Seit dem 10. April 2017 ist die Positivliste des Umweltbundesamtes (UBA) für „hygienisch geeignete“ metallene Werkstoffe für Trinkwasserinstallationen rechtsverbindlich. Doch mit der UBA-Liste 2017 hört die gesetzliche Regulierung in diesem Einsatzfeld nicht auf. „Die UBA-Liste macht klare Aussagen zur hygienischen Eignung, nicht aber zur technischen Eignung von Sanitärwerkstoffen“, erläuterte der GMS-Vorstandsvorsitzende Alexander Dehnelt in seinem Eröffnungsvortrag. „Doch nur beide Kriterien zusammen erlauben Schlüsse über die tatsächliche Einsatzfähigkeit der Sanitärlegierungen auf dem Markt.“ Dies ermögliche die UBA-Liste nur im Zusammenspiel mit Werkstoffempfehlungen, wie beispielsweise der GMS-Werkstoffliste für Kupfer-Zink-Legierungen als technischem Pendant. Mit dieser GMS-Werkstoffliste, den Werkstoff-Langzeituntersuchungen und weiteren Maßnahmen hätten die wesentlichen Ziele der GMS weitgehend Eingang in den Stand der Technik gefunden, weshalb die RAL-Gütesicherung nicht fortgeführt werde. Die Qualitätssicherung wird in die GMS-interne Arbeitsgruppe „Technischer Ausschuss“ überführt. Hierfür war der formalrechtliche Schritt notwendig, den Verein aufzulösen und neu zu gründen. Die Arbeit der GMS wird deshalb in den neuen Verein „Gesamtverband Messing-Sanitär e. V.“ übertragen.
Blick über den Tellerrand
Im Anschluss referierte Dr. Ladji Tikana vom Deutschen Kupferinstitut (DKI) über „regulatorische Trends“ auf europäischer Ebene im Umfeld von Sanitärlegierungen. Der Werkstoffexperte machte deutlich, dass die UBA-Liste lediglich eine nationale Lösung sei und zusammen mit der deutschen Trinkwasserverordnung (TrinkwV) das Endergebnis der Umsetzung der EU-Trinkwasserrichtlinie in Deutschland. Dr. Tikana erwähnte zudem die 4-Member-States(4MS)-Initiative, unterstrich aber, dass dies nur Lösungen einzelner EU-Mitgliedstaaten seien. Er forderte, die Regulierung nach 4MS-Vorbild als EU-Verordnung für alle Mitgliedstaaten zu implementieren. Der DKI-Experte betonte, dass es neben der TrinkwV und UBA-Liste einige weitere gesetzliche Regelungen gebe, die den Sanitärmarkt betreffen können. Beispielsweise sei dies die CLP-Verordnung von 2016 mit der Einstufung von Blei als Gefahrstoff – dies beziehe sich allerdings nur auf die Vorstoffe (Blockmaterial), nicht auf die Erzeugnisse. Auch Cobalt sei betroffen, seit die Niederlande einen CLP-Vorschlag eingereicht haben. Die genannten und weitere regulatorische Vorgaben wurden im Anschluss intensiv diskutiert. Sie bleiben auch in den kommenden Jahren Thema des GMS-Forums und im Fokus der Aktivitäten des Gesamtverbandes.
