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Jenseits der Koje

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Etwa 20 km westlich der Hansestadt Bremen liegt die niedersächsische Gemeinde Ganderkesee im Landkreis Oldenburg. Hier sitzt die Manfred Rücker GmbH, ein seit 55 Jahren existierender Familienbetrieb, den Mario Rücker mit seiner Frau Silke in der zweiten Generation führt. Mit seinen Söhnen Manuel (Versorgungsingenieur) und Fabian Rücker (Elektromeister) wird der Betrieb zu gegebener Zeit in die dritte Generation übergehen.

Die drei Hauptstandbeine der Unternehmerfamilie sind die Badsanierung aus einer Hand, die Heizungssanierung und ein 24-Stunden-Kundenservice – alles hauptsächlich für den privaten Bereich. Der Betrieb ist über die Jahre kontinuierlich gewachsen und besteht aktuell aus 40 Mitarbeitern. Weiterentwicklung ist in der Firmenphilosophie der Rückers ein Grundsatzthema: „Wir sind ständig dabei, uns zu verbessern und auszuloten, was wir tun können, um mit den steigenden und wechselnden Ansprüchen der Kunden Schritt zu halten“, sagt der Inhaber.

Auf der Suche nach der individuellen Note: Die Möglichkeiten in ­Sachen Badgestaltung sind zu groß, um in ein klassisches Ausstellungskonzept zu passen.

Bild: Tece

Auf der Suche nach der individuellen Note: Die Möglichkeiten in ­Sachen Badgestaltung sind zu groß, um in ein klassisches Ausstellungskonzept zu passen.

Wann ergibt die Investition Sinn?

Mit den Jahren wurde die mitten in Ganderke­see gelegene Betriebsstätte, zu der auch ein kleiner Showroom gehörte, allmählich zu klein, weshalb das Unternehmen im September 2018 in das örtliche Gewerbegebiet umzog – mit direkter Anbindung an Bundesstraße und Autobahn. Mario Rücker: „Als wir festgestellt haben, dass es etwas eng bei uns wurde, reifte auch der Gedanke an eine richtige Badausstellung.“ Ein Gedanke, der in Rückers Fall wohlüberlegt sein musste, denn: „Durch die Nähe zu Bremen und Oldenburg könnte ich hier in kurzer Zeit in zehn verschiedene Großhandelsausstellungen fahren. Deswegen mussten wir uns überlegen: Was machen wir anders? Denn wenn unsere Ausstellung genauso aussieht wie die vom Großhandel, macht die Investition keinen Sinn.“

Und in die Großhandels­ausstellung möchte Mario Rücker seine Kunden nicht schicken, sondern ihnen ihre Wünsche selbst erfüllen: „Für den Erfolg eines Handwerksunternehmens ist Empfehlungsmarketing ein entscheidender Faktor. Und die Grundvoraussetzung dafür sind natürlich zufriedene Kunden. Deshalb erfüllen wir Kundenwünsche so perfekt es geht und setzen verstärkt auf Individualisierung und Service.“

Der individuellen Note gerecht werden

Also war klar: Die Ausstellung muss besonders sein und ansprechend wirken – nur wie? Praktischerweise ist die Schwester des Firmenchefs Gabriela Rücker selbstständige Raumausstatterin, weshalb sie bei der Gestaltung der neuen Ausstellung natürlich mit ins Boot geholt wurde, um ein Konzept jenseits der Koje zu entwerfen.

Gabriela Rücker hat viel Erfahrung im Gestalten von Shops und Showrooms und kennt sich auch auf dem Markt aus, den ihr Bruder bedient: „Unser Umfeld ist von klassischen Badausstellungen geprägt: geflieste Kojen, die fertige Bäder simulieren und wie Waschküchen wirken, die für eine Reinigung mit dem Hochdruckreiniger ausgelegt sind. Mit dem modernen Bad hat das nichts mehr zu tun. Das Bad hat heute einen höheren Stellenwert als früher. Die Kunden suchen nach einer individuelleren Note, die zu ihnen passt und mit der sie sich wohlfühlen.“

Nasszelle war gestern: Die Badgestaltung mit Tapeten, selbst im Duschbereich, ist für querdenkende Kunden eine willkommene Abwechslung zur Fliese.

