Dass Wetterberichte außer der messbaren häufig auch die gefühlte Temperatur angeben, zeigt: Das klimatische Empfinden von Menschen setzt sich aus vielen Parametern zusammen und ist sehr individuell. Das gilt auch für das Wohlbefinden in Wohnräumen. Temperaturhaltung, Luftströmungen, Luftwechselrate und Feuchtigkeit sind dabei die wichtigsten Einflussgrößen. Ob eine raumlufttechnische Anlage für optimales Klima sorgt, ist dennoch keine Frage des Gefühls. Vielmehr ist ein messtechnischer Abgleich erforderlich. Für die Abnahme, Inbetriebnahme oder Wartungsarbeiten beinhaltet die DIN EN 12599 „Lüftung von Gebäuden – Prüf- und Messverfahren für die Übergabe raumlufttechnischer Anlagen“ entsprechende Vorgaben inklusive Spezifikationen für geeignete Messgeräte. Seit 2013 gilt diese Norm nun auch für Wohngebäude. Damit verfügen Fachhandwerker jetzt über eine verlässliche Grundlage für die Inbetriebnahme von Komfortlüftungsanlagen, vielfach auch kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL) genannt. Das umfasst das Einjustieren auf die Vorgaben des Lüftungskonzepts nach DIN 1946-6 ebenso wie den Nachweis gesonderter vertraglicher Vereinbarungen, z. B. Kriterien für die Raumluftqualität nach VDI 6022-3. Nachstehend sind wesentliche Adaptionen der DIN EN 12599 auf die Abnahme typischer Wohnraumlüftungsanlagen erläutert.
Vollständigkeitsprüfung mit Augenmaß
Gemäß Anhang A der DIN EN 12599 beginnt die Abnahme oder Inbetriebnahme einer Komfortlüftungsanlage zunächst mit der Vollständigkeitsprüfung. Dazu zählt die Sichtinspektion der Anlage mit einem Abgleich der Planungsunterlagen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Überprüfung einer vertragskonformen Ausführung. Im Blick ist aber auch, ob alle erforderlichen Mess- und Revisionsstellen frei zugänglich sind. Darüber hinaus kann eine Sauberkeitsprüfung nach DIN EN 15780 vereinbart werden.
Sinnvoll ist es außerdem, die Dichtheitsprüfung der Luftleitungen vertraglich festzulegen. Denn Leckagen können nicht nur durch Montagefehler auftreten, sondern auch durch eventuelle Mängel an Leitungen und Verteilern. Hohe Fehlluftmengen reduzieren jedoch den Luftaustausch im Gebäude. Die notwendigen Volumenströme können dann nur durch erhöhten Energieaufwand erreicht werden. Weitere Folgen sind oft Bauschäden, wenn aus der Installation entweichende feuchte Warmluft kondensiert. Zudem kann es zum Eintrag von Verunreinigungen in den Zuluftstrom kommen.
Solange die Leitungen frei zugänglich sind, lassen sich derartige Undichtheiten sehr einfach beseitigen. Daher ist eine Dichtheitsprüfung des Leitungssystems am besten noch während der Bauphase durchzuführen und nicht erst bei der Abnahme oder Inbetriebnahme. Dazu werden die Luftleitungen abschnittsweise abgedichtet, wobei die Zuluftleitungen mit einem Überdruck und die Abluftleitungen mit einem Unterdruck zu beaufschlagen sind. Hierfür ist ein Dichtheitsmessgerät mit Gebläse erforderlich. Am Messgerät werden der mittlere Betriebsdruck der Anlage, die Leitungslänge und der Querschnitt bzw. Durchmesser eingegeben. Das Messgerät baut den entsprechenden Testdruck auf und errechnet die Leckluftmenge. Funktionsmessungen sind vorgesehen
- an dem Lüftungsgerät bzw. der Lüftungszentrale,
- in den Zulufträumen,
- ggf. in den Ablufträumen.
Häufig hat der Fachhandwerker die Aufgabe, aus den Messwerten bewertbare Größen zu errechnen. Einige Messgeräte führen diese Operationen automatisch aus. Das vereinfacht den Abnahmeprozess und die Dokumentation deutlich. Die wesentlichen Messverfahren nach DIN EN 12599 sowie die dafür geeigneten Geräte werden im Folgenden kurz beschrieben.
Exakte Ermittlung des Gesamtluftvolumenstroms
Die Ermittlung des Gesamtluftvolumenstroms erfolgt am Zentrallüftungsgerät oder im Zuluftkanal.
In der Regel wählt der Fachhandwerker den Messort, der am besten zugänglich ist. Am Lüftungsgerät kann der Gesamtluftvolumenstrom mit einer Differenzdruckmessung überprüft werden, sofern an der Anlage bereits Messstellen vorgesehen sind. Anhand der Ventilatorkennlinie des Herstellers ist über den ermittelten Differenzdruckwert der Luftvolumenstrom abzulesen.
