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Abwasserleitungen auf privatem Grund

Kanalhai oder Haustechnik?

Inhalt

Für die Inspektion eines Entwässerungssystems auf privatem Grund veranschlagt der gütegesicherte Fachbetrieb zwischen 300 und 500 Euro bei einem Ein- bis Zweifamilienhaus. Hinter der Leistung steckt jede Menge Know-how. Beispielsweise entscheidet der Eckring-Betrieb bereits zu Beginn der Arbeiten, ob eine normgerechte Druckprüfung des Systems eher angebracht ist als die mögliche Alternative: eine Reinigung der Leitungen mit anschließender Inspektion durch Kameratechnik.

Für 79,90 Euro – so findet man Lockangebote sogenannter Kanalhaie im Internet – lässt sich das kostendeckend nicht leisten. Es handelt sich oft um blanko ausgestellte „Untersuchungsberichte“ ohne tatsächliche Gegenleistung, die das Papier nicht wert sind. Dirk Bellinghausen, Geschäftsführer der RAL-Gütegemeinschaft Grundstücksentwässerung, weiß, wie der Markt tickt. Auf der Gemeinschaftstagung Gebäude- und Grundstücksentwässerung schilderte er am 16. Januar 2012 in Fulda, dass trotz Aufklärungsarbeit von Kommunen und Polizei immer wieder Kanalhaie mit ihren Machenschaften bei leichtgläubigen Bürgern zum Zuge kommen. Umso wichtiger ist es nach seiner Einschätzung, dass das organisierte Fachhandwerk Zeichen setzt. Zeichen, die sowohl bei Bürgern als auch bei Kommunen für Qualität stehen.

Neues Gütezeichen für SHK-Fachbetriebe

Zum RAL-Zeichen für den Güteschutz Kanalbau ist ein weiteres Zeichen für den RAL-Güteschutz Grundstücksentwässerung hinzu­gekommen. Die dafür zuständige RAL-Gütegemeinschaft Grundstücksentwässerung besteht seit Mitte 2011. Das Ziel dieser Neugründung: Der Fachbetrieb bekommt besondere Kenntnisse, um Entwässerungssysteme auf privaten Grundstücken bis ins Gebäude hinein mit einer Kamera inspizieren zu können, auf Dichtheit zu überprüfen und bei ­Bedarf ein geeignetes Sanierungsverfahren auszuwählen. Dieses zusätzliche Fachwissen sowie die Einhaltung von Güte- und Prüfbestimmungen für die Grundstücksentwässerung symbolisiert das neugeschaffene Gütezeichen.

In Abstimmung mit der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) hat sich die Überwachungsgemeinschaft Technische Anlagen der SHK-Handwerke (ÜWG-SHK) darauf ausgerichtet, als Prüfstelle die Eckring-Betriebe für diesen lukrativen Markt anzuerkennen und für die Aufnahme in die Gütegemeinschaft vorzubereiten. Gängige Praxis ist schon jetzt, dass man Unternehmen mit spezieller Weiterbildung auf Listen veröffentlicht, aus denen die Bürger im Inspektions- und Sanierungsfall wählen können.

Gütegemeinschaften schaffen Vertrauen

Wenn in Zukunft zahlreiche Kommunen Fristen zur Inspektion von Entwässerungssystemen auf privatem Grund setzen, soll das ­Zeichen der Gütegemeinschaft Grundstücksentwässerung den Weg zum qualifizierten Fachbetrieb weisen – und dubiosen Geschäftemachern das Handwerk legen.

Die seit Langem bestehende RAL-Gütegemeinschaft Kanalbau wird es auch weiter geben. Bewährt hat sich diese Qualitätssicherung einschließlich Zeichen vorwiegend für Tiefbaufirmen. Sie haben die Grundstücksentwässerung bislang mit bedient, hatten das Spezialgebiet aber nicht im Fokus.

