Wo kein Kläger – da kein Richter. Der Berliner Rechtsanwalt für Baurecht, Thomas Herrig, bestätigt diese Volksmeinung, hat allerdings seit vielen Berufsjahren mit Klägern und Richtern zu tun. Auf der Ende Januar durchgeführten 15. Entwässerungstagung in Fulda zeigte er Beispiele, in denen nicht beachtete Verpflichtungen für Betreiber, Handwerker oder Hersteller folgenlos bleiben, im Schadensfall jedoch oft erhebliche Ersatzansprüche auslösen können. Unter den Beispielen brachte er ein Urteil des Oberlandesgerichtes Koblenz von Mitte November, in dem mangelnde Sorgfaltspflicht und Nichtbeachtung der anerkannten Regeln der Technik als Fahrlässigkeit gewertet wird (AZ: 1 U 491/09).
Die jährlich stattfindende Gemeinschaftstagung von ZVSHK und DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) brachte auch diesmal den 150 Teilnehmern Impulse für ihre Jobs. Stichworte wie Betreiberverpflichtungen, Haftung, Verkehrssicherungs- oder Sorgfaltspflicht kamen in den Ausführungen des Rechtsanwalts in vielen Zusammenhängen vor. Thomas Herrig wies den Weg durch den Paragraphen-Dschungel und stellte dar, wie zielsicher Richter über diese genannten Punkte zu einem Urteil kommen und Schadensersatzforderungen festlegen. Damit nicht genug: Wer darauf vertraut, dass seine Versicherung im Ernstfall einspringen wird, könnte sich irren. Die Zahlungswilligkeit eines Versicherers hat durchaus Grenzen, machte Mark Grusdas vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) deutlich. Wegen einer Million Schäden – zwischen Ver- und Entsorgung wird nicht differenziert – summierten sich die Versicherungsleistungen auf 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2008. Die Tendenz ist stark steigend, denn im letzten Jahr waren es bereits 1,7 Milliarden Euro. Dies ist mehr als die Hälfte aller Leistungen, die für Feuer-, Sturm- und Leitungswasserschäden ausgezahlt werden.
Dienstleistungen bieten, die Entlastung schaffen
Ebenso wie der Richter, achtet der Versicherer im Schadensfall darauf, ob allgemein anerkannte Regeln der Technik beachtet bzw. Betreiberverpflichtungen verletzt wurden. Mark Grusdas zeigte auch die Chancen auf, die sich daraus für den Fachunternehmer ergeben. Immobilienbesitzern oder Betreibern haustechnischer Anlagen gilt es, im vertrauten Kundengespräch Zusammenhänge deutlich zu machen und geeignete Dienstleistungen anzubieten, die Entlastung schaffen – ohne Argumente der Angst einzusetzen (siehe Kasten „Argumente für den Wartungsvertrag“).
Für Betreiber haustechnischer Anlagen ist es wichtig, dass Sorgfaltspflichten nicht vernachlässigt werden und dass versicherte Anlagen in einem ordnungsgemäßen Zustand gehalten werden. Damit Versicherer das Vertragsverhältnis nach mehreren Schäden nicht kündigen, können auch präventive Maßnahmen (z.B. Komplettsanierung von Rohrleitungen) notwendig sein.
Bei der Sanierung nicht vorschnell handeln
Für die Versicherer ergibt sich nur bei 15 % der gemeldeten Leitungsschäden ein klarer Fall von Rohrbruch. Ein Muffenversatz oder ein Wurzeleinwuchs gehören nicht dazu! Durch die zukünftigen Leitungs-Inspektionen droht die Inanspruchnahme erheblich größer zu werden. Deshalb unterstrich der Versicherungs-Experte des GDV, dass vor der Sanierung eine umfassende Dokumentation des Schadens notwendig ist. Dabei ist auch wichtig, die defekte Stelle mit dem jeweiligen Gebäude oder Grundstück eindeutig in Zusammenhang zu bringen, um Missbrauch auszuschließen (z.B. durch Kamera-Schwenk auf das Gebäude oder Aufzeichnungen mit den jeweiligen Koordinaten). Wird gar saniert, ohne dass die Ursache nachweisbar ist bzw. der Versicherer kontaktiert wurde, können Leistungen verweigert werden.
Unter den Versicherungen, die Rohrbrüche in ihre Policen aufgenommen haben, besteht großes Interesse, künftig Zustandserfassungen und Dichtheitsnachweise für Entwässerungssysteme nach einem definierten Verfahren (DIN 1986-30) zu verlangen.
Nötige Kenntnisse durch Weiterbildung
Nur verlässliche Handwerksunternehmen mit Sachkunde sollen prüfen, dokumentieren, beraten und instandsetzen. In den Kommunen, die die Sanierungspläne für Abwassersysteme umzusetzen haben, setzt sich diese Haltung mehr und mehr durch. Die öffentliche Hand wird in aller Regel nur noch diejenigen Fachbetriebe in eine Sachkundigenliste aufnehmen, die besonders qualifiziert sind. Immobilienbesitzer und Betreiber von Liegenschaften werden Zugriff auf diese Liste bekommen.
