Ein neues Bad muss nicht nur funktionieren, es soll begeistern, attraktiv sein und gefallen. Die Farbwahl und -beratung im Vorfeld ist dafür ein wesentlicher Aspekt. Das sollte man nicht dem Maler überlassen, es wäre ein großes Risiko, da er nun mal kein Badexperte ist. Auch der Kunde ist Laie auf dem Gebiet. Er ist nicht sicher, ob und welche Farbe für eine Investition in der Größenordnung eines neuen Badezimmers angemessen ist. Vielleicht hat er noch die erbsengrünen Fliesen seiner Eltern oder das Waschbecken in Bahama-Beige aus den 1970er-Jahren als abschreckende Beispiele vor Augen (Bild 1)? Kein Wunder, dass die Chromophobie, also die Angst vor der Farbe, ausgeprägt ist. Nicht nur für diese Fälle gibt es mittlerweile sogar einen ganz speziellen Fächer mit Farben für Sanitärobjekte (Bild 2).
Farbtrends im Wandel der Zeiten
In den 1960er- und 1970er-Jahren hat man tief in den Farbtopf gegriffen. Seitdem haben sich die Präferenzen immer wieder deutlich geändert, bis alles zunächst beige und dann weiß wurde, um nur ja keinen Fehler zu machen. Im Interieur gab es nach Weiß vorübergehend eine große Rotwelle, ehe Limettengrün zwischen 2000 und 2010 auf den Spitzenplatz in der Rangliste der Farbenindustrie kletterte. Anschließend wurde es wieder ruhiger um die Farbe, und eine große unbunte, also graue Welle überrollte uns. Parallel dazu kam Puderrosa ins Spiel und gewann im Marketing eine starke Bedeutung. Für große Flächen und langlebige Badkeramik ist es aber natürlich den meisten Kunden zu süßlich und zu einseitig, weil zu feminin.
Erbsengrün, Amazonas und Limette wurden durch Salbei und Eukalyptus abgelöst, zwei nun schon seit längerer Zeit gefragte Nuancen, die hell und dezent sind. Naturnah statt grell entsprechen sie seit Jahren unserem Zeitgeist. Sie fehlten in kaum einer Dekoration der Aussteller auf den internationalen Möbelmessen und haben es auf die Fronten der Einbauküchen geschafft. Aber nicht nur kurzlebige Deko und Textilien, sondern auch Wandfarbe und langlebige, hochwertige (Bad-)Möbel müssen vor allem eines: Nachhaltigkeit ausdrücken. Und wie funktioniert das besonders gut und offensichtlich, wenn nicht durch den cleveren Einsatz der Farbe Grün in der richtigen Nuance? Hier schließt sich mittlerweile sogar der ein oder andere Hersteller von Einbauelementen im Bad an. Besonders trendorientiert ist der frisch überarbeitete salbeigrüne Einbauwaschtisch von Bette. Dort heißt er Evergreen und wird gezeigt in Kombination mit dunkelgrauem, fein gesprenkeltem Mineralgussobjekt und wasserabweisendem Wandanstrich (Bild 3).
Außer Amazonas hat Terrakotta ein völlig neues Eigenleben entwickelt. Jahrzehntelang war es als altmodisch verschrien, bevor es Mitte 2021 in strahlendem Glanz als porenfreie Duschfliese Bette-Air aus glasiertem Titan-Stahl wieder in Erscheinung trat. Besonders ausdrucksvoll ist diese Duschfläche kombiniert mit mattschwarzer Armatur auf einem Wandanstrich, der perfekt auf die Farbe, nämlich das Terrakotta, abgestimmt ist. Umgeben wird das Ensemble von elegantem, mehrfarbigem Terrazzo mit extrem großen Einsprengseln. „Carneol“ heißt das neue Terrakotta in diesem Fall, die Duschfliese ist allerdings auch in 30 anderen Farben erhältlich (Bild 4).
