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Die Übergabe erfolgreich gestalten

Gerade in der Übergabephase von Unternehmen sieht man viele Träume und Wunschvorstellungen platzen – sowohl beim bisherigen Unternehmensinhaber und -führer, als auch bei der Person, die von ihm den Betrieb oder die Betriebsanteile sowie das Zepter übernimmt. Die Ursache hierfür ist immer seltener, dass der bisherige Inhaber des Unternehmens sich zu spät mit dem Thema Nachfolgeregelung befasste. Denn in den letzten Jahren setzte sich in Unternehmerkreisen die Erkenntnis durch: Dieser Schritt muss von langer Hand geplant sein, insbesondere dann, wenn

  • der Nachfolger nicht der eigene Sohn oder die eigene Tochter, sondern ein „Fremder“ ist und
  • der Betrieb nicht mangels Alternative „verschenkt“, sondern zu einem angemessenen Preis verkauft werden soll.

Deshalb machen sich viele Unternehmer bereits, wenn die ersten grauen Haare ihre Schläfen zieren, Gedanken darüber:

  • Was passiert mit meinem Unternehmen, wenn ich in absehbarer Zeit ausscheiden möchte? Und:
  • Wer könnte dann mein Nachfolger sein?

Dies gilt insbesondere für die Inhaber von Unternehmen, die außer von ihrer fachlichen Expertise primär von der Vertrauensbeziehung leben, die sie über viele Jahre zu ihrer Stammklientel aufgebaut haben. Denn sie können ihren Kunden nicht heute verkünden, dass diese morgen einen neuen zentralen Ansprechpartner haben. Der Nachfolger muss vielmehr in einem längeren Prozess zunächst mit dem Geschäft des Unternehmens und den Besonderheiten seiner Klientel vertraut gemacht sowie bei den Kunden eingeführt werden. Sonst ist die Gefahr groß, dass just das verloren geht, was weitgehend den Wert des Unternehmens ausmacht: die gewachsenen Beziehungen zu den Kunden.

Unterschiedliche Perspektiven bewirken Konflikte

Deshalb ist es bei besagten Unternehmen meist nötig, dass dessen bisheriger und künftiger Inhaber, nachdem die Unternehmensübergabe vertraglich wurde, noch eine längere Zeit zusammenarbeiten und gemeinsam das Unternehmen führen. Dieser Übergabeprozess erstreckt sich oft über zwei, drei Jahre und ist in der Regel für alle Beteiligten keine leichte Zeit. Denn in ihr prallen meist nicht nur zwei Generationen, sondern auch zwei unterschiedliche Perspektiven aufeinander. Während der scheidende Inhaber primär daran denkt, wie der Übergabeprozess, also die nächsten zwei, drei Jahre, gestaltet werden, stehen für den künftigen (alleinigen) Inhaber die Fragen zentral:

  • Wohin soll sich das Unternehmen mittel- und langfristig entwickeln? Und:
  • Was ist nötig, damit das Unternehmen auch nach dem Ausscheiden des bisherigen Inhabers erfolgreich im Markt agiert (und ich die finanziellen Verpflichtungen, die ich mit dem Kauf des Unternehmens einging, erfüllen kann)?

Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen resultieren unterschiedliche Prioritätensetzungen im Arbeitsalltag, woraus sich in der Zusammenarbeit häufig Konflikte ergeben.

Hinzu kommt: Alle Beteiligten müssen, wenn der Übergabeprozess eingeläutet wird, sich selbst und ihre Rolle neu definieren. So muss zum Beispiel der bisherige Inhaber, der es gewohnt ist, allein Entscheidungen zu treffen, den neuen Mit-Inhaber und künftigen alleinigen Inhaber fortan nicht nur in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen, sondern diesem auch sukzessiv die (alleinigen) Entscheidungsbefugnisse übertragen.

