Mehr als eine Million Schäden an Wasserleitungen werden jährlich von den deutschen Versicherern registriert und entschädigt. Statistisch gesehen platzt alle 30 Sekunden ein Rohr oder löst sich eine Dichtung. Mehr als 2,6 Milliarden Euro kosten allein solche Wasserschäden die Wohngebäude- und Hausratversicherer in Deutschland. Tendenz: seit Jahren steigend. Ziel des seit 1994 traditionell alle zwei Jahre stattfindenden Expertentreffens in Köln ist es, Schadenserfahrungen und daraus abzuleitende Vorkehrungen sowie Schadenminderungsmaßnahmen einer breiten Fachöffentlichkeit vorzustellen. Rund 70 Teilnehmer aus der Heizungs- und Sanitärbranche, von Planungsbüros, kommunalen Einrichtungen, Wohnungsbaugesellschaften, Brand- und Wasserschadensanierungsunternehmen sowie aus Kreisen der Versicherer wollten erfahren, welche Entwicklungen die Versicherungswirtschaft in Sachen Leitungswasserschäden zu verzeichnen hatte. Wie sehr sie an einer Trendwende interessiert ist, mag die Statistik verdeutlichen.
Im Osten deutlich weniger Wasserschäden
Mark Grusdas vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gab den Teilnehmern gleich zu Beginn der Veranstaltung einen Einblick in die Schadenstatistik des Verbandes. Demnach sind die bundesweit meisten Leitungswasserschäden in der Innen- und Südstadt von Köln zu beklagen, wo der Schadenindex 263 beträgt. Das bedeutet, hier sind mehr als doppelt so viele Leitungswasserschäden zu verzeichnen wie im Bundesschnitt, der einen Index von 100 aufweist. Auch die Städte Krefeld und Karlsruhe werden oft von Rohrbrüchen heimgesucht. In Ostdeutschland ist die Zahl der Leitungswasserschäden hingegen vergleichsweise niedrig. Hier bleibt jeder einzelne Landkreis mit einem Index 80 deutlich unter dem Bundesschnitt von 100. Eine Erklärung für den deutlichen Unterschied zwischen Ost und West sieht der GDV im unterschiedlichen Alter der Wasserleitungen. „Immerhin sind in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung viele Gebäude saniert worden. Das ist ein Grund, warum die Schäden dort im Vergleich zum Westen seltener sind“, meinte GDV-Experte Mark Grusdas.
Mehr Regeln für mehr Trinkwasserqualität
Über die jüngste Änderung der Trinkwasserverordnung und Erfahrungen mit der Gefährdungsanalyse informierte Rainer Kelbassa. Der Leiter Anwendungstechnik bei der Firma Kemper in Olpe betonte, dass die Bundesregierung mit der Veröffentlichung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) am 8. Januar 2018 und dem Inkrafttreten am 9. Januar 2018 die geänderten Anhänge II und III der EG-Trinkwasserrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt hat. Eine wichtige Neuerung sei, dass die novellierte Trinkwasserverordnung nun zum ersten Mal auch ein Einbringungsverbot für Gegenstände und Verfahren in Trinkwasseranlagen enthielte, die nicht der Trinkwasserversorgung dienen.
