Die Entwicklung des Grauwasserrecyclings wurde als Maßnahme des Wassersparens durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mehrfach gefördert. Zum Tag des Energiesparens am 5. März 2022 forderte sie dazu auf, Wärmelecks in der Gebäudetechnik zu schließen und insbesondere die Potenziale des häuslichen Abwassers besser zu nutzen [1]. Denn über das oft nur 150 mm enge Abwasserrohr entweiche mehr Energie als über die gesamte Außenhülle eines gut gedämmten Mehrfamilienhauses.
„Eine dezentrale Wärmerückgewinnung aus häuslichem Abwasser kann also enorm viel Energie und Geld sparen“, sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. „Außerdem erwärmen sich Städte weniger und der CO2-Ausstoß wird vermindert. Beides dient dem Klimaschutz.“ Hinzu kommt: Wenn das Abwasser aus Badewanne, Dusche, Handwaschbecken sowie Wasch- und Geschirrspülmaschinen noch gereinigt und für die Toilettenspülung genutzt wird, kann erheblich Trinkwasser eingespart werden. „Angesichts des Klimawandels und der dadurch verursachten Trockenperioden müssen diese Potenziale verstärkt genutzt werden“, so Bonde.
Vergleichende Betrachtung in der Praxis
Bereits 2012 hat die DBU das sehr effektive und technisch wenig komplizierte Grauwasserrecycling inklusive Wärmerückgewinnung gefördert und dokumentiert: In einem Mehrfamilienhaus am Arnimplatz in Berlin wird seither Abwasser aus Badewannen und Duschen über einen Wärmetauscher geführt, um das 10 °C kalte Trinkwasser auf 25 °C vorzuwärmen. Anschließend wird es mit einem Blockheizkraftwerk auf mehr als 60 °C Endtemperatur erhitzt. Die gesparte Energie entspricht etwa einem Fünftel des Wärmebedarfs für Warmwasser.
In einem ergänzenden, von der DBU geförderten Projekt des Berliner Ingenieurbüros Nolde & Partner wurden verschiedene Mehrfamilienhäuser in Berlin und Frankfurt am Main mit Wärmerückgewinnungssystemen im Praxisbetrieb untersucht und bewertet – mit aufschlussreichen Erkenntnissen [2]. So recycelt ein im Jahr 2016 fertiggestelltes Mietshaus mit 27 Wohneinheiten in Frankfurt weniger Grauwasser als das beschriebene größere Objekt am Arnimplatz in Berlin, doch die Ausbeute an Wärme ist durch Einsatz einer Wärmepumpe pro m³ Grauwasser etwa doppelt so hoch.
Damit kann das Trinkwasser bis auf 40 °C vorerhitzt werden, was 60 % des Wärmebedarfs für das Warmwasser entspricht. Bei zusätzlicher Nutzung des Abwassers aus Waschmaschinen und einer entsprechenden Dämmung der Warmwasserleitungen sind eine weitere Annäherung an das Ziel der CO2-neutralen Warmwasserbereitung und ein deutlich höherer Beitrag zur Wärmewende möglich – insbesondere, wenn der Strom für die Wärmepumpe zur weiteren Erhöhung der Warmwassertemperatur auf 60 °C aus der eigenen Photovoltaikanlage stammt [3].
Ein weiteres Ergebnis der Projektstudie ist, dass in öffentlichen und privaten Gebäuden in Deutschland etwa 40 % des Gesamtenergieverbrauchs für Heizung, Warmwasser und Beleuchtung verwendet werden. „Dies sind fast 20 % des gesamten CO2-Ausstoßes in Deutschland“, sagt Erwin Nolde, Projektleiter und geschäftsführender Gesellschafter des Ingenieurbüros. Von den 40 % entfällt nach seinen Angaben mehr als die Hälfte auf Wohngebäude – und damit ein beachtlicher Teil auf die Trinkwassererwärmung.
Ein ganz besonderes Projekt
Im internationalen Vergleich liegen Deutschland und England beim Wasserrecycling im Wohnungsbau vorne. Doch mit der siebengeschossigen Apartmentanlage für Studenten ist der landeseigenen Berlinovo Immobilien Gesellschaft mbH in puncto Grauwasserrecycling mit Wärmerückgewinnung ein besonders großer Wurf gelungen. Das Objekt in Berlin-Pankow ist nach Fertigstellung der vergleichenden Studie entstanden und deshalb darin nicht enthalten.
