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Interview

Sehnsucht nach Nähe?

SBZ: Allerorten ist in der SHK-Branche die Rede von stabilen Umsatzzahlen und besonders im Handwerk von einem dicken Polster beim Auftragsvorlauf. Das heißt doch im Klartext: Wir sind gut durchs Corona­jahr 2020 gekommen, oder?

Hans-Arno Kloep: Stimmt! Mehrheitlich ist die SHK-Branche gut durch das Jahr 2020 gekommen. Krise funktioniert definitiv anders. Das SHK-Handwerk hatte im vergangenen Jahr dauerhaft gut zu tun und nur überschaubare und lösbare Probleme mit den Einschränkungen, die die Coronakrise erzwungen hatte. Ich vermute, dass wir das zurückliegende Jahr im Branchendurchschnitt mit einem Plus von 6 bis 8 % abgeschlossen haben. Wobei die Heizungsseite erfolgreicher war als die Sanitärseite.

SBZ: Aber es gab doch nicht nur Gewinner. Wen oder was würden Sie zu den großen Verlierern zählen?

Kloep: Na ja, Herr Jäger, richtige Verlierer gab es meiner Einschätzung nach nicht. Allerdings hatten ein paar Bereiche der Branche mit größeren Hindernissen zu kämpfen. Bei den Sanitärherstellern gab es teilweise Verschiebungen bei den Marktanteilen, weil Handwerker wegen Lieferproblemen mancher Hersteller auf Alternativen wechseln mussten. Beim Großhandel gab es eine ähnliche Bewegung. Wer nicht liefern konnte, hat Kunden und Marktanteile an Wettbewerber verloren. Im Handwerk ist es für ein paar Unternehmen im Sommer nicht so gut gelaufen, weil die Kunden der Corona-Angst wegen Monteure für Reparaturarbeiten nicht in ihre Wohnung gelassen haben. In Summe war das aber alles nicht dramatisch.

SBZ: Welche Entwicklungen hat Corona unerwartet beschleunigt?

Kloep: Sie wollen jetzt wahrscheinlich das Wort „Digitalisierung“ hören. Tut mir leid Herr Jäger, dem war aber nicht so. Die Branche ist weiterhin lieber analog als digital unterwegs. Den größten Effekt hat Corona auf das Geschäftsmodell der Heizungshersteller. Über die Wärmepumpe haben die nämlich erfolgreich ein Geschäftsmodell eingeführt, nach dem Motto: „Wir verkaufen die Ware UND den Service im Paket.“

SBZ: Wirtschaftsweise warnen vor einer Pleitewelle, die der ausgesetzten Insolvenz-Meldepflicht folgen soll. Wen trifft’s in der SHK-Branche?

Kloep: Stimmt! Die deutsche Wirtschaft ist voller Zombiefirmen, die eigentlich schon tot sind, aber noch nicht zum Amtsgericht mussten. In der SHK-Branche haben wir solche Firmen eher nicht, aber es besteht die Möglichkeit, dass ein paar Betriebe mitgerissen werden, wenn ihre Kunden letztlich final pleitegehen. Für den einzelnen Betrieb ist das dann nicht schön, für die Branche aber ohne große Verluste verschmerzbar.

SBZ: Auch wenn Sie es anders sehen, im Bereich Digitalisierung hat sich im Coronajahr enorm viel entwickelt. Der Außendienst schaltet sich per Webkonferenz ins Büro des Handwerksunternehmers; statt Produktpräsentationen oder Schulungen beim Hersteller/Großhändler vor Ort gibt es jetzt Webinare am laufenden Band. Branchentreffs und Messen werden zunehmend digital abgebildet. Sogar ganze Messestände können per Mausklick entdeckt werden. Mal spaßeshalber gefragt: Werden wir demnächst von Maschinen beherrscht?

Kloep: Ja, von der Kaffeemaschine im Homeoffice! Aber im Ernst, ich glaube nicht, dass wir beide – also Sie, Herr Jäger, und ich – vor unserem Eintritt in die Rente die völlige Digitalisierung der Branche erleben werden. Unsere aktuelle Marktforschung zeigt, dass das Handwerk durch die Coronakrise ein wenig Prozessketten-bewusster geworden ist, aber die neue Wahrnehmung führt nicht zu einem Digitalisierungsschub. Wir dürfen nicht vergessen, dass mindestens ein Drittel der Handwerksbetriebe in einem Alter ist, bei dem man auch ohne Digitalisierung mit seinen Stammkunden noch nette Geschäfte machen kann.

