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Ungeklärte Kupferrohrschäden

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Schon seit langem wird Ursachenforschung betrieben: Warum gibt es die Schadenshäufung im Wasserversorgungsgebiet Holsterhausen? Die betroffenen Kupferrohrhersteller arbeiten ebenso wie das Deutsche Kupferinstitut daran, eine Erklärung zu finden. Auch relevante Forschungsinstitute haben sich des Themas bereits angenommen – doch bisher ohne überzeugenden Lösungsansatz. Die ungeklärte Situation führt deshalb immer wieder zu zahlreichen Spekulationen und Falschdarstellungen über den Hintergrund der Auffälligkeiten. Insbesondere die in die Schadenfälle involvierten Verarbeiter, die teilweise um ihre Existenz fürchten müssen, suchen die Öffentlichkeit. Um Licht ins Dunkel und die Diskussion auf eine objektive und zielführende Ebene zu bringen, hatte das Deutsche Kupferinstitut nun zu einem Expertengespräch eingeladen, in dem sich Vertreter der Wasserwirtschaft, der Industrie und von Verbänden dem Problem aus einer anderen Perspektive genähert haben.

Kein bundesweites Phänomen

Um aufzuzeigen, welche Mutmaßungen zu den Ursachen kursieren, wurden in der Expertenrunde die verschiedenen Hypothesen betrachtet. Dabei stellte Dr. Anton Klassert, Geschäftsführer des Deutschen Kupferinstituts, gleich zu Beginn klar, dass eine generelle Zunahme von Schadensfällen im deutschlandweiten Bestand entgegen gelegentlich geäußerten Vermutungen nicht zu beobachten ist, weder innerhalb noch außerhalb der Gewährleistungsfristen des Handwerks. Das hat auf Nachfrage auch das Institut für Schadensforschung in Kiel sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Berlin, bestätigt.

Andreas Braun vom ZVSHK konnte diese Einschätzung unterstreichen: „Auch wir haben keine Kenntnisse darüber, dass es in anderen Regionen als im Wasserversorgungsgebiet Holsterhausen zu Schadenshäufungen gekommen ist. Es bleibt die Tatsache einer regional beschränkten ungewöhnlich hohen Anzahl von Schäden konzentriert auf einzelne Gebäude innerhalb nur eines Wasserversorgungsgebietes. Wir müssen jedoch unbedingt wissen, was hier passiert, um woanders eventuelle Schäden verhindern zu können.“

Uwe Cirkel vom schadensbetroffenen Unternehmen Grefer ergänzt dazu: „Unsere Recherche hat ergeben, dass es Holsterhausen-typische Probleme nur im bekannten regionalen Versorgungsgebiet des RWW gibt und in einem Versorgungsgebiet auf Sylt. Auch wir sehen hier ein lokal begrenztes Phänomen.“

Ameisennestkorrosion unwahrscheinlich

Doch woran liegt es? Auch die vermutete Schadensursache Ameisennestkorrosion kann aller Wahrscheinlichkeit nach ausgeschlossen werden, denn diese wurde nicht in Trinkwasserinstallationen, sondern in Wärmetauschern beobachtet. Die Ameisennestkorrosion zeichnet sich durch schnelles Fortschreiten aus. Anders als bei der Korrosion in Trinkwasserinstallationen, die sich im Verlauf mehrerer Jahre herausbildet, werden die Effekte der Ameisennestkorrosion innerhalb weniger Wochen bis weniger Monate beobachtet. Eine gängige Präventivmaßnahme ist die thermische Behandlung von z. B. Wärmetauschern zur Entfernung flüchtiger Rückstände.

Hinweis: halbharte Rohre werden im Produktionsprozess schon immer routinemäßig thermisch behandelt. Da weder weiche noch halbharte Kupferrohre auf der Innenoberfläche Ziehmittel enthalten, egal ob „neue“ oder althergebrachte, ist der Gedanke, dass sich unter ungünstigen Lagerungsbedingungen aus Ziehmittelresten organische Säuren o. ä. bilden könnten, unhaltbar. Weder sind die Voraussetzungen für eine Ameisennestkorrosion gegeben, noch passt dort die beobachtete Zeitspanne von wenigen Wochen zu den aus Holsterhausen berichteten Zeitspannen von drei bis vier Jahren.

Vertreter der anwesenden Industrie unterstrichen ergänzend, dass in Deutschland seit Jahren bewährte Reinigungsverfahren für Trinkwasserrohre angewendet werden, was bei Wärmetauschern in anderen Teilen der Welt nicht unbedingt der Fall sei. Außerdem zeigt die Lochkorrosion in Holsterhausen ein anderes Bild als sie in Wärmetauschern aufweist.

Korrosion durch falsche Lagerung?

Korrosionsentstehung während der Zeitspanne der Lagerung im Handel war in der Vergangenheit, also weder vor noch nach dem Jahr 2000 und somit der Einführung der halbharten Rohre, jemals ein Thema. Auch heute werden keine solchen Phänomene berichtet. Gespräche und Besichtigungen bei Metallhändlern lassen nicht annehmen, dass dieses Phänomen real existiert und es stünde auch mit physikalischen Grundlagen im Widerspruch, denn Kupferrohre stehen im physikalischen und chemischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung.

Das beinhaltet, dass sich natürlich bei plötzlichen Temperaturänderungen z. B. Kondenswasser insbesondere auf der Außenseite bildet. Über eine dadurch bedingte Korrosion wurde nie berichtet. „Selbst wenn man der Hypothese einer Korrosion im Lager folgen würde, wäre es abwegig, zu erwarten, dass die dort beobachtete 6-Uhr-Position sich nach Transport und Einbau im Gebäude dann wiederum in der 6-Uhr-Position wiederfinden würde“, Klassert dazu.

Auch die Expertenrunde konnte sich zu einer solchen Erklärung des Phänomens nicht durchringen. Korrosionsexperte Turkovic vom TZW Karlsruhe: „Uns ist eine solche Ursache für Korrosion überhaupt nicht bekannt und ich halte sie auch für ausgeschlossen.“

Keine Korrelation nachweisbar

Von verschiedensten Seiten wurde in Zusammenhang mit den Schäden in Holsterhausen auch die Hypothese aufgestellt, dass der Einsatz halbharter Rohre ursächlich sein könnte. Diese Rohre wurden in Deutschland im Jahr 2000 auf Wunsch des ZVSHK aufgrund ihrer besseren Verformbarkeit eingeführt. Innerhalb Europas werden halbharte Rohre jedoch traditionell in vielen Ländern schon seit mindestens Mitte des 20. Jahrhunderts flächendeckend eingesetzt. Bereits 2001 haben sie in Deutschland die harten Rohre bei den kleineren Durchmessern (Durchmesser bis zu 28 mm) im Markt verdrängt.

„Die ersten betroffenen Objekte im Raum Holsterhausen wurden jedoch erst im Jahre 2005 ausgeführt, die ersten Schadensmeldungen erreichten uns im Jahre 2007“, unterstreicht Klassert: „Wie wir festgestellt haben, ein viel zu langer Zeitabstand, sowohl für die äußerst unwahrscheinliche, innerhalb von Wochen zum Durchbruch führende ameisensäure-induzierte Korrosion als auch für eine eventuelle Ursachenvermutung im halbharten Rohr. Und darüber hinaus sind die ab 2000 bis 2005 im Versorgungsgebiet Holsterhausen installierten Anlagen, die 2000 weitestgehend und ab 2001 vollständig in halbhart ausgeführt wurden, unauffällig.“

„Unserer Meinung nach kann deshalb der Einsatz halbharter Rohre als Schadensursache vor dem Hintergrund der Fertigungstechnik wie auch der Statistik ausgeschlossen werden“, kommentiert Klassert die Diskussion dazu. „Außerdem ist die Aussage, dass nur Rohre ausschließlich im Zustand halbhart betroffen sind, falsch; es liegen z. B. auch Rohre im Zustand weich vor. Die halbharten Rohre decken jedoch die meisten Dimensionen und somit auch mit großem Abstand die Hauptmengen ab. Von daher ist es nur logisch, dass vornehmlich halbharte Rohre betroffen sind.“

Die Statistik in Deutschland zeigt zudem, dass die Schadensfälle seit 1996 stark abnehmen und zwar um fast 90 %. Die im Dorstener Raum zu beobachtende auffällige Häufung passt definitiv nicht zum Gesamtbild der Entwicklung; es muss demnach andere Ursachen geben.