Bild: Tece

Nasszelle war gestern: Die Badgestaltung mit Tapeten, selbst im Duschbereich, ist für querdenkende Kunden eine willkommene Abwechslung zur Fliese.

Flexibel auf Trends reagieren können

Das „Wohlfühlen“ sollte für einen erfolgreichen Verkaufsabschluss bereits in der Ausstellung anfangen. „Hier wollten wir das Bad anders denken“, sagen die Rückers, „wir wollten eine Atmosphäre, wo der Kunde sagt: Toll, hier könnte ich einziehen.“ Das Ergebnis ist ein Kollagenraum im freundlichen Industrie-Chic, in dem sämtliche Komponenten anschaulich und übersichtlich dargestellt sind. Alle Produktsorten können einzeln zur Hand genommen und nebeneinander aufgereiht werden, um den Kunden eine Vorstellung der gemeinsamen Wirkung zu geben. Sogar die WC-Keramiken sind an rollbaren Modulen angebracht, die sich bei Bedarf hin und her schieben lassen und ansonsten unter den charmant rustikalen Holztischen aufgeräumt sind.

„Mit dieser Art der Präsentation können wir flexibel auf neue Trends reagieren und die Produkte einfach austauschen, ohne dass komplette Kojen ‚saniert‘ werden müssen“, sagt Mario Rücker. „Kojen sind zur Anregung bei der Badgestaltung für einige Kunden vielleicht ganz hilfreich. Doch die Möglichkeiten und die Auswahl an Produkten sind größer, als ein klassisches Ausstellungskonzept zeigen kann. In Kojen wirken die Produkte immer im Gesamtbild und für viele Kunden ist es schwer, sich beispielsweise eine Armatur ohne den Waschtisch vorzustellen, auf dem sie gerade verbaut ist – diese können aber je nach Umfeld ganz anders wirken. Außerdem werden Produkte aus Kojen, die dem Kunden nicht gefallen, auch erst gar nicht in Betracht gezogen, obwohl sie sich toll zur Kombination anbieten würden. Diesen psychologischen Faktor umgehen wir, indem wir den Schwerpunkt auf die Präsentation der Produkte setzen und die Gestaltung des maßgeschneiderten Bades parallel entwickeln.“

Modulares Verkaufskonzept und Präsentationssystem

Passend zu dem modular aufgebauten Verkaufskonzept nutzt die Firma Rücker das neue Präsentationssystem Tece-Modulor. Mit dem System können die Design-Elemente des Emsdettener Haustechnik-Herstellers Tece flexibel miteinander kombiniert und bei Bedarf beispielsweise gegen Neuheiten ausgetauscht werden. Die Vor-der-Wand-Produkte des Herstellers sind wichtige Bestandteile einer architektonisch hochwertigen und durchgängigen Badplanung. Mario Rücker: „Bei Badelementen, die auf den ersten Blick unscheinbar erscheinen, wie beispielsweise WC-Betätigungsplatten, ist eine ansprechende Inszenierung umso wichtiger. Der Fokus muss beim Verkauf alleine auf dem Produkt liegen. In einer kompletten Koje könnten einzelne Elemente schon mal untergehen.“

Um die Fantasie des potenziellen Kunden weiter zu beflügeln, gibt es im Firmensitz sechs funktionierende Bäder, die alle komplett verschieden gestaltet und auch in Benutzung sind. Hier wurde zunächst rein pragmatisch gedacht: Die Bäder und WCs sind für die Mitarbeiter und Gäste der Ausstellung gedacht. Die Kunden erwartet ein Mix an Ideen und Einrichtungsstilen, angefangen beim Bad mit „Urlaubsfeeling“ bis hin zum modernen Herren-WC im Industrie-Look. „In vielen Ausstellungen gleicht ein Bad dem anderen und wir möchten eben zeigen, dass es auch anders geht – und dabei nicht nur ein aktueller Trend verfolgt wird wie in so mancher 08/15-Ausstellung.“

