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Wo geht’s lang?

Die Digitalisierung des Vertriebs von Markenprodukten bringt dem Endverbraucher mehr Transparenz hinsichtlich Produktinformation, Warenverfügbarkeit und Bezugspreis. Es ist wenig verwunderlich, dass dadurch auch im SHK-Segment ein harter Preiskampf entbrannt ist. Bisher konnte der SHK-Fachgroßhandel die Folgen dieses Preiskampfs noch auf das Handwerk abwälzen. Der SHK-Industrie war das im Ergebnis egal, weil das Handwerk – zumindest in den letzten Jahren noch – diese Kröte murrend geschluckt hat.

Doch der Wind dreht sich zugunsten des kompetenten Handwerksunternehmers. Im Zeitalter des Handwerks 4.0 erwartet der Endkunde nicht nur „smarte Markenprodukte“ von Premium-Markenherstellern, sondern er erwartet auch eine „smarte Auftragsabwicklung“ durch den Handwerker seines Vertrauens. Es ist wichtig, hier nicht den Anschluss zu verpassen. Bei denjenigen Handwerksunternehmen, die mit zukunftsfähigen Strukturen, geschulten Mitarbeitern und digitalen Zugängen zu den Endkunden ihre eigene Neuausrichtung geschafft haben, werden nicht nur die Endkunden, sondern auch die Premiummarken und Lieferanten Schlange stehen!

Mehrwert bieten oder vom Markt gehen

Es geht um die Verteilung der in der Lieferkette über alle Vertriebsstufen zur Verfügung stehenden Marge insgesamt. Wer nicht die Leistung bietet, die nachgefragt wird, oder wer Leistungen bietet, für die keiner bereit ist zu bezahlen, wird große Probleme bekommen.

Markenhersteller und zukunftsorientierte Handwerksunternehmen werden sich vermehrt die Frage stellen müssen, welchen wirklich unentbehrlichen Mehrwert die in der Lieferkette eingeschalteten Handelsstufen tatsächlich erbringen. Wäre eine Handelsstufe nämlich entbehrlich, könnten die dadurch freigesetzten Ertragschancen neu verteilt beziehungsweise als Preisvorteil an den Endkunden weitergegeben werden.

Ganz ähnlich sieht es auch im Objektgeschäft aus. Projektierer treten immer öfter direkt an Markenhersteller heran, um von diesen Produkte direkt zu beziehen oder zumindest eine verlässliche Bezugspreisaussage als Kalkulationsgrundlage zu erhalten. Für welchen Lieferanten werden sich Top-Handwerksunternehmen oder Projektierer wohl entscheiden? Vermutlich für denjenigen, der ihnen das beste Verhältnis von Preis und nachgefragter Leistung bietet.

Digitalen Markenvertrieb aktiv gestalten

Dem insbesondere onlinegetriebenen Preisverfall werden Markenhersteller mit den bestehenden Strukturen und Vertriebsmodellen nicht (kartell-)rechtskonform begegnen können. Wer die Digitalisierung seines Markenvertriebs selbstbestimmt gestalten will, muss aktiv in neuen Vertriebs- und Konditionsmodellen denken. Also mal angenommen, die SHK-Branche würde sich zu einer vertikalisierten Neuorganisation des Warenstroms vom Hersteller hin zum Endkunden entscheiden, wie könnte das grob skizziert aussehen?

Voraussetzung für eine (kartell-)rechtlich zulässige Lösung ist die grundsätzliche Neuorganisation einerseits des Rollenverständnisses zwischen Herstellern, Handel und Handwerk sowie andererseits des Warenflusses und der Vergütung von in diesem Zuge erbrachten Leistungen der eingeschalteten Absatzmittler.

Kern dieser vertikalisierten Neuorganisation könnte beispielsweise eine seitens der Hersteller gemeinschaftlich betriebene zentrale Orderplattform für das Handwerk sein. Die Lieferung von A- und B-Teilen könnte über ein von Herstellern gemeinschaftlich betriebenes Zentrallager und von C-Teilen über entsprechend organisierte Handelspartner angedacht werden. Auch für die Produktinformation und Kundenkommunikation könnten gemeinschaftlich betriebene (Online-)Medien bis hin zu gemeinschaftlich betriebenen stationären Verkaufs-/Präsentationspunkten vorgesehen werden. Die Technik und das Know-how stünden schon heute zur Verfügung.

Aber auch hier meinen noch zu viele Hersteller, abwarten und/oder auf proprietäre Einzellösungen setzen zu können. Dabei wären einheitliche Branchenstandards für das verarbeitende Handwerk eine große Hilfe und würden zu einer durchgängigeren und mithin auch Endkunden-freundlicheren Marktbearbeitung führen.

Der Endkunde zahlt!

Markenhersteller müssen ihre Vertriebsmodelle vom Endkunden her denken. Das Beschaffungsverhalten der Endkunden schlägt nämlich unmittelbar durch auf die Anforderungen der vom Hersteller eingeschalteten Handwerker. Wie und über welche Kanäle informiert sich der Endkunde, wie entscheidet er, wie bestätigt er seine Kaufentscheidung, welche Liefer- und Zahlungsservices erwartet er und an welchen Stellen dieses Prozesses kann der Endkunde von wem vom Kauf des Produkts noch umgelenkt werden?

Sie halten das alles für Science-Fiction? Weit gefehlt! Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass einzelne Handelsformate heute in der Lage sein könnten, allein das Marktpreisniveau einer ganzen Branche national und international zu manipulieren? Wer hätte gedacht, dass im Sanitärbereich Endkunden lernen, hochpreisige Badausstattungen rein online und mithin ohne Augenscheinnahme und Beratung in einem stationären Ladenlokal zu kaufen.

Das macht stationäre Verkaufspunkte zwar nicht gänzlich überflüssig, doch können geschulte Handwerksunternehmer mit klug gestalteten Onlinemedien und Musterkoffern viele Fragen von Endkunden zufriedenstellend beantworten. Die überwiegende Mehrzahl der Standard-Verkaufsfälle im SHK-Bereich wird sich sowohl gegenüber Handwerkern als auch Endkunden rein online abwickeln lassen.

Fazit

Qualitätsorientierte Markenhersteller können einen rein preisgetriebenen Wettbewerb auf Dauer nicht überleben. Um als Lieferant für leistungsfähige Handwerksunternehmer interessant zu bleiben, müssen diese Markenhersteller ihren Warenfluss und ihre Konditionsmodelle neu organisieren. Die dazu erforderlichen (kartell-)rechtlich zulässigen Werkzeuge stehen zur Verfügung.

Ein erster Schritt könnte eine offen geführte Diskussionsrunde zwischen Vertretern der Markenhersteller, des Handels und des Handwerks sein, die eventuell auch vom Bundeskartellamt begleitet wird. Also, auf geht’s.

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Autor

RA Markus Nessler, MBA, berät qualitäts- und marktführende Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu selektiven Vertriebssystemen, von der strategischen Konzeption bis zur Um- und Durchsetzung. Zudem ist er Herausgeber des Impuls-Portals businessler.de und Initiator des „businessler WirtschaftsForums“. Telefon (0711) 13 63 100 E-Mail: Markus.Nessler@mnbr.de www.mnbr.de www.businessler.de