In diesem Zusammenhang erläuterte der Referent den Paragrafen 17 Abschnitt 7 der Verordnung, in dem es heißt: „Bei der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser dürfen nur Stoffe oder Gegenstände im Kontakt mit dem Roh- oder Trinkwasser verwendet und nur physikalische oder chemische Verfahren angewendet werden, die bestimmungsgemäß der Trinkwasserversorgung dienen. Bereits eingebrachte Stoffe oder Gegenstände, die bestimmungsgemäß nicht der Trinkwasserversorgung dienen, müssen bis zum 9. Januar 2020 aus dem Roh- oder Trinkwasser entfernt werden. § 17 Abs. 7 Satz 2 der neuen Trinkwasserverordnung gilt entsprechend für bereits eingesetzte Verfahren, die bestimmungsgemäß nicht der Trinkwasserversorgung dienen.“ Kelbassa kommentierte: „Hierdurch sollen hygienische Verschlechterungen des Trinkwassers durch zum Beispiel das Einbringen von Breitbandkabel in Trinkwasserleitungen verhindert werden.“
Ein positives Fazit konnte Kelbassa auch im Hinblick auf die Gefährdungsanalysen von Trinkwasserinstallationen ziehen. War der Begriff Gefährdungsanalsyse bislang weitestgehend nur über die allgemein anerkannten Regeln der Technik bekannt, wurde er jetzt im Paragrafen 3 unter dem Punkt 13 per Verordnung klar definiert. „Über die neu aufgenommene Definition der Gefährdungsanalyse in der Trinkwasserverordnung ist nun endgültig geregelt, dass Checklisten und Mängellisten nicht die Anforderungen an eine Gefährdungsanalyse erfüllen. Die neue Richtlinie hat im Januar 2018 Gültigkeit als allgemein anerkannte Regel der Technik bekommen. Damit regelt sie nun zukünftig verbindlich den Ablauf, den Aufbau und die Mindestinhalte einer Gefährdungsanalyse“, fasste Kelbassa seine Ausführungen zusammen.
Sicherheit und Hygiene zuerst
Mit der Bedeutung von Prüfzeichen auf Materialien, die in der Trinkwasserinstallation zur Anwendung kommen, beschäftigte sich Ansgar Borgmann. Der geschäftsführende Gesellschafter eines Sanitär- und Heizungsunternehmens mit Meisterprüfungen im Zentralheizungs- und Lüftungsbau sowie in der Gas- und Wasserinstallation brachte die Sicht eines Sachverständigen ein und sprach darüber, wie er die Rechtssicherheit eines Prüfzeichens beurteilt. Er erklärte, welche europäischen und nationalen Vorgaben zu beachten sind und vor welchen Herausforderungen das Fachhandwerk steht. Dabei kam er zu dem Schluss, dass sich der Fachhandwerker bis zum viel zitierten Frabo-Urteil bei der Materialauswahl weitestgehend auf das DVGW-Kennzeichen verlassen konnte. Die Faustregel hieß: Wo DVGW drauf ist, ist Qualität drin.
Der Rechtsstreit des DVGW mit dem italienischen Fittinghersteller Frabo habe aber nicht nur kräftig an den Grundfesten der DVGW-Zertifizierung, sondern generell an den bislang geltenden Zertifizierungssystemen gerüttelt. Im Ergebnis bedeute dies, dass ein DVGW-Zertifikat jedenfalls nicht mehr die Sicherheit biete, für die es mal stand. Dies verunsichere das Fachhandwerk, weil nicht klar sei, welche Bauteile zur Herstellung einer Trinkwasserinstallation bedenkenlos und vor allem rechtssicher wann wo eingebaut werden dürften.
Der Experte empfahl den Teilnehmern, Trinkwasserinstallationen künftig nur noch unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu errichten und nur noch Produkte aus geprüften Werkstoffen einzusetzen, die den Vorgaben der UBA-Positivliste entsprechen. Wenn es Zweifel gebe, ob die Produkte die Eignung für die Trinkwasserinstallation haben, sollte sich der Fachhandwerker an den Großhändler oder Hersteller wenden. „Kann nicht sichergestellt werden, ob sich das Produkt für die Trinkwasserinstallation eignet, sollte es hierfür auch nicht verwendet werden. Schließlich schuldet der Betrieb den Einbau einer Trinkwasserinstallation, die Trinkwasser liefert, das den Vorgaben der Trinkwasserverordnung entspricht“, betonte Borgmann.