Welchen Einfluss hat das Wasser?

Einen interessanten neuen Ansatz für die Suche nach der Schadensursache diskutierten die Experten mit Dr. Torsten Richter von der Firma Kurita, einem internationalen Spezialisten für die Wasser- und Prozessbehandlung industrieller Anlagen und verantwortlich für die seit Herbst 2014 durchgeführte Phosphatierung im Versorgungsgebiet Holsterhausen. Richter: „Unseres Wissens – und nach offizieller Verlautbarung des Wasserversorgers – wurde die Phosphatierung durchgeführt, weil es im Versorgungsgebiet Holsterhausen zu Trübungen gekommen ist. Dieser rein kosmetische Aspekt ist jedoch nach Trinkwasserverordnung § 11, „Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren“ kein Grund, eine Behandlung des Trinkwassers durchzuführen.“ Richter weiter: „Man muss jedoch beachten, dass sich die Trinkwasserverordnung mit rein hygienischen Aspekten beschäftigt und nicht auf korrosive Auswirkungen abzielt. Generell findet man auch nirgends absolute Aussagen über Korrosion, sondern nur über Korrosionswahrscheinlichkeiten – grundsätzlich müssen verschiedene Bedingungen zusammenkommen.“

Erstaunlicherweise konnte das Deutsche Kupferinstitut nach Einsatz der Phosphatierung einen eklatanten Rückgang der Schadensfälle beobachten, was auf einen direkten Zusammenhang zwischen Wasserbehandlung und Schäden hinweisen könnte. Das unterstreicht auch Uwe Cirkel als Geschäftsführer eines schadensbetroffenen Unternehmens: „Wir haben aktuell keine Schäden mehr.“ Richter: „Wasserwerke dosieren natürlich auch, um ihr eigenes Netz zu schützen. Selbstverständlich haben Inhibitoren dabei Wirkungen auf die eingesetzten Werkstoffe wie Kupfer. Wenn ein Wasserversorger z. B. die Behandlung durch Inhibitoren einstellt, kommt man wieder – zum Teil innerhalb kürzester Zeit – zum ursprünglichen Wasser mit allen seinen Problemen zurück. Eine Inhibitorbehandlung ist eigentlich aber eine Dauerdosierung, die allerdings nur Symptome, nicht Ursachen bekämpft.“

Rohr muss zum Wasser passen

Zum Thema Enthärtung ergänzt Turkovic: „Bei einer Umstellung von hartem auf weiches Wasser können sich z. B. die Eisenkorrosionsmechanismen verändern.“ Klassert dazu: „Die Wasserwirtschaft postuliert, dass das Rohr zum Wasser passen muss. Dieser Satz ist mit Sicherheit richtig, insoweit es nicht angehen kann, dass Trinkwässer auf ganz besondere Anforderungen eines einzelnen, gegebenenfalls neu entwickelten Rohrwerkstoffes eingestellt werden müssten. Allerdings muss man dabei beachten, dass die Trinkwasserverordnung nur gesundheitliche Aspekte beachtet, nicht das Korrosionsverhalten von eingesetzten Werkstoffen.“ Erwiesenermaßen leiden die Wasserwerke selbst in hohem Maß darunter, dass die so definierten Trinkwässer in ihren eigenen Verteilnetzen mit den verfügbaren Werkstoffen häufig nicht kompatibel (Korrosion, Schwebstoffe/Trübungen) sind. Dementsprechend werden in Deutschland etwa 50 % aller Trinkwässer nicht naturbelassen, sondern nachbehandelt an den Verbraucher ausgeliefert.