Generalunternehmerin war die Lechner Immobilien Development GmbH, Teil der Lechner Group. Das Frankfurter Unternehmen belegte bereits 2018 den ersten Rang im Bundeswettbewerb „Serielles und modulares Bauen“. Die Module für das Apartmenthaus in Berlin-Pankow wurden in der Deutschen Modulhausfabrik GmbH, einem weiteren Teil der Lechner Group, zu 90 % vorgefertigt und teilmöbliert auf die Baustelle gebracht und montiert [4]. Dadurch konnte z. B. das zweite Leitungsnetz für die Sammlung von Grauwasser und die Verteilung von Betriebswasser bereits im Herstellerwerk in die Leitungsschächte der Modultypen optimal integriert werden.
Insgesamt ist das Objekt auf 442 Bewohner ausgelegt. Es besteht überwiegend aus Einzimmerwohnungen mit 16 m² Fläche, einige der 399 Apartments haben die doppelte Größe und werden an Zweipersonenwohngemeinschaften vermietet. Nutzungsart und Bewohnerdichte sind mit denen eines Hotels vergleichbar. Damit ist, bezogen auf die Gesamtfläche des Gebäudes, der Trinkwasserbedarf sehr hoch. Das bedeutet, Wassersparmaßnahmen sind hier nicht nur sinnvoll, sondern zahlen sich auch aus – vor allem, wenn gleichzeitig Wärme zurückgewonnen wird und die Bewohner zudem keinerlei Einschränkungen spüren.
Die täglich aus den Duschen und Handwaschbecken anfallende Menge an Grauwasser ist in dem Objekt höher als der tägliche Bedarf für die Toilettenspülungen – und das unabhängig vom Grad der Belegung. Es reichen also relativ kleine Vorratsspeicher aus, denn es ist schnell und ausreichend mit „Nachschub“ zu rechnen. Auch muss die zurückgewonnene Wärme nicht lange zwischengespeichert werden, sodass insgesamt optimale Verhältnisse für ein rentables Recycling vorherrschen [5]. Der Überschuss an aufbereitetem Grauwasser, Betriebswasser genannt, wird dabei als Abwasser abgeleitet, da kein weiterer Bedarf besteht. Er könnte allerdings auch zur Bewässerung von Außenanlagen oder Gründächern oder für Waschmaschinen genutzt werden.
Vielseitige Einsparungen von Anfang an
Da Studenten in der Regel eher für kürzere Zeiträume eine Unterkunft benötigen, rechnet Berlinovo eine monatliche Brutto-Warmmiete ab, die Nebenkosten wie Warm-, Kalt- und Abwasser pauschaliert beinhaltet. Durch die finanziellen Einsparungen bei Wasser (für Toilettenspülung) und Energie (für Warmwasserbereitung mit Fernwärme) ist die Vermieterin in der Lage, ihre Apartments günstiger als der Wettbewerb anzubieten.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Grauwasseraufbereitung in der Planungsphase zum Erreichen eines höheren Energiestandards, hier z. B. BEG-Effizienzhaus 55, anzusetzen. Ist damit ein Zuschuss verbunden, darf dieser zum Teil in die Amortisation der Grauwasseranlage eingerechnet werden. Doch selbst wenn das Gebäude nicht auf Nachhaltigkeit zertifiziert ist, steigt der Verkehrswert für mehrere Jahrzehnte deutlich, denn die Betriebskosten bleiben kontinuierlich niedrig.
Schon zu Beginn mit einer Belegung von 40 % erwirtschaftete die Anlage fünf Mal mehr Energie, als zum gesamten Betrieb des Recyclings erforderlich ist. Das spart bei der Trinkwassererwärmung stetig 20 % Energie. Pro Person ist der Frischwasserbedarf um 30 % gesunken und damit auch die Trink- und Abwassergebühren. Eine detaillierte Auswertung der tatsächlichen Einsparungen erfolgt nach einem Jahr Regelbetrieb bei voller Belegung des Hauses, voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023.
Bevorzugte Aufbereitungstechnik
Erwin Nolde ist spezialisiert auf die Planung objektbezogener Anlagen. Er realisiert diese in Zusammenarbeit mit Rudi Büttner, Inhaber der Lokus GmbH, der die Technik installiert. Beide bevorzugen für die Grauwasseraufbereitung das Wirbelbettverfahren, das wenig Energie ebenso wie wenig Wartung benötigt und sich seit mehr als 20 Jahren bei unterschiedlichen Objekten als sehr robust erwiesen hat.
Die Reinigung des Grauwassers erfolgt hier in einem vollautomatischen, mehrstufigen und geschlossenen Recyclingprozess ohne chemische oder biologische Zusätze. Das so entstandene Betriebswasser darf in Deutschland zur Gartenbewässerung, Toilettenspülung oder für die Waschmaschine verwendet werden.