Farbdesign als (Beratungs-)Chance begreifen
In Badausstellungen wird das Thema Farbe meist etwas stiefmütterlich behandelt. Schade, wie ich finde, da es eine große Chance für das Beratungs- und Verkaufsgespräch mit dem Kunden darstellt. Das Thema Farbdesign nicht zu nutzen, ist eine verschenkte Chance. Farbe beeinflusst in starkem Maße die Stimmung, prägt die Präferenzen von Kunden und kann die Kaufentscheidung in vielen Bereichen lenken (Bild 5). Die Kundschaft ist heutzutage anspruchsvoll und informierter als je zuvor, nicht zuletzt auf dem Gebiet von Farbtrends und Badgestaltung. Kunden haben viel gelesen und recherchiert, aber nicht unsere Erfahrung und sind daher verunsichert. Wenn wir also überzeugen wollen, müssen wir unsere Kompetenzen stärken, geschickt einsetzen und auch zum Thema Farbtrends die Nase vorn haben. Das heißt nicht, dass es für jeden Interessenten kunterbunt wie im Kindergarten zugehen soll, aber wenn ein Kunde Farbe mag und unsicher ist, müssen wir darauf vorbereitet sein, ihm fachkundig weiterzuhelfen. Dafür gibt es ein großes Angebot an Farbfächern und -systemen sowie gute, übersichtliche Argumente, die man schnell erlernen kann, ohne dass man gleich Design studieren muss. Farbe hat das Potenzial, aus jedem Bad einen ganz besonderen, persönlichen Raum zu machen.
Besonders hilfreich und angesagt sind zurzeit kleine Kollektionen mit etwa 30 bis 100 ausgewählten Nuancen sowie Farbfächer mit großen Mustern. Manche haben nur eine Farbe pro Seite, sodass man sich die Nuance leichter im Raum vorstellen kann, als wenn man zehn winzige Muster pro Seite im Fächer gleichzeitig sieht und damit überfordert ist. Diese hochwertigen Farbfächer findet man nicht so oft im Baumarkt, sie eignen sich gut für Architekten, Badplaner und den qualifizierten Fachhandel, um spezielle Kompetenz schnell sicht- und greifbar zu machen (Bild 6). Seit fast einem Jahrhundert bis heute bewährt haben sich die Farben aus der Palette „Polychromie Architecturale“ nach dem Architekten Le Corbusier. Aber auch zu den Designprinzipien aus dem Bauhaus, einer der größten Design- und Architekturinstitutionen der Geschichte (und nicht die Baumarkt-Kette!), gibt es eine passende Farbkollektion. Weiter sind spezielle Fächer mit allen Nuancen um Weiß oder ein „Schwarz-Fächer“ hilfreiche Werkzeuge, die man z. B. von Caparol oder Sikkens erwerben kann, ohne gleich ein Konto aufzulösen. Der Kunde kennt diese Fächer meist nicht und ist damit leicht zu beeindrucken, weil er mit einer Farbe pro Seite für nur scheinbar einfache Farbentscheidungen um Weiß, Grau und Schwarz eine echte Hilfestellung bekommt.
Aktuelle Farbtrends
Eine klare Meinung zu Farbtrends zu haben, ist eine gute Chance aufzuzeigen, dass man informiert und auf der Höhe der Zeit ist. Seit Anfang des Jahres hört und liest man immer wieder von „Very Peri“, aber was hat es eigentlich damit auf sich? Der Name ist abgeleitet von „Periwinkle“, dem englischen Namen für unser Immergrün, aus der Botanik dem ein oder anderen auch als „Vinca Minor“ bekannt.
Die kleinen, zurückhaltenden violett-blauen Blüten des Immergrüns standen Pate für die Farbe des Jahres 2022, die das „Pantone Institute“ als einer der drei weltweit größten Farbmusterhersteller nach sorgfältiger Recherche und längerer Diskussion innerhalb seines Trendforschungsteams ausgerufen hat. (Bilder 7 bis 10). Diese Farbe passt zwar als Textil in der Mode, als Dekoration im Interieur, für Kosmetik und vielleicht auch als Wandfarbe auf einer Fläche ganz gut zum gegenwärtigen Zeitgeist, leider aber weniger für den großflächigen Einsatz im Haus oder gar im Bad.
Außer dem amerikanischen Pantone-System gibt es zwei andere wichtige internationale Farbstandards: das schwedische „Natural Colour System“ (NCS) und das deutsche RAL. (Bilder 11, 12 und 13) Die Trendvorhersagen dieser beiden Institute umfassen pro Jahr fünf bis zehn Farben für meist vier verschiedene aktuelle Trendthemen. Sie sind also wesentlich komplexer und relativ abstrakt und bekommen daher nicht so viel Aufmerksamkeit von der allgemeinen Presse. Sie werden mehr von interessiertem Fachpublikum berücksichtigt, meist von Designern und Architekten.