Konflikte verursachenemotionale Wunden

Dies fällt vielen gestandenen Unternehmern schwer, selbst wenn sie guten Willens sind. Denn sie sind mit dem Unternehmen, das sie oft über Jahrzehnte aufgebaut haben, emotional verbunden. Außerdem haben sie im Laufe der Jahre ihren eigenen Stil entwickelt, Probleme und Herausforderungen anzugehen und zu lösen. Zudem haben sie aufgrund ihrer Erfahrungen meist eine sehr dezidierte Meinung darüber, was beim Führen des Unternehmens, beim Umgang mit seinen Kunden usw. zu beachten ist. Der künftige Inhaber hingegen ist, sofern er nicht zuvor bereits Unternehmer war, in ihren Augen noch ein unternehmerisches Greenhorn, das

  • das Unternehmen sowie seinen Markt und seine Klientel noch nicht kennt,
  • sich in der Rolle des Unternehmers erst noch einfinden muss und
  • noch lernen muss, was geht und nicht geht.

Diese Grundeinstellung prägt oft unbewusst ihre Kommunikation mit dem künftigen Inhaber, was unweigerlich zu Konflikten führt. Insbesondere dann, wenn der bisherige Inhaber, real oder in der subjektiven Wahrnehmung des künftigen Inhabers, sich entsprechend auch gegenüber Mitarbeitern und Kunden äußert und so dessen Autorität untergräbt. Schleichen sich solche Kommunikationsmuster in den Umgang der Beteiligten ein, dann ist der Übergabeprozess meist nicht mehr zu steuern, mit der Konsequenz, dass die geplante Übergabe entweder ganz scheitert oder im Verlauf dieses Prozesses ein großer Teil des Unternehmenswerts vernichtet wird.

Neutraler Berater als Moderator und Wegbegleiter

Deshalb empfiehlt es sich, zu diesem Prozess einen neutralen, externen Berater hinzuziehen, der den Übergabeprozess begleitet und mit den Beteiligten die verschiedenen Aspekte bearbeitet, die mit jedem Nachfolgeprozess verbunden sind. Hierzu zählen unter anderem:

  • <b>psychologische Aspekte:</b> Welche Erwartungen habe ich als neuer beziehungsweise scheidender Gesellschafter an das Verhalten des jeweils anderen? Was ist mir als Person in dem Übergabeprozess wichtig?
  • <b>unternehmerische Aspekte:</b> Inwieweit ändert sich durch die (beabsichtigte) Übergabe die Kultur des Unternehmens, seine Marktposition? Was ist aus meiner Warte als neuer beziehungsweise scheidender Gesellschafter für eine erfolgreiche Unternehmensübergabe wichtig?
  • <b>kommunikative Aspekte:</b> Wie kommunizieren wir als neuer sowie scheidender Gesellschafter im Übergabeprozess miteinander? Wie treffen wir Entscheidungen und kommunizieren wir sie? Wie und wann informieren wir die Mitarbeiter, Kunden und sonstigen Stakeholder über die geplante Übergabe?

Über viele der vorgenannten Fragen wird in geplanten Übergabeprozessen keine explizite Verständigung erzielt. Vielmehr wursteln die Beteiligten – auch weil die Übergabe für sie Neuland ist – gemäß der Devise „Irgendwie wird es schon klappen“ so vor sich hin, bis auf beiden Seiten bereits emotionale Wunden entstanden sind, die schmerzen und ein zielorientiertes Zusammenarbeiten erschweren.

Den Prozess inruhiges Fahrwasser führen

Erst wenn sich die Situation bereits krisenhaft zugespitzt hat, suchen sie, sozusagen als letzten Notnagel, oft eine externe Unterstützung mit der Intention, den Übergabeprozess wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen. Eine solche Beratung gliedert sich meist in vier Phasen.

