SBZ: Herr Fichtel, dezentral oder zentral – das ist immer wieder die berühmte „Gretchenfrage“ in der Lüftungsbranche. Wie sieht es bei Ihnen in der Praxis aus? Wann empfehlen Sie ein dezentrales bzw. zentrales Lüftungssystem?
Walter Fichtel: Wir raten unseren Kunden grundsätzlich immer – soweit realisierbar – zu einem zentralen Komfort-Lüftungssystem. Denn damit kann ich eine komplett abgestimmte Belüftung der gesamten Wohneinheit sicherstellen und auch eine optimale, effiziente Wärme- und Feuchterückgewinnung gewährleisten.
Dezentrale Lüftungslösungen installieren wir, wenn eine zentrale Lüftung baulich nicht möglich oder das Budget sehr begrenzt ist. Für eine Qualifikation zur KfW-Förderung wird zurzeit vom Markt oft nach dezentralen Lüftungsgeräten gefragt, weil diese verhältnismäßig einfach einzubauen und kostengünstig sind. So erkläre ich mir auch den gerade herrschenden Boom im Bereich dezentrale Lüftung.
SBZ: Die DIN 1946-6 fordert für den Neubau und unter gewissen Bedingungen auch für Modernisierungsprojekte die Erstellung eines Lüftungskonzepts. Wie gehen Sie da ran?
Fichtel: Für uns muss die Wohnraumlüftung immer sowohl dem Wohlbefinden der Bewohner als auch dem Schutz und Werterhalt des Gebäudes dienen. Jeder Gebäudetyp hat einen gewissen „Lüftungsanspruch“. Dieser hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, zum Beispiel der Gebäudeart und dem Standort. Es gilt, die unterschiedlichen Mindestluftmengen zu berechnen, bezogen auf normative Zuluft- und Ablufträume und die Anzahl der Bewohner. Außerdem muss man in Absprache mit dem Kunden abwägen, was das jeweils optimale Lüftungssystem ist.
Sobald das geklärt ist, holen wir die Planungsabteilung des Herstellers mit ins Boot. Wir arbeiten hier mit Zehnder zusammen. Gemeinsam wird entschieden, welches Lüftungsgerät am besten zu den berechneten Anforderungen passt. Zudem erhält man so auf Basis des Gebäudegrundrisses auch einen Vorschlag zur Verlegung der Luftverteilung. Beides trägt zur Planungssicherheit bei, erleichtert den Arbeitsalltag und spart Zeit.
SBZ: Bei der Montage eines zentralen Lüftungssystems stellt sich immer die Frage, wo im Raum die Zu- bzw. Abluftöffnungen installiert werden sollen. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?
Fichtel: Zu- und Ablufträume sollten immer bereits im Vorfeld definiert sein. Zum Beispiel sind Bad und Küche durch die dort regelmäßig anfallende Luftfeuchtigkeit automatisch als Ablufträume einzuplanen, wohingegen Wohn- und Schlafräume klassische Zulufträume sind.
Die entsprechenden Luftöffnungen platziert man immer so, dass der ganze Raum durchströmt ist. Das bedeutet: nicht in der Nähe der Tür, sondern lieber im hinteren Teil des Raumes.
Um Zugerscheinungen zu vermeiden, sollte zudem darauf geachtet werden, dass Ventile und Gitter nicht in der Nähe von sensiblen Bereichen wie Betten oder Sitzgelegenheiten installiert werden. Bei der Positionierung ist aber auch immer Spielraum, um auf Kundenwünsche einzugehen.
Die richtige Platzierung der Sensorik ist auch ein wichtiges Thema: Für mich sind CO2-Sensoren im Schlafraum unerlässlich. Diese senden ein Signal an das Lüftungsgerät, wenn sich die Luftqualität – zum Beispiel nachts im Schlafzimmer – erheblich verschlechtert. Dann steuert das Gerät ganz von allein gegen, ohne dass der Bewohner etwas davon merkt oder eingreifen muss.
Außerdem empfehle ich immer auch Feuchtesensoren im Bad. Diese sind eine effektive Möglichkeit, um erhöhte Feuchtigkeitslasten und damit Schimmelbildung zu vermeiden.
SBZ: Wie gehen Sie mit Vorbehalten der Kunden bezüglich des hygienisch einwandfreien Betriebs der Lüftungssysteme um?
Fichtel: Ich nehme die Bedenken des Kunden natürlich immer sehr ernst. Im nächsten Schritt versuche ich diese aber dann zu entkräften, weil diese Vorbehalte unbegründet sind. Ich argumentiere zumeist mit der hygienischen und glatten Innenoberfläche der Lüftungsrohre von Zehnder. Diese verhindert, dass sich in den Rohrleitungen Staub oder sonstige Verschmutzungen festsetzen können. Dazu kommen die hohen Vorsichtsmaßnahmen bei der Installation.
Das sorgfältige Verschließen der einzelnen Bauteile des Luftverteilsystems während der Bauphase stellt sicher, dass keinerlei Schmutz in das System gelangen kann. Die eingebauten Filter und die Vorgabe, dass wir bestimmte Rohrlängen aus Hygienegründen nicht überschreiten dürfen, beugen Verschmutzungen im laufenden Betrieb vor und erweisen sich daher immer als ein sehr hilfreiches Argument. Außerdem lässt sich das Luftverteilsystem ja auch jederzeit einfach reinigen.
SBZ: Ein weiteres wichtiges Thema ist zu trockene Luft im Winter. Wie gehen Sie damit um?
Fichtel: Trockene oder zu feuchte Luft ist wirklich ein ernst zu nehmendes Problem, besonders in modernen Häusern mit zunehmend luftdicht gedämmten Gebäudehüllen. Wir empfehlen daher grundsätzlich den Einbau eines Enthalpiewärmetauschers, der neben hohen Wärmerückgewinnungsgraden auch die Feuchterückgewinnung ermöglicht, die im Übrigen zu 100 % hygienisch erfolgt.
Für mich ist aber zugegebenermaßen die Energieeffizienz hinter einem gesunden Raumklima eher ein zweitrangiges Thema. Das richtige Level an Luftfeuchte sorgt für Behaglichkeit in den eigenen vier Wänden, ohne trockene Schleimhäute und gereizte Augen, aber auf der anderen Seite auch ohne Schimmelrisiko.
SBZ: Zum Schluss noch eine allgemeine Frage. Was sind aus Ihrer Praxiserfahrung heraus die hauptsächlichen Beweggründe der Kunden, sich für eine Wohnraumlüftung zu entscheiden?
Fichtel: Das kann ich Ihnen in einem einzigen Satz zusammenfassen: Den Kunden ist vor allem eine gute Luftqualität wichtig, eine gute Energiebilanz und außerdem die Vermeidung von händischem Lüften sowie der Schutz vor Feuchte und damit auch vor Schimmelbildung.