SBZ: Wie gut kommt das SHK-Handwerk mit der massiven Zunahme an digitaler Kommunikation und Produktpräsentation zurecht?

Kloep: Es ist genervt. Das Handwerk wird digital bombardiert. Dabei sind die Inhalte, mit denen man sie überschüttet, leider nicht die, die vom Handwerk gesucht werden. Fast alle, die dem Handwerk etwas verkaufen wollen, übersehen, dass das Handwerk analog unterkuschelt ist. Den Handwerkern fehlt physischer Kontakt, neudeutsch Face to Face, alles andere kann man in diesen guten Zeiten missen. Wer braucht schon einen digitalen Regenschirm, wenn die analoge Sonne scheint?

SBZ: Und, rechnet sich der Aufwand eigentlich für die Anbieterseite?

Kloep: Das kann ich nur schwer abschätzen. Ich vermute mal, eher nicht. Die Branchenkommunikation in der Fachschiene ist ein intelligenter Mix von analogen und digitalen Formaten. Das Digitale kann das Analoge nicht völlig ersetzen, damit bleibt die Grundstruktur der Kommunikationskosten relativ konstant.

SBZ: Was will das Handwerk denn überhaupt?

Kloep: Ganz einfach, 1) nicht genervt werden; 2) persönlichen Kontakt; 3) Services, die den eigenen Betrieb entlasten; 4) einen digitalen „Vorkoster“.

SBZ: Ist das nicht auch eine Generationenfrage? Jungunternehmer sind da sicher offener als die Mittsechziger?

Kloep: Ja, aber man kann den älteren Kollegen keinen Vorwurf machen. Die Betriebe sind im Cash-Cow-Modus. Viele Handwerker können nachvollziehbar eine Digitalisierung ihres Unternehmens ablehnen, weil die Kosten den möglichen Benefit in der Restlaufzeit des Unternehmens überschreiten.

SBZ: Zurück zum digitalen „Vorkoster“. Wäre nicht eine Art Qualitätssiegel für Onlineangebote angebracht? Ein Signet, das zeigt: Hier lohnt es sich für Handwerker, Zeit zu investieren und dranzubleiben?

Kloep: Ja, definitiv. Das haben wir Anfang 2020 dem ZVSHK als zukünftige Leistung vorgeschlagen. Der Branche fehlt eine neutrale Instanz, die alle digitalen Konzepte ganzheitlich bewertet und dem Handwerk die Vor- und Nachteile einer angebotenen Lösung erklärt. Im Moment ist der Großhandel aktiv, aber auch er hat nachvollziehbar eigene Interessen.

SBZ: Mal angenommen, es gäbe so ein Siegel: Würde die ISH 2021 digital es erhalten?

Kloep: Nein! Meines Erachtens hat die digitale ISH 2021 keinen Mehrwert für Handwerker. Warum soll man auf einer fremden Homepage rumturnen, wenn man sich auf den Websites der Hersteller, mit denen man zusammenarbeitet, bestens auskennt?

SBZ: Ganz allgemein betrachtet: Wenn Corona der Vergangenheit angehört, kehrt die ganze Branche dann zu „business as usual“ zurück oder geht gerade im Bereich der digitalen Kommunikation und Produktvermittlung einiges Neues in den Handwerkeralltag über?

Kloep: Es werden zwei Dinge bleiben. Erstens, das Handwerk wird zukünftig mehr in Prozessen denken. Die Abläufe der Branche werden deshalb besser durchdacht und optimiert. Zweitens, Webinare werden das neue Lehr- und Lernformat der Branche.

SBZ: Herr Kloep, vielen Dank für das gute Gespräch.

Info

Berater und Trendforscher

Gegründet wurde Querschiesser 2004, heute besteht das Team aus ca. 20 Mit­arbeitern. Inhaber und Geschäftsführer Hans-Arno Kloep war u. a. 20 Jahre als Verkaufs-, Vertriebs- oder Ressortleiter in Industrie- und Handelsunternehmen des deutschen SHK-Marktes unterwegs. Die Querschiesser-Unternehmensberatung ist ein Netzwerk von Profis aus unterschiedlichsten Feldern, die Trend­forschung und Strategieberatung praktizieren.

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