Durch Boden, Wand und Decke sehen – welcher Installateur wünscht sich das nicht, wenn mal wieder ein Rohrleitungsleck präzise lokalisiert werden muss, um die Sanierungsarbeiten möglichst eng einzugrenzen. Wer in diesen und weiteren Fällen einen „Röntgenblick“ braucht, muss nicht unbedingt Superman sein.
Thermografie-Kameras sind Allround-Talente
Thermografie-Kameras ermöglichen auch Normalsterblichen einen Blick hinter die Kulissen. Möglich wird dies aufgrund eines einfachen physikalischen Phänomens: Von allen Objekten geht Wärmestrahlung aus, die umso größer ausfällt, je stärker die Erwärmung ist. Diese Strahlungsunterschiede kann eine Thermografie-Kamera quasi wie auf einem „Foto“ sichtbar machen. Doch Thermografie-Kameras – auch Wärmebild- oder Infrarot-Kameras genannt – suchen und finden nicht nur Leitungslecks. Sie werden auch zur Prüfung der Gebäude-Wärmedämmung im Zusammenhang mit der Energieeinsparverordnung eingesetzt. Dabei werden Wärmebrücken aufgespürt, die gleichzeitig meist auch Schallbrücken und Kondensationsnester für Feuchtigkeit sind, was wiederum die Ursache für Schimmelpilzbefall sein kann. Auch für die Bau- und Anlagenüberwachung sowie für die Qualitätskontrolle ist die Thermografie einsetzbar: Ob z.B. die Leitungsrohre einer Fußbodenheizung gleichmäßig verlegt wurden, lässt sich mit einer Thermografie-Aufnahme jederzeit eindrucksvoll prüfen. Dem „Röntgenblick“ einer Thermografie-Kamera entgeht (fast) nichts.
Wie funktionieren Thermografie-Kameras?
Jeder Körper sendet mit einer Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes (–273,15 °C oder 0 K) Wärme- oder Infrarotstrahlung aus. Je wärmer ein Gegenstand ist, desto mehr Strahlung geht von ihm aus. Ähnlich einer herkömmlichen Kamera setzt eine Thermografie-Kamera diese Infrarotstrahlung in Bilder um. Die emittierte Infrarotstrahlung wird dabei von einer für diese Strahlungsart durchlässigen Optik aus Germanium auf den so genannten Detektor fokussiert. Die dort eingegangenen Informationen übersetzt eine Sensorelektronik in ein Bild, dass schließlich auf einem LCD-Monitor abgebildet wird.
Die Abbildung enthält neben grafischen auch radiometrische Informationen (d.h. auf der Messung elektromagnetischer Strahlung beruhende Daten), so dass für jeden Punkt exakte Temperaturwerte abgefragt und mit Hilfe spezieller Software weitere Informationen ausgewertet werden können (Taupunkt, Emissionsgrad etc.). Die unterschiedlichen Farben in den Abbildungen, Thermogramme genannt, stellen die Oberflächentemperaturverteilung entsprechend einer meist im Bild enthaltenen Temperaturskala dar. Bereiche mit höheren Temperaturen sind als gelbe, rote oder weiße Flächen dargestellt. Kältere Bereiche sind grün, blau oder schwarz.
Der professionelle Einsatz von Thermografie-Kameras erfordert entsprechendes Know-how, das eine Schulung voraussetzt. Thermogramme müssen korrekt beurteilt und interpretiert werden, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Dazu müssen Parameter wie Temperaturunterschiede, materialspezifisches Emissionsvermögen oder thermische Spiegelungen an glatten Oberflächen etc. berücksichtigt und richtig eingeschätzt werden.
Auf diese Merkmale sollten Sie unbedingt achten
Trotz der weltweiten Marktführerschaft eines Herstellers (Flir Systems), ist die Anbieter- und Produktvielfalt mittlerweile groß. Deshalb wurden wichtige Merkmale von insgesamt 16 aktuellen Modellen aus dem unteren und mittleren Preisbereich tabellarisch miteinander verglichen. Die Kategorie gibt an, ob es sich um ein Modell für Einsteiger oder Fortgeschrittene und Profis handelt.