Besondere Regelungen in ­verschiedenen Regionen

Eine bundeseinheitliche Regelung für die nötige Qualifikation zeichnet sich allerdings momentan noch nicht ab. Durch das Hamburger Abwassergesetz ist beispielsweise schon seit vielen Jahren vorgeschrieben, dass auf dem Gebiet der Hansestadt nur entsprechend zertifizierte Fachbetriebe an Entwässerungsanlagen arbeiten dürfen. Diese Vorgabe erfüllen inzwischen 550 Fachbetriebe und die grundsätzliche Bestimmung bleibt auf absehbare Zeit. Daran ändert auch das neue RAL-Zeichen Grundstücksentwässerung nichts – bis das Hamburger Abwassergesetz entsprechend geändert ist. Dennoch könnte das Führen des Zeichens – als zusätzliche Maßnahme – attraktiv sein und einen Wettbewerbsvorteil bringen. Nämlich dann, wenn Kommunen jenseits der Hamburger Stadtgrenzen bei ihrem Auswahlverfahren Wert auf dieses Zeichen legen. Ähnlich wie in Hamburg hat beispielsweise die Stadt Braunschweig besondere Qualifikationen für die Handwerksbetriebe durchgesetzt.

Anders in Nordrhein-Westfalen: Mit landesweit eigenen Bestimmungen machte NRW zunächst Druck auf Zeit und setzte als erstes Bundesland die Frist, dass bis 2015 jedes Entwässerungssystem auf privaten Grundstücken inspiziert werden sollte. Eine eigens erstellte landesweite Liste soll dafür sorgen, dass Bürger an qualifizierte Firmen gelangen.

Doch die strikte Frist ist seit einiger Zeit ausgesetzt – diese Herkulesaufgabe wäre in der Kürze der Zeit ohnehin nicht realisierbar gewesen. Andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein oder Hessen haben inzwischen Fristen jenseits von 2020 gesetzt. Das hat Folgen, denn dort schreitet die Sanierung eher verhalten fort.

Wasserschutzgebiete im Fokus

Sollte man die Marktsituation also eher entspannt abwarten? Kann der Entscheider im Sanitärbetrieb eine zusätzliche Qualifikation in weite Ferne schieben? Keineswegs. Im Aktionsradius des Fachbetriebes ist es wichtig zu wissen, welche Sanierungen Städte und Gemeinden voranbringen wollen.

Beispiel Köln: Seit Jahren bemüht sich die Domstadt in einzelnen Stadtteilen um die Sanierung. Und dies mit Erfolg, weil man Anwohner der betreffenden Straßen frühzeitig in die Pläne einbindet. Widerstand aus der Bevölkerung gibt es vor allem dann nicht, wenn in Wasserschutzgebieten saniert werden soll – in Köln mit seinen etwa 130000 Hausanschlüssen macht dies etwa die Hälfte des Stadtgebietes aus!

Für die Inspektion und Sanierung in Wasserschutzgebieten gelten besondere restriktive Fristen, die nicht auf einen fernen Tag verschoben werden. Auch in NRW bleibt es in Wasserschutzgebieten bei der Frist 2015. Allein dieser Sanierungsmarkt ist beträchtlich.

Zusätzliches Know-how gefragt

Geht es also um Anerkennung und Marktöffnung für den Betrieb, sollte der Handwerksunternehmer mit der Stadt bzw. der Kommune Rücksprache nehmen, welche Qualifizierung, Zertifizierung, Eigen- bzw. Fremdüberwachung anerkannt wird. Wie sich auf der Tagung in Fulda zeigte, sind viele Kommunen inzwischen entschlossen, die Vorgaben der beiden RAL-Gütegemeinschaften zur Grundlage für eine Anerkennung der Handwerksbetriebe zu machen.

Wie führt der Weg dorthin? Die SHK-Verbandsorganisation hat Qualifizierungsmaßnahmen geschaffen. Landesverbände bieten zusammen mit der Überwachungsgemeinschaft der SHK-Handwerke entsprechende Weiterbildungen und Zertifizierungen an. Im Mittelpunkt stehen Zulassungen und Arbeitsgrundlagen für

  • Dichtheitsprüfung,
  • Kanalinspektion,
  • Schadenbewertung sowie
  • passende Sanierungsverfahren.

