte positive wie negative Bewertungen gegen Bezahlung des jeweiligen Auftraggebers zu verfassen. Wie Bewertungen professionell gefälscht und hierdurch die Verbraucher getäuscht werden, zeigen diverse Fernsehdokumentationen bei plusminus, WISO, Frontal 21 etc.

Problem der Anonymität

Steht dem Betroffenen ein Anspruch auf Unterlassung bestimmter Äußerungen zu, liegt das Hauptproblem in seiner Durchsetzung. Denn Kunden äußern ihre Kritik regelmäßig im Schutz der Anonymität. Der Bundesgerichtshof schützt auch die anonym oder unter einem Pseudonym abgegebene Meinung ohne jede Einschränkung. Kennt der betroffene Handwerker seinen Kritiker nicht, liegt es nahe, dass er zunächst versucht, vom Portalbetreiber im Wege der Auskunft die personenbezogenen Daten des Kritikers (Name, Anschrift etc.) zu erhalten, um anschließend gegen diesen vorgehen zu können. Ein dahingehender Auskunftsanspruch wird indes vom Bundesgerichtshof unter Hinweis auf das Telemediengesetz verneint. Danach ist der Portalbetreiber zur Herausgabe der Anmeldedaten ohne Einwilligung des Nutzers nicht befugt und mit der Erlangung einer Einwilligungserklärung des Kritikers ist nicht zu rechnen.

Inanspruchnahme des Portalbetreibers

Daher bleibt dem Betroffenen immer nur die Inanspruchnahme des Portalbetreibers. Dieser stellt allerdings keine eigenen Behauptungen auf, sondern verbreitet lediglich fremde Kritik. Seine Inanspruchnahme käme dann in Betracht, wenn er sich die fremde Kritik zu eigen gemacht hat, indem er nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen oder den zurechenbaren Anschein erweckt hat, er identifiziere sich mit diesen. Das ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bei Bewertungsportalen grundsätzlich nicht der Fall.

Anderes gilt nur dann, wenn der Portalbetreiber seine Rolle als neutraler Vermittler verlässt und eine aktive Rolle einnimmt, indem er die Äußerungen inhaltlich redaktionell aufbereitet, ihren Wahrheitsgehalt überprüft oder gar eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Kritiker Änderungen vornimmt, selbst wenn dies zugunsten des Bewerteten geschieht. Das sind seltene Fälle.

„Notice and action“-Verfahren

Liegen diese Ausnahmefälle wie regelmäßig nicht vor, kann der Portalbetreiber nur als mittelbarer Störer wegen Schaffens der technischen Möglichkeit für die Verbreitung fremder Kritik in Anspruch genommen werden. An dieser Stelle hat der Bundesgerichtshof für die Haftung für fremde Inhalte im Internet durch Intermediäre ein qualifiziertes „Notice and action“-Verfahren entwickelt. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist, dass ein Portalbetreiber nicht verpflichtet ist, die von den Nutzern eingestellten Beiträge vor Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen.

Tätig werden muss er erst dann, wenn er von einem Betroffenen über eine Verletzung dessen Persönlichkeitsrechte informiert wird, wobei die Beanstandung so konkret gefasst sein muss, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Beanstandung ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden kann. In diesem Fall ist der Portalbetreiber verpflichtet, die Beanstandung an den Kritiker weiterzuleiten und diesen zu einer Stellungnahme innerhalb angemessener Frist aufzufordern. Bleibt diese aus, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

Bestreitet der Kritiker substantiiert die Berechtigung der Beanstandung und ergeben sich hierdurch berechtigte Zweifel, ist der Betreiber grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies – anonym – mitzuteilen und ggf. Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Nunmehr ist wieder der Betroffene gefordert: Bleibt seine Stellungnahme aus oder legt er die vom Portalbetreiber geforderten Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst; der Eintrag bleibt bestehen. Ergibt sich dagegen aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Nachweisen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des Kritikers eine Rechtsverletzung, ist der beanstandete Eintrag zu löschen. Der Portalbetreiber agiert insoweit als eine Art neutraler Schiedsrichter zwischen den widerstreitenden Positionen.

Fazit

Die meisten Kritiker reagieren auf die Aufforderung des Portalbetreibers nicht, sodass infolge der Beanstandung die Bewertung gelöscht werden muss (sog. chilling effect). Daher kann sich eine Beanstandung gegenüber dem Portalbetreiber selbst dann lohnen, wenn die Kritik als berechtigt erscheint oder zumindest vertretbar ist und einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde. Bei Fake-Bewertungen ist die Beanstandung gegenüber dem Portalbetreiber ohnehin das einzige zielführende Mittel, denn der Betroffene wird den Nachweis einer Fake-Bewertung (z. B. durch seinen Wettbewerber) kaum führen können.

Derjenige, der seine Leistungen öffentlich anbietet, muss sich der Kritik seiner Leistung stellen.

Bild: iStock / Getty Images Plus / Tero Vesalainen

Derjenige, der seine Leistungen öffentlich anbietet, muss sich der Kritik seiner Leistung stellen.

Autor

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Franz 
ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft/Berlin

Bild: Dr. Ulrich Franz

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