Während Pantone, NCS und RAL Farbstandards produzieren, Farbfächer und Muster, aber keinen einzigen Eimer Farbe liefern, engagiert sich auch die deutsche und die internationale Farbenindustrie stark beim Thema Trends. In Deutschland hat die Farbe des Jahres keine besondere Tradition, aber der große deutsche Farbenhersteller Caparol hat dennoch „Mauve“ für 2022 ausgewählt. Es handelt sich um ein Rosé, inspiriert durch die Malvenblüte: hell, freundlich und dezent, aber eben deutlich auf der femininen
Seite.
Nicht nur die Natur ist grün
Zur Beurteilung von Entwicklungen hilft auch der Blick über den großen Teich. Unter den Toptrends der amerikanischen Farbenindustrie dominieren 2022 als „Colour of the Year“ ganz klar Nuancen um Eukalyptus und Salbei, auch wenn sie hier andere Namen haben, z. B. „Evergreen Fog“. Weiter standen in den USA der „Morgendunst im Oktober“ und der „Weg des Windes“ Pate für Farben des Jahres. Bei Akzo, einem niederländischen Farbenkonzern (mit Sikkens als deutscher Tochter), wurde ein blasses Blau vom „Heiteren Himmel“ inspiriert, während das silbrige Grün des Olivenzweigs von Sigma, einer deutschen Farbenfirma mit amerikanischem Mutterkonzern, den Farbkreis Richtung Eukalyptus wieder schließt.
Gemeinsam haben die genannten Nuancen alle, dass sie hell, freundlich und zurückhaltend sind, etwas dunstig und luftig in einer Zeit, in der man nicht genau weiß, wie es weitergeht. Klarer als je zuvor ist aber, dass die Natur in einer nachhaltig geprägten Zukunft eine wichtige Rolle spielt, weshalb die hellen, vergrauten Grün-Nuancen eine sichere Wahl auch im Bad bleiben. Es muss ja nicht immer gleich das Sanitärobjekt sein, auch als Wandanstrich oder geflieste Themenwand sind leise Töne attraktiv. Warum internationale Farbenfirmen relevant sind für die deutsche Badplanung? Die Farbenindustrie recherchiert sehr gewissenhaft die globale Stimmung und die damit verbundene Farbpräferenz. Sie investiert riesige Etats in die Vermarktung der jeweiligen Farbe des Jahres, auch bei ihren deutschen Tochterfirmen. Darüber hinaus ist die Anstrichfarbe im Interieur als langlebiges Produkt natürlich näher an den Farbtrends im Bad als die kurzfristig populären Farben der internationalen Laufstege.
Wie lange hält sich eine Trendfarbe eigentlich?
In Küche, Bad und Architektur dreht sich das Trendrad langsam. Verständlich, da es sich um langfristige Investitionen handelt. Der deutsche Durchschnittsverbraucher kauft sich grob gesagt alle 10 bis 20 Jahre eine neue Einbauküche. Fassadenanstrich und Badrenovierung passieren meist auch nicht öfter. Und dann will man nicht mutig experimentieren, sondern sicher sein und genau richtig liegen. Wenn also so viele große Farbenfirmen ähnlich in der Bestimmung der aktuellen Zeitgeistfarbe liegen, was übrigens noch nicht oft passiert ist, kann man ziemlich sicher sein, dass sich dieser Trend deutlich länger als ein Jahr halten wird, die oben beschriebene Entwicklung wird also über 2022 hinaus Bestand haben.
Wem der Einsatz von Farbe für die langlebigen Objekte zu riskant ist, der kann die „Colour of the Year“ in Werbung und Deko oder als Blickfang in der Ausstellung aufgreifen, um Lust auf frischen Wind im Bad zu machen, sei es mit „Very Peri“ oder mit Eukalyptus als Evergreen. Müssen wir uns nach dem Trend richten? Man muss natürlich nicht, aber die Kenntnisnahme der grundlegendsten Ergebnisse der Trendforschung helfen, alle Chancen zu nutzen, um sowohl Kundenbad wie auch Badausstellung aktuell, attraktiv und erfolgreich zu gestalten.