Mario Rücker und seine Frau Silke Rücker: „Durch die Nähe zu Bremen und Oldenburg könnte ich hier in kurzer Zeit in zehn verschiedene Großhandelsausstellungen fahren. Deswegen mussten wir uns überlegen: Was machen wir anders?“

Bild: Tece

Mario Rücker und seine Frau Silke Rücker: „Durch die Nähe zu Bremen und Oldenburg könnte ich hier in kurzer Zeit in zehn verschiedene Großhandelsausstellungen fahren. Deswegen mussten wir uns überlegen: Was machen wir anders?“

Digitaler Fragebogen für die Kunden

Doch eine alleinige Präsentation der einzelnen Elemente, kombiniert mit einigen speziellen Musterbädern und -WCs, reicht natürlich nicht aus. Um Kunden, die für Ideen offen sind und vielleicht manchmal auch nicht so genau wissen, was sie denn eigentlich wollen, auf das richtige Pferd zu setzen, hat der Geschäftsmann einen digitalen Fragebogen entwickelt, den der Kunde im Voraus zu Hause ausfüllt. Mithilfe einer Reihe Fragen, die darauf abzielen, Geschmack, Werte und Persönlichkeit des Badkäufers einzuordnen, wird dieser einem von vier „Badtypen“ zugeordnet.

Mario Rücker: „Die Typen orientieren sich an gängigen Hotelkategorien, anhand derer klar wird, was dem Interessenten wichtig ist: Legt er Wert auf modernes Design? Ist er eher der Pragmatiker? Oder ein Genießer, für den es doch noch eine Nummer gemütlicher sein darf?“ Am Ende dieses Fragebogens erhält der Kunde schon einen ersten Preis als Anhaltspunkt. Deckt sich dieser mit seinen Vorstellungen, bekommt er einen Termin zur Produktauswahl, bei dem die Ausstellung ihre Stärken ausspielt.

3-D-Modell holt Kunden emotional ab

Um das Bild vom zukünftigen Traumbad noch weiter zu formen, erarbeitet das Team von Mario Rücker in Vorleistung ein digitales 3-D-Modell, das dem Kunden bei seinem Besuch vorgestellt wird. Mario Rücker: „Wenn der Kunde ein fertiges Modell seines Bades sieht, verläuft der weitere Verkaufsprozess nicht mehr über die Preisschiene, sondern auf emotionaler Ebene. Er geht mit einem Bild im Kopf nach Hause – und von dort geht es auch nicht mehr so einfach weg.“

In der Ausstellung werden die einzelnen Elemente und Materialien ausgewählt, zusammengestellt und das Modell verfeinert. Die präsentierten Artikel, an denen der Kunde Gefallen gefunden hat, werden in das Modell eingepflegt, sodass ein realitätsnahes Bild entsteht. Im Folgetermin wird dem Badkäufer dann der finale Preis genannt und der Verkauf wird in der Regel zum Abschluss gebracht. Mario Rücker: „Dank unserem kojen­losen Konzept wird der Kunde nicht von vorkonfektionierten Vorstellungen erdrückt. Er behält die Kontrolle über seine Vorstellung vom neuen Bad. Das kommt gut an und unser Kunde ist zufrieden.“

Mit Tece-Modulor können die Design-Elemente von Tece flexibel miteinander kombiniert und bei Bedarf beispielsweise gegen Neuheiten ausgetauscht werden.

Bilder: Tece

Mit Tece-Modulor können die Design-Elemente von Tece flexibel miteinander kombiniert und bei Bedarf beispielsweise gegen Neuheiten ausgetauscht werden.

INFO

SBZ-Serie: Ausstellungen im Handwerk

Für die SBZ-Serie „Ausstellungen im Handwerk“ hat sich die Redaktion ungewöhnliche und bemerkenswerte Ausstellungskonzepte in SHK-Handwerks­betrieben angeschaut und stellt einige davon in den kommenden Ausgaben vor. In der SBZ 8-2020 ist ein Beitrag über ein „offenes Ausstellungskonzept mit Raummodulen“ erschienen.

Weitere Artikel ­folgen, also: am Ball bleiben!