Qualitätssicherung im SHK-Handwerk
Zu den Chancen und Möglichkeiten rund um die Qualitätsgemeinschaft SHK-Expert referierte Hans-Peter Sproten. „Die Qualitätsgemeinschaft SHK-Expert ist der Zusammenschluss professioneller Innungsfachunternehmen der 59 Innungen des Fachverbandes Sanitär Heizung Klima Nordrhein-Westfalen. Ziel ist die Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung von Unternehmen, die spezielle Qualitätsstandards einhalten“, stufte der Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes SHK NRW die Wichtigkeit ein. Voraussetzung für die Teilnahme von Betrieben an SHK-Expert sei die Einhaltung wichtiger Standards, etwa die Vollmitgliedschaft in einer angeschlossenen SHK-Innung in NRW, die Eintragung in das Installateurverzeichnis für Gas und Wasser, eine regelmäßige Arbeitssicherheitsunterweisung der Mitarbeiter und der Nachweis der regelmäßigen Teilnahme an anerkannten Fortbildungsmaßnahmen der Verbandsorganisation oder anerkannter Institutionen. „Mit einer solchen Qualitätsgemeinschaft sollte es uns gelingen, die Innungsstrukturen in Nordrhein-Westfalen nachhaltig zu stärken“, so Sproten.
Weitere nützliche Infos
Beispiele für Schadensanalysen in der Hausinstallation sowie Beispiele für die dabei anfallende Detektivarbeit der Schadensanalyse und die Zuordnung der Verantwortlichkeit, mal einfach, mal anspruchsvoller, lieferte Dr. Hans-Joachim Redeker. Der Sachverständige aus Münster zeigte anhand von beeindruckenden Fotos Korrosionserscheinungen und auffällig ausgeprägte Undichtigkeiten in Kalt- und Warmwasserinstallationen.
Wie professionelle Wasserschadensanierung aussehen kann und warum Wasserschadensanierer immer häufiger im Spannungsfeld zwischen Versicherungen und der organisierten Wohnungswirtschaft stehen, erläuterte Dr. Ernst Baumann von Alltrosan.
Über typische Schadensursachen bei Großschäden und wie sich Klein- und Großschäden aus der Sicht des Versicherers mit einfachen Mitteln und geringem Aufwand vermeiden lassen, berichtete Dr. Georg Scholzen von der Versicherung Provinzial.
Dr. Angelika Becker vom IWW Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung in Mülheim stellte Ergebnisse des DVGW-Forschungsprojektes zu nicht erklärbaren Schäden an Kupfer-Trinkwasserinstallationen vor. Die Referentin wollte jedoch nicht, dass ihre Ergebnisse und Erkenntnisse der breiten Öffentlichkeit preisgegeben und in der SBZ veröffentlicht werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Fazit
Anhand der Vorträge konnten sich die rund 70 Seminarteilnehmer ein Bild über die Schadenerfahrungen und daraus abzuleitenden Schadenminderungsmaßnahmen bei Leitungswasserschäden aus Sicht der Versicherer machen. Sowohl die positive Stimmung während der Veranstaltung als auch die anschließenden Gespräche mit den Teilnehmern und Referenten zeigten, dass der Veranstalter mit diesem Forum wieder einmal den Nerv vieler Teilnehmer getroffen hat. Die Referate boten komprimiertes Wissen in lockerer und anschaulicher Form, ganz so wie es sich der VdS auf die Fahne geschrieben hatte. Bedauerlich nur, dass der Prozentsatz der teilnehmenden SHK-Handwerker so niedrig war. Dabei sind es vor allem die Installateure und Heizungsbauer, die von einer solchen Tagung profitieren. Denn wer zusätzlich zum Schadensaufkommen auch das Schadenmanagement und das Regulierungsverhalten der Versicherer bei Leitungswasserschäden kennt, kann die Auszahlung der Entschädigung an den Versicherungsnehmer und somit die eigene Rechnungsregulierung beschleunigen.