Wird die Gesamtluftvolumenstrommessung im Zuluftkanal vorgenommen, sollten Stellen gewählt werden, an denen der Luftstrom möglichst ungestört ist, also nicht in direkter Nähe von Reduzierstücken, Umlenkungen oder Abzweigen. Abhängig vom Leitungsprofil (rund oder eckig) sind unterschiedliche Messmethoden anzuwenden: In eckigen Kanälen ist der Gesamtluftvolumenstrom durch die Netzmessung, auch Trivialverfahren genannt, zu ermitteln. In für Wohnungslüftungen eher typischen runden Leitungen kommt die Schwerlinienmessung zum Einsatz. Bei beiden Verfahren sind an mehreren Stellen des Leitungsquerschnitts Messwerte zu nehmen. Aus diesen wird das arithmetische Mittel gebildet, um den Gesamtluftvolumenstrom zu bestimmen. Empfehlenswert ist, die Messung mittels Staurohr und einem hochauflösenden Differenzdruckmessgerät durchzuführen. Es sollte über ein Messprogramm inklusive Mittelwertbildung verfügen, sodass direkt der Gesamtluftvolumenstrom abgelesen werden kann.
Mit dem Differenzdruckmessgerät sind dann auch viele weitere Messungen am Lüftungssystem möglich: die Druckerhöhung am Ventilator, der Druckabfall am Filter und der 4-Pa-Test, wenn gleichzeitig eine Feuerstätte, zum Beispiel ein Kaminofen, genutzt wird. Ebenfalls ist mit einem Differenzdruckgerät die Balance von Zu- und Abluft einfach zu prüfen. Und über den in der Regel vorhandenen Temperaturmesskanal können zusätzlich die Lufttemperaturen bei Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bestimmt werden.
Messungen der Volumenströme im Raum
Inwieweit die nach der Lüftungsnorm DIN 1946-6 geplanten Volumenströme in den entsprechenden Räumen erreicht werden, lässt sich an den Luftdurchlässen kontrollieren. Bei Komfortlüftungsanlagen für Wohnräume werden dazu üblicherweise Trichtermessungen vorgenommen. Hierbei kanalisiert der Trichter den Luftstrom am Durchlass in Richtung Messsonde. Geeignet sind Thermoanemometer als Punkt- oder Flächensonde, Flügelradanemometer oder auch Staurohre.
Eine hohe Genauigkeit erreichen thermische Flächensonden (Hitzdrahtgitter) oder – noch besser – Geräte mit Kompensations- oder Nulldruckmessung. Bei letzterem wird der Strömungswiderstand des Messgeräts kompensiert, um eine hohe Präzision zu erzielen. Das Prinzip: Ein Ventilator baut zur Strömung am Luftaus- oder Lufteinlass einen Gegendruck auf. Ein Differenzdrucksensor misst, wann der Druckausgleich, also Nulldruck erreicht ist. Über die zusätzlich erfasste Umdrehungsgeschwindigkeit des Ventilators errechnet das Gerät den erzeugten Gegenluftvolumenstrom, der somit identisch ist mit dem Volumenstrom am Luftdurchlass.
Besteht eine signifikante Differenz der addierten Volumenströme der Zulufträume mit dem zuvor gemessenen Gesamtluftvolumenstrom, ist von Undichtheiten im System auszugehen, die beseitigt werden sollten.
Bei präziser Messung ergibt die Differenz des Gesamt-Zuluftvolumenstroms und des Gesamt-Abluftvolumenstroms das Maß für die Balance des Lüftungssystems. Diese Differenz sollte möglichst klein sein, damit keine unzulässigen Unter- oder Überdrücke im Gebäude entstehen. Dies ist unter anderem wichtig für die Aufstellung von Feuerstätten wie Kaminöfen. Aber durch Überdruck besteht auch die potenzielle Gefahr von Bauschäden, wenn feuchte Luft in die Konstruktion gedrückt wird. Auf der anderen Seite können höhere Unterdrücke zu Energieverlusten führen, indem kalte Außenluft durch Undichtigkeiten in die Gebäudehülle gelangt.
Fazit
Die Öffnung der DIN EN 12599 „Lüftung von Gebäuden – Prüf- und Messverfahren für die Übergabe raumlufttechnischer Anlagen“ für den Wohnbereich ist ein wichtiger Schritt. So steht in diesem wachsenden und zugleich sensiblen Marktsegment eine messbare Bewertungsgrundlage für das Wohlfühlklima in Wohnräumen zur Verfügung.
Info
Praxis-Tipps online
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Autor
Patrick Stork ist Dozent im Wöhler Institut Technik, 33181 Bad WünnenbergTelefon (0 29 53) 73-2 85p.stork@woehler.dewww.woehler.de