Drohendes Chromverbot
Uwe Dietrich von Dornbracht informierte zum Stand von Regulierung und Zertifizierung in Bezug auf metallene Überzüge auf Kupferlegierungen. Damit waren insbesondere die Nickel- und Chromschicht bei verchromten Sanitärbauteilen gemeint. Der Beschichtungsexperte wies auf das Chrom-Anwendungsverbot ab 21. September 2017 auf Basis der EU-Verordnung „Reach“ hin. Durch die Aufnahme von Chrom VI in Anhang 14 des Dokumentes sei der Einsatz des Materials ab dem Stichtag verboten, es sei denn, Hersteller stellten einen Antrag auf Weiterverwendung und dieser werde von behördlicher Seite genehmigt. Möglich seien Ausnahmegenehmigungen für maximal zwölf Jahre bei Einzelanträgen von herstellenden Unternehmen, wobei jede Autorisierung mit einer Reihe von Auflagen verbunden sei, z. B. mit der Einführung von Risikomanagement-Maßnahmen. Dietrich ging zudem auf Nickel-Migrationstests ein, unter anderem auf den 26-Wochen-Test nach DIN 16058. Dieser sei aus seiner Sicht nicht geeignet, zumal sich bei vielen Testreihen gezeigt hätte, dass die Werte auch nach dem Messzeitraum sehr stark schwankten. „Zudem müssen Armaturenhersteller die Ergebnisse nach vier bis sechs Wochen vorliegen haben“, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Dietrich wies darauf hin, dass das UBA momentan an einem Entwurf für eine vereinfachte Migrationsprüfung arbeite. Abschließend erwähnte der Oberflächenfachmann, dass die EU-Behörde Echa an einer neuen Richtlinie bezüglich der „Nickelabgabe an die Haut“ arbeite.
Digitalisierung in der Branche
Stefan Wespel von Diehl Ako schloss die Vortragsreihe mit seinem Referat zu „Industrie 4.0 in der Praxis“. Der Maschinenbau- und Digitalisierungsexperte berichtete vom Allgäuer Diehl-Werk in Wangen auf dem Weg zur „Fabrik des Jahres“ – eine Auszeichnung, die der Hersteller von Elektronik für „Weiße-Ware“-Haushaltsgeräte im Jahr 2015 erhalten hatte. Wespel informierte und inspirierte das Fachpublikum mit seiner Präsentation, denn er veranschaulichte deutlich, welche Optimierungspotenziale die Digitalisierung hat, wenn sie an den richtigen Stellen eingesetzt wird. So konnte das Diehl-Werk seine Produktionsprozesse in weniger als zehn Jahren so umgestalten, dass eine Produktionslinie inzwischen mit drei Mitarbeitern und einem Tag Durchlaufzeit auskommt – verglichen mit neun Mitarbeitern und fünf Tagen im Jahr 2008. Zielgerichtete Automation, ein digitales Schichtbuch, Transparenz durch Visualisierung der Produktionsprozesse auf Monitoren waren hierfür zentrale Bausteine, so der Referent – und dazu eine „Veränderungskultur“ in der Belegschaft. Der Lean-Production-Ansatz hätte bei den Mitarbeitern zunächst ein Bewusstsein geschaffen, was Qualität ist und wie sich Fehler auswirken, so Stefan Wespel. Durch konsequente KVP-Maßnahmen wurden zusammen mit der Belegschaft in der Zeit seit 2008 rund 1200 Verbesserungsideen umgesetzt – eine Umsetzungsquote von 85 %. „Ideen sind eine Win-win-Situation – der Mitarbeiter verbessert seine Situation am Arbeitsplatz und fühlt sich als Teil des Systems, und wir kreieren damit Motivation“, so das Resümee von Stefan Wespel.
Ein Gastvortrag von Urs Meier zum Thema „Du bist die Entscheidung“ rundete das Forum GMS ab. Der ehemalige WM-Schiri aus der Schweiz erläuterte anhand von Beispielen aus diversen Fußball-Endspielen wie er als Schiedsrichter unter großem Druck – teils innerhalb von Sekundenbruchteilen – wichtige Entscheidungen treffen musste, und das mehrere Hundert Mal pro Spiel. Meier, der auch als Unternehmer Erfahrung hat, zog geschickt die Analogien zum Business und animierte das Publikum, bei wichtigen Entscheidungen beherzt zu handeln, der eigenen Intuition zu folgen und „Entscheidungen auch durchzusetzen“. Klare Ziele, eine gute Fehlerkultur und Fairplay seien dabei allerdings maßgeblich.