Seit 2011 wenden Nolde und Büttner in der Abwasseraufbereitung zusätzlich IoT (Internet of Things) an. Dabei kontrolliert sich die Anlagensteuerung selbst und meldet Unregelmäßigkeiten per E-Mail oder SMS an den Betreiber. Die vernetzten Geräte stellen über das Internet eine Schnittstelle zur Verfügung, über die sie sich von einem beliebigen Ort aus bedienen und steuern lassen. Dadurch ist es laut Nolde möglich, die Recyclingerträge deutlich zu erhöhen und den Wartungsaufwand zu senken.
An die Haustechnikplaner gerichtet appelliert Nolde, die gewonnene Wärme bereits in der Wärmemengenberechnung zu berücksichtigen. „Falls, wie für das Studentenwohnheim von uns errechnet, bei Vollbelegung täglich 120 kWh zurückgewonnen werden, würde das eine solarthermische Anlage mit 120 m² ersetzen, deren Fläche dann z. B. für Photovoltaik zur Verfügung stünde.“
Spezifische Anlagendetails
Das warme Grauwasser aus den Duschen wird mithilfe eines Siebes zunächst von störenden Stoffen befreit, bevor die Wärme nach dem dreistufigen Grauwasserpuffer zum ersten Mal daraus entzogen wird. Sieb, Wärmeübertrager und Behälter reinigen sich bei Bedarf automatisch. Die gewonnene, in die Trinkwasservorerwärmung übertragene Wärme wird an das Kaltwasser abgegeben, kurz bevor dieses zur Warmwasserbereitung gelangt.
Das abgekühlte Grauwasser wird weiter durch die vierstufige biologische Aufbereitung gepumpt. Diese besteht aus den mit Schaumstoffwürfeln bestückten Wirbelbettreaktoren, wo Bakterien, die sich in der Anfangsphase selbst auf den Würfeln ansiedeln, die organische Schmutzfracht oxidativ und rein biologisch abbauen, während von unten lediglich Luft zugeführt wird. Dabei sich absetzende partikuläre Substanzen werden mechanisch ausgeschleust.
Der letzte der „Reaktoren“ klärt das Grauwasser auf einen Rest-BSB-Wert von unter 5 mg/l. Der nachgeschaltete Sandfilter erzielt Trübungswerte unter 0,5 NTU (bei Trinkwasser beträgt der Grenzwert lediglich 1 NTU). Nach dieser Endreinigung gelangt das ehemalige Grauwasser über einen zweiten Wärmetauscher und die UV-Desinfektion als sogenanntes Betriebswasser in den sechsteiligen Vorratsspeicher und wird von dort nach Bedarf über eine Druckerhöhungsanlage mit 5 bar zur Toilettenspülung an die 399 Apartments abgegeben.
Zusammenfassung der Erkenntnisse
Die Auswertung realisierter Projekte mit den rein biologisch arbeitenden Wirbelbettanlagen kam zu folgenden Ergebnissen:
Info
Anlagenplanung und Auswahl geeigneter Objekte
Grauwasserertrag, enthaltene Wärmeenergie sowie Betriebswasserbedarf unterliegen nutzerbedingt und jahreszeitlich Schwankungen. Die Anlagenplanung muss deshalb objektspezifisch von einem erfahrenen Büro durchgeführt werden. Grauwasserrecycling ist insbesondere dort lukrativ, wo viele Bewohner in mehrgeschossigen Gebäuden untergebracht sind – so etwa in Hotels, im Wohnungsbau oder in Wohnheimen. Zu den weiteren Voraussetzungen für Wasserrecycling mit Wärmerückgewinnung gehören:
Beides gelingt am besten im Neubau und bei der Kernsanierung.
Für Wasserrecycling mit integrierter Wärmerückgewinnung gibt es auch Contracting-Modelle, die bereits praktiziert werden. Sie funktionieren ähnlich wie das
Wärmeliefer-Contracting in der Heiztechnik.
Quellen und Regelwerke
[1] Pressemitteilung der DBU: Wärmelecks in der Gebäudetechnik schließen. 4.3.2022. www.dbu.de/123artikel39316_2442.html
[2] Nolde & Partner: Dezentrale Wärmerückgewinnung aus Grauwasser – Erprobung, Optimierung und Monitoring verschiedener Technologien an unterschiedlichen Standorten. Abschlussbericht des DBU-Projekts AZ 34056/01. Berlin, 2021.
www.dbu.de/projekt_34056/01_db_2848.html
[3] Nolde, E.: Grauwasser. Eine Ressource mit sehr viel Potential. In: fbr-wasserspiegel 4/21. Hrsg.: Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V. (fbr). Darmstadt, 2021
[5] Video: Grauwasser-Recycling mit Wärmerückgewinnung für 450 Appartements in Berlin. 9.5.2022. www.youtube.com/watch?v=XmOWOSikr_s