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Ein Spiel mit dem Feuer

NACHGEFRAGT

SBZ: Herr Ishorst, können Sie uns das besondere Gefahrenpotenzial bei Krankenhäusern beschreiben?

Bernd Ishorst: Ein sehr großes Gefahrenpotenzial geht von der rechtzeitigen Evakuierung des Krankenhauses aus. Es geht um Leben und Gesundheit von Patienten, Mitarbeitern und Besuchern, wobei die meisten anwesenden Personen jedoch in ihrer Mobilität stark eingeschränkt und im Brandfall nicht in der Lage sind, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Ein weiteres großes Gefahrenpotenzial ergibt sich durch hohe Brandlasten, bedingt durch brennbare Baustoffe, Einrichtungen und Gerätschaften. Im Brandfall ergeben sich je nach Werkstoff erhebliche Mengen an toxischen Brandgasen, die leider allzu häufig zum Erstickungstod führen. Die Rettung von Personen sowie der Löschangriff durch die Feuerwehr werden dadurch immer schwieriger, häufig sogar unmöglich. Die Reduzierung der Brandlasten im gesamten Objekt ist eine der wichtigsten Anforderungen bei der Realisierung des Brandschutzes in Krankenhäusern.

SBZ: Leider gibt es in Deutschland keine einheitliche Regelung für den Brandschutz in Krankenhäusern. Wie haben die Verantwortlichen da vorzugehen?

Ishorst: Die Muster-Krankenhausbauverordnung wurde durch die Argebau bereits vor Jahren zurückgezogen. Nach dem derzeitigen Stand gibt es in fast allen Bundesländern für Krankenhäuser keine Sonderbauvorschriften. In diesen Fällen sind Krankenhäuser gemäß § 2 (4) der Musterbauordnung (MBO) ungeregelte Sonderbauten ohne Sonderbauvorschrift. Die besonderen Anforderungen und Erleichterungen nach der Musterbauordnung müssen bei ungeregelten Sonderbauten in einem individuell für das jeweilige Bauvorhaben zugeschnittenen Brandschutzkonzept oder Brandschutznachweis festgelegt werden. Verfügt ein Bundesland über eine Sonderbauvorschrift für Krankenhäuser, handelt es sich nach der Musterbauordnung um geregelte Sonderbauten, für die auf der Grundlage der Sonderbauvorschrift ein Brandschutzkonzept oder Brandschutznachweis zu erstellen ist.

SBZ: Ist ein Brandschutzkonzept Pflicht?

Ishorst: Bei Sonderbauten, wie zum Beispiel Krankenhäusern, Hochhäusern, Schulbauten, in jedem Fall, egal ob geregelter oder ungeregelter Sonderbau. Diese Pflicht ergibt sich nicht nur aus den Bauvorschriften, sondern eventuell auch aus den Versicherungsbestimmungen. Das Brandschutzkonzept beschreibt die bauliche und rechtliche Situation eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage und entwickelt Vorgaben für die Brandschutzinfrastruktur und -ausstattung in Deutschland. Für Haustechnik-Fachleute gehen aus dem Brandschutzkonzept wichtige Informationen und Vorgaben für die brandschutztechnische Planung und Ausführung von Leitungsanlagen hervor, wobei die Leitungsanlagen-Richtlinien der Bundesländer zu beachten sind.

SBZ: Für den Brandschutz bei Leitungen gilt in Deutschland die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie. Handelt es sich hierbei um eine verbindliche Rechtsnorm?

Ishorst: Die Musterbauordnung (MBO) sowie die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) sollen die dem Landesrecht unterliegenden Bauordnungen und Richtlinien der Bundesländer vereinheitlichen. Sie werden ständig aktualisiert von der Bauministerkonferenz (Argebau), in der alle Bundesländer vertreten sind. Auf diesen Mustern basieren die Bauordnungen und Richtlinien sämtlicher Länder. Die Musterbauordnungen und Musterrichtlinien selbst sind kein Gesetz bzw. verbindliche Rechtsnormen. Aus Gründen der Vereinfachung und Übersichtlichkeit wird in der Regel jedoch auf die Musterregelungen Bezug genommen. Die Landesbauordnungen und Richtlinien enthalten im Wesentlichen übereinstimmende Vorschriften und unterscheiden sich nur in Details.

SBZ: Dennoch ist auch die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie im Rahmen des Bauordnungsrechts praxisrelevant, oder?

Ishorst: Die Leitungsanlagenrichtlinie (LAR) des jeweiligen Bundeslandes ist in Deutschland ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Baurechts. Einem Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts zufolge liegt die Kompetenz für das Bauordnungsrecht bei den deutschen Bundesländern. Die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie ist in den Bundesländern bauaufsichtlich eingeführt worden.

SBZ: Ist die Verwendung von brennbaren Rohrwerkstoffen der Baustoffklasse B2 in Krankenhäusern zulässig?

Ishorst: Es gibt kein generelles Verbot für den Einsatz brennbarer Rohrwerkstoffe der Baustoffklasse B2 in Krankenhäusern. Für Flucht- und Rettungswege gelten aber in jedem Fall die Anforderungen der jeweiligen Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder, das heißt Null-Brandlast in Flucht- und Rettungswegen. Generell sollten nicht brennbare Werkstoffe der Brandklasse A bevorzugt werden, da sie keine zusätzlichen Brandlasten herbeiführen und keine toxischen Brandgase entwickeln. Außerdem besteht keine Gefahr des brennenden Abtropfens.

SBZ: Herr Ishorst, vielen Dank für die interessanten Erläuterungen.

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