Da man mit dem Anbieter eine längerfristige Beziehung eingeht (Stichworte: Garantieleistungen, Zubehör, Ersatzteile, Software-/Firmaware-Updates etc.), sollte man sich auch ihn genauer anschauen: Seit wann ist er auf dem Markt? Wie viele Kunden setzen seine Kameras in der Bauthermografie ein? Bietet er ausschließlich Thermografie-Systeme oder z.B. auch Messgeräte an etc.? Weitere Punkte, auf die Sie achten sollten sind:
- Zu den wichtigsten Parametern zählen die Bilddaten: die Bildauflösung gibt an, in wie viele Pixel in X- und Y-Richtung der Detektor die von der Optik erfassten Daten auflösen kann. Dieser Wert sollte dem entsprechen, was radiometrisch erfasst wird und sollte nicht mit der physikalischen Auflösung des Kamera-Displays verwechselt werden.
- Das Sehfeld gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der eingebauten Optik an.
- Der Spektralbereich definiert die von Infrarotkameras erfasste Strahlung, die im Wellenlängenbereich von ca. 7–14 µm liegen sollte.
- Ebenso essenziell wie die Bilddaten ist der bei der Messung erfasste Temperaturbereich, der bei Bauthermografie-Kameras meist zwischen –20 ° und +100 °C beträgt.
- Ein zweiter, wichtiger Wert für die Qualitätseinordnung einer Kamera ist deren Temperaturempfindlichkeit, der so genannte NETD-Wert. Er gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor noch erfasst werden kann. Je kleiner dieser Wert ist, desto geringer ist die Gefahr des so genannten „Bildrauschens“.
- Die Messgenauigkeit wird in Prozent bei 30 °C angegeben; sie nimmt mit hohen oder niedrigen Temperaturen ab.
- Die Messfunktionen sagen etwas darüber aus, was radiometrisch ausgewertet wird: Isothermen, der Minimal- und Maximalwert gehören zu den Standards, eine Taupunktberechnung bieten nur wenige Kameras.
- Die in der Regel aus Germanium-Linsen bestehende Optik sollte möglichst wahlweise eine manuelle oder automatische Fokussierung ermöglichen.
- Optionale Objektive erweitern die Einsatzmöglichkeiten der Kamera. Vor allem Weitwinkelobjektive sind für die Aufnahme von Fassaden in beengten räumlichen Situationen wichtig.
- Im internen Speicher sollten möglichst viele Bilddaten abgelegt werden können, ein (zusätzlicher) Wechselspeicher ist sinnvoll.
- Zusatzfunktionen wie ein Laserpointer oder eine Digitalkamera vereinfachen die Lokalisierung von gemessenen Minimal-/Maximalwerten bzw. ermöglichen die Überlagerung bzw. den Vergleich von Tageslicht- und Infrarotfotos.
- Beim Gehäuse sollte auf kompakte Abmessungen, ein geringes Gewicht und „Baustellentauglichkeit“ geachtet werden.
- Mobile Thermografie-Kameras sind auf hochwertige Lithium-Ionen-Akkus angewiesen, die über keinen „Memory-Effekt“ verfügen, sich schnell aufladen lassen und länger durchhalten.
- Zum Standard-Zubehör gehört ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, eine Tasche oder ein Koffer sowie Auswertungs-Software.
- Der Preis ist der vom Anbieter angegebene Kaufpreis in Euro (inkl. MwSt.) für eine komplette Thermografie-Kamera, inklusive Standard-Zubehör. Zu den Preis bestimmenden Faktoren zählen vor allem die Qualität des Detektors, der Optik oder des Displays sowie weitere Faktoren wie Ersatzteilverfügbarkeit, Garantieleistungen etc.
Welche Kamera ist für welchen Anwender geeignet?