Die Experten waren sich darin einig, dass hier für die Werkstoffseite ein großes Problem liegt: Während die Wasserwerke ihre Schutzmaßnahmen für ihr eigenes Rohrnetz wechselnden Wasserqualitäten anpassen können, sind die mit diesem Wasser belieferten Gebäudeeigentümer eventuellen korrosionsverändernden Änderungen der Wasserbeschaffenheit ohne jegliche Handlungsoption ausgeliefert. „Hier muss dann umgekehrt genauso gelten“, resümiert Klassert, „dass das Wasser zum Gebäudebestand und damit mindestens zu den bereits eingebauten Hauptwerkstoffen passen muss. Nur so können der Verarbeiter und auch der Eigentümer langfristig vor Schäden geschützt werden. „Eine Forderung, die auch Andreas Braun vom ZVSHK unterschreiben konnte.

Wie verlässlich ist die Wasserqualität, die ich vom Versorger bekomme? Ein Punkt, der in einem anderen Zusammenhang nun auch im Versorgungsgebiet Nienburg weiterverfolgt werden soll, wo durch Hartlötfehler in den letzten Jahren erhebliche Schäden entstanden sind: Die zuständigen Stellen haben jetzt empfohlen, dass in einer neuen wissenschaftlichen Untersuchung die Entwicklung der Wasserqualität im Wasserwerk Drakenburg in den letzten Jahren detailliert untersucht und die bereits vorliegenden Messreihen unter dem Gesichtspunkt der Korrosionsbeeinflussung genau ausgewertet werden sollen.

Expertenpanel installieren

Die Diskussion zeigte in vielerlei Hinsicht, dass eine völlig neue Betrachtung der Vorgänge in Holsterhausen notwendig ist, wobei vorab unbedingt eine gemeinsame Datenbasis geschaffen werden muss. Dazu gehört sicherlich auch, Aspekte zu beleuchten, die bislang eher als unwahrscheinliche Ursachen gehandelt worden sind. Die Teilnehmer der Diskussionsrunde waren sich darin einig, dass eine Weiterführung der Ursachenforschung unabdingbar ist und dazu kurzfristig ein erweitertes Expertenpanel, vor allem auch um den betroffenen Wasserversorger, installiert werden sollte.

Das Deutsche Kupferinstitut hat sich deshalb bereit erklärt, so schnell wie möglich ein entsprechendes Treffen zu organisieren. „Vielleicht müssen wir komplett umdenken – und dabei jedenfalls vorurteilsfrei einsteigen und sehen, wohin der Weg uns führt“, fasst dessen Geschäftsführer, Dr. Anton Klassert, das Ergebnis der Diskussion zusammen. Alle Beteiligten hoffen, dass durch die gemeinsame Anstrengung bald eine Erklärung für die Schadensfälle im Wasserversorgungsgebiet Holsterhausen zu finden sein wird.

Zur Sache

Das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer IFS hat im Laufe der Jahre Tausende Leitungswasserschäden an allen möglichen Materialien hinsichtlich ihrer Ursache untersucht – wobei laut IFS keine besorgniserregenden Entwicklungen auftraten. Systematische Auswertungen zeigen: Die Ursachen sind vielfältig – eine einfache, allgemeine Lösung zur Vermeidung von Leitungswasserschäden gibt es nicht und wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Ein Grund können Alterungsprozesse der Leitungswasserrohre oder anderer Installationskomponenten sein, Fehler bei der Installation, Materialfehler oder falsche Betriebsbedingungen. „Leitungswasserschäden stellen ein multifaktorielles Problem dar, das sich nicht durch einen einfachen Lösungsansatz steuern lässt und ursachenseitig oft unklar sind“, so das IFS zusammenfassend – eine Aussage, die sich bei den bislang ungeklärten Schadensfällen im Versorgungsgebiet Holsterhausen leider nur zu sehr bewahrheitet. Doch Mutmaßungen bringen niemanden weiter. Das Deutsche Kupferinstitut hatte deshalb Vertreter des ZVSHK, des für Holsterhausen zuständigen Wasserbehandlers Kurita und des TZW Karlsruhe sowie betroffene Verarbeiter und Kupferrohrhersteller zu einer konstruktiven Diskussion mit der SHK-Fachpresse eingeladen, um einer Erklärung näherzukommen.