Zahlreiche Kommunen haben in den vergangenen Jahren zunächst die öffentlichen Kanäle saniert und drängen jetzt auf die Weiterführung auf privatem Grund. Kaum eine Behörde, die dabei auf Zeit spielt, denn Umweltprobleme lösen sich dadurch nicht. Beispielsweise zeigen Untersuchungen, dass die Verschmutzung des Grundwassers deutlich häufiger bei sandigen Böden vorkommt als bei Lehm oder Ton.

In den Kölner Sanierungsgebieten inspiziert man Straße für Straße. Neben der Sanierung des öffentlichen Netzes bekommen beispielsweise die Hausbesitzer das Angebot gemacht, dass die Inspektion der Hausanschlüsse durch Kameratechnik zum Festpreis erfolgt und die Sanierung je nach Aufwand berechnet wird – allerdings stets durch qualifizierte Fachbetriebe in enger Abstimmung mit dem Amt für Stadtentwässerung.

Norm und Kommentar fertig

Alle Punkte zur Dichtheitsprüfung, Kanal­inspektion und Sanierung findet der Fachbetrieb in der DIN 1986 Teil 30 (Instandhaltung). Mit Ausgabedatum Februar 2012 gibt der ZVSHK zusammen mit DIN/Beuth eine Kommentierung heraus, in der auch die Norm integriert ist. Diese Arbeitshilfe ist unter anderem deshalb eine deutliche Erleichterung, weil der Anwender jetzt nicht mehr mit Verweisen auf DWA-Regelwerke arbeiten muss. Die Publikation lässt sich über den Onlineshop von https://www.wasserwaermeluft.de/ ab Mai/Juni 2012 bestellen.

Der Teil 30 der DIN 1986 „Gebäude- und Grundstücksentwässerung“ beschreibt alle Anforderungen und Ausführungskriterien, die für eine Dichtheitsprüfung, Reinigung, Kanalinspektion, Bewertung und Sanierung von erdverlegten Grundleitungen von Bedeutung sind. Bis zur Nennweite DN 250 auf Grundstücken sind somit alle wesentlichen Vorgaben enthalten. Darüber hinaus dient das DWA-Regelwerk als Grundlage.

Besondere Punkte in der DIN 1986-30:

  • Wenn sich der Fachmann statt einer Dichtheitsprüfung für eine Inspektion per Kamera entscheidet, kann er Leitungsschäden in verschiedene Klassen einteilen.
  • Lassen sich in einem großen Anteil des Systems keine Mängel feststellen, dann müssen nicht restlos alle Bereiche, die für die Kamera unzugänglich sind, auch noch geprüft werden.
  • Kleine Schäden gilt es nicht zwingend zu reparieren, sondern sie lassen sich bei einer wiederkehrenden Prüfung erneut begutachten.
  • Nur größere Schäden, die offensichtliche Beeinträchtigungen bringen, müssen binnen sechs Monaten saniert werden.

Schlussbemerkung

Die Länge maroder Entwässerungssysteme auf privaten Grundstücken summiert sich in Deutschland zu vielen Tausend Kilometern. Den Kommunen, dem Fachhandwerk und der Wohnungswirtschaft ist bewusst, dass in den nächsten Jahren viel geschehen soll und muss, damit Abwässer umweltgerecht ihren Weg durch den Untergrund nehmen. Die DIN 1986-30 zielt nicht darauf ab, das Entwässerungssystem in einen neuwertigen Zustand zu versetzen und den Betreiber dadurch mit hohen Kosten zu belasten. Neben dem Boden- und Gewässerschutz geht es insbesondere darum, dass der Betreiber über den Zustand des Rohrsystems Informationen erhält. Er muss dann nicht damit rechnen, dass überraschend Entwässerungsprobleme (z.B. Verstopfungen) auftreten. Ergeben sich keine gravierenden Mängel oder kritischen Punkte im Leitungssystem, kann der Fachbetrieb für Haustechnik dem Betreiber mit dem Inspektionsbericht einen Nachweis über den störungsfreien Zustand der Anlage aushändigen.

Etablieren sich die beiden Gütegemeinschaften bundesweit und dienen den Kommunen als verlässliche Marktpartner, wäre der Lebensraum für Kanalhaie trocken gelegt. D