Um die „richtige“ Kamera herauszufiltern sollte man klären, wofür man sie einsetzen möchte und was man von ihr erwartet. Der Installateur stellt andere Anforderungen an eine Thermografie-Kamera als z.B. ein Energieberater. Während für den Handwerksbereich auch relativ niedrige Bild- und Temperaturauflösungen (160 x 120 = 19200 Bildpunkte bzw. 0,1 K) und damit auch preiswerte Einsteigermodelle ausreichen, müssen Gebäudeenergieberater, Gutachter oder Bauphysiker deutlich „schärfer“ sehen – mindestens vier Mal so scharf. Hier beginnen vernünftige radiometrische Auflösungen bei 320 x 240 = 76800 Bildpunkten, was dem vierfachen Wert entspricht. Die Temperaturempfindlichkeit sollte um die 0,05 K liegen. Damit kann man auch kleinste Temperaturunterschiede gut erkennen und auch schwierigen Problemen schneller und gezielter auf den Grund gehen. Während Thermografie-Kameras für Einsteiger bereits ab 4000 Euro zu haben sind, kosten die Profimodelle zwischen 10000 und 40000 Euro und mehr.
Interessante Alternativen zum Kamerakauf
Für Gelegenheitsnutzer gibt es alternativ zum Neukauf einer Kamera weitere Möglichkeiten: Miete, Mietkauf, Gebrauchtmodell kaufen, Ausleihen oder einen Dienstleister beauftragen. So vermitteln einige Hersteller auf ihren Internet-Seiten, z.B. unter der Rubrik „Gebrauchtgeräte“, Anbieter und Interessenten. Meist wird nach einer Neukalibrierung sogar die gleiche Garantie wie für ein Neugerät gewährt. Die Preise für wenige Jahre alte Gebrauchtmodelle liegen bei 20 bis 50 % unter dem Neupreis.
Wer eine Kamera ausleihen möchte, muss – abhängig vom Kameramodell – mit Kosten von 150 und 500 Euro pro Tag rechnen. Nicht vergessen sollte man die Notwendigkeit einer Schulung, die auch Zeit und Geld kostet (Basisschulung 2–5 Tage: 500–1500 Euro, Zertifizierungskurse 5 Tage: 2000 Euro). Dieser Schulungsaufwand entfällt, wenn man sich für eine Thermografie-Dienstleistung entscheidet. Man sollte sich in jedem Fall von einem zertifizierten Dienstleister ein Angebot unterbreiten lassen. Darin enthalten sein sollten die Anfahrt, Spesen, die Arbeitszeit und Gerätetechnik, Materialkosten sowie gegebenenfalls die Auswertung und Dokumentation der Thermogramme.
Was ist...?
• Infrarotstrahlung bezeichnet jene vom menschlichen Auge nicht wahrnehmbare Wärmestrahlung, die jedes Objekt abgibt. Physikalisch gesehen ist sie eine elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge oberhalb des sichtbaren Lichtes.
• Thermografie ist die Visualisierung und Messung der von einem Objekt ausgesandten Infrarot-Strahlung mit Hilfe einer Kamera und entsprechender Software.
• Thermografie-Kameras erzeugen Bilder der unsichtbaren Infrarotstrahlung und ermöglichen präzise, berührungslose Temperaturmessungen an Bauwerken, Anlagen, Maschinen etc.
Weitere Infos im Web
• http://www.bauthermografie-luftdichtheit.de: Anbieter mit vielen Infos und Beispielen
• http://www.der-thermograph.de: Magazin zum Thema Thermografie
• http://www.thermografie.de/handwerk.htm: Anwendungsbeispiele im SHK-Bereich
• http://www.thermografie-seminare.de: Infrared Training Center (ITC)
• https://www.thermotemp.de/: Infrarotkamera-Verleih und -Service
• https://www.vath.de/: Bundesverband angewandte Thermografie
• https://www.wikipedia.de/: Basisinfos (Suchwort: „Thermografie“)
Weitere Informationen
Unser Autor Dipl.-Ing. Marian Behaneck war viele Jahre lang in Dokumentation, Marketing und PR der Bausoftware-Branche tätig. Er ist Fachautor zahlreicher Publikationen zu Hardware, Software und IT im Baubereich; 76751 Jockgrim, E-Mail: behaneck@gmx.de