1. Analysephase: Der Berater interviewt in Vier-Augen-Gesprächen alle Beteiligten, also zum Beispiel den neuen und den scheidenden Gesellschafter (sowie bei Partnerunternehmen die verbleibenden Partner). Er ermittelt deren offene und verdeckte Wünsche sowie Befürchtungen. Er klärt den Konfliktstatus und bereitet die Beteiligten auf die Klärung vor – zum Beispiel, indem er bei ihnen einen Perspektivenwechsel bewirkt. In extrem zugespitzten Situationen kann ein Ergebnis der Analyse auch die Einschätzung sein: Eine erfolgreiche Unternehmensübergabe ist nicht mehr möglich. Dann bereitet der Berater die Beteiligten auf ein Klärungsgespräch vor, das auf eine würdige Trennung auf Augenhöhe abzielt.

2. Klärungsphase: In dieser Phase führt der Berater mit den Beteiligten zum Beispiel einen Workshop durch. Er klärt mit ihnen die entstandenen Konflikte und Missverständnisse und schafft den erforderlichen Raum, dass alle Beteiligten ihre wechselseitigen Erwartungen äußern. Gemeinsam erarbeiten sie, was die zentralen Erfolgsfaktoren einer Unternehmensübergabe sind und Regeln für den Umgang miteinander und erzielen ein Commitment hierüber. Zudem verständigen sie sich auf die zentralen Eckpfeiler der Übergabestrategie.

3. Planungsphase: In dieser Phase plant der Berater mit den Gesellschaftern die Details für das Umsetzen der Strategie. Er verständigt sich mit ihnen über die betrieblich notwendigen Veränderungen und entwirft mit ihnen einen Maßnahmenplan. Außerdem erstellt er mit ihnen einen Kommunikationsplan, wie und wann die Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und sonstigen Stakeholder wie Banken über die geplanten Veränderungen informiert werden.

4. Umsetzungsphase: In dieser Phase begleitet der Berater die aktuellen und künftigen Inhaber zum Beispiel mit Coachings beim Umsetzen der Maßnahmen. Außerdem schafft er den erforderlichen Rahmen, damit die Stakeholder sich regelmäßig wechselseitig Feedback geben und gegebenenfalls Strategieanpassungen und Verhaltensänderungen vornehmen. Oft erfolgt in dieser Phase auch ein individuelles Führungscoaching für den „neuen“ Chef sowie ein Coaching des alten Chefs, das ihn dabei unterstützt, „sein“ Unternehmen loszulassen und sich zurückzunehmen.

Durch ein solches Vorgehen lassen sich die meisten Nachfolgeprozesse, bei denen bereits emotionale Verletzungen entstanden sind, noch in ein ruhiges Fahrwasser führen, sodass der Übergabeprozess gelingt – auch weil der Berater eine Plattform schafft, um auch heikle, mit Emotionen behaftete Themen so zu besprechen, dass für beide Seiten akzeptable und somit tragfähige Lösungen erarbeitet werden können.

Frühzeitig professionelleUnterstützung sichern

Viel sinnvoller wäre es aber, unmittelbar nachdem (oder noch bevor) die Unternehmensübergabe vertraglich geregelt wurde, einen Nachfolgeberater zu engagieren. Denn im Übergabeprozess müssen sowohl der bisherige als auch der künftige Inhaber sich und ihre Rolle neu definieren und finden. Außerdem müssen die Akteure gemeinsam viele Herausforderungen meistern, bezüglich deren Lösung sie aufgrund ihrer Biografie und der Lebensphase, in der sie sich befinden, oft unterschiedliche Einschätzungen, Erwartungen und Bedürfnisse haben. Deshalb sind Konflikte bzw. Interessengegensätze, aus denen Konflikte resultieren, nahezu unumgänglich. Darum ist eine professionelle Prozessbegleitung unverzichtbar, wenn der Übergabeprozess gemeistert werden soll, ohne dass emotionale Wunden entstehen und ein Teil des Unternehmenswerts vernichtet wird.

Autor

Klaus Kissel ist Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales- und Managementberatung in 56182 UrbarTelefon (02 61) 9 62 36 41E-Mail: info@ifsm-online.com