Franz-Josef Heinrichs, Referent für Sanitärtechnik im ZVSHK, gab einen Überblick zu den Weiterbildungsangeboten der SHK-Berufsorganisation. Fachhandwerker bringen ihre Kenntnisse rund um die Entwässerungstechnik auf den neuesten Stand, indem sie den mehrtägigen Kurs „Sachkundige für Herstellung, baulichen Unterhalt, Prüfung und Sanierung von Grundstücksentwässerungen“ erfolgreich abschließen. Nach Pilotschulungen in den letzten Wochen kommt diese Weiterbildung zunehmend in das Angebot der SHK-Landesverbände.
Kommunen geraten unter Zeitdruck
„Seit 1995 ist die Frist in Fachkreisen bekannt, dass bis Ende 2015 jede Grundstücksentwässerung erstmalig auf Zustand bzw. Dichtheit zu prüfen ist“, erinnerte Franz-Josef Heinrichs. „Erst durch medienwirksame Beschlüsse in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Schleswig-Holstein sind die Forderungen gemäß DIN 1986, Teil 30, jetzt bundesweit präsent.“ Während es auf Seiten des Fachhandwerks geeignete Schulungen für Mitgliedsbetriebe gibt, gelte es auf Seiten der Kommunen passende Konzepte zu entwickeln, um bei den Bürgern eine möglichst hohe Akzeptanz für die Ausbesserungsarbeiten zu erzielen.
Eine gemeinsame Basis für Fachhandwerk und Kommune ergibt sich aus dem DWA-Merkblatt M190. Karsten Selleng (Stadtentwässerung Braunschweig) brachte Details zu den relevanten Verordnungen und Verpflichtungen und zeigte aus Erfahrungen seiner Behörde Wege auf, wie sich in den kommenden Jahren bundesweit Abwassersysteme erfolgreich sanieren lassen. Dabei machte er seine Fachkollegen auf die Möglichkeit aufmerksam, über die jeweilige kommunale Satzung eine Fachbetriebsregelung zu etablieren und nur Sachkundige aus einer anerkannten Schulung für Inspektion und Sanierung zuzulassen.
Offenbar kommt der Zeitdruck für anstehende Sanierungspläne jetzt in den Kommunen an. Wie flexibel sich die Kommune dabei in der Fristsetzung verhalten sollte, wurde auf der Tagung diskutiert. Dem Immobilienbesitzer könnte beispielsweise mehr Zeit zur nötigen Leitungssanierung gewährt werden, wenn mittelfristig ohnehin Umbaumaßnahmen anstehen.
Kameras auch für kleine Nennweiten
Praktische Erfahrungen zur Inspektion und Druckprüfung von Entwässerungsleitungen auf privatem Grund wurden in mehreren Vorträgen weitergegeben. Was vor Jahren an Kameratechnik zur Verfügung stand, hat sich inzwischen deutlich weiterentwickelt. Doch noch immer ist es sehr schwierig, in alle Abzweigungen einer Grundstücksentwässerung eine Kamera für eine Zustandserfassung einzubringen. Digitale Farb-Kameras mit Schwenkkopf-Technik sind jedoch ein Muss, damit durch präzise Ortsbestimmung eine Sanierung geplant werden kann.
Fazit
Etwa 1,5 Millionen Kilometer Entwässerungssysteme auf privatem Grund gilt es in Deutschland zu prüfen. Wer als organisierter Handwerksbetrieb in den Sanierungsmarkt investieren will, sollte sich wegen des zeitlichen Vorlaufs bei seinem Landesverband um eine Schulung bemühen. Auch gilt es, sich darauf einzustellen, dass erhebliche Investitionen in die Ausrüstung für Kanalinspektion, Instandsetzung sowie Dichtheitsprüfung anstehen (siehe Interview). Die Abwassersysteme sind vermutlich bis zu 90 % sanierungsbedürftig. In diesen Markt mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro führt kein Schnupperkurs. TD
Entwässerung
Argumente für einen Wartungsvertrag
Für den Betreiber wird der Verwaltungsaufwand deutlich verringert, weil er nicht selbst nachweisen muss, wann welche Anlagen oder Geräte inspiziert und gewartet werden müssen.
Mit einem Inspektions- und Wartungsvertrag kann der Betreiber im Schadensfall den Nachweis führen, dass er seinen Verkehrssicherungspflichten nachgekommen ist.
Detailliert ausgeschriebene Inspektions- und Wartungsarbeiten per Vertrag machen dem Betreiber die Leistung nachvollziehbar und transparent.
Im Störfall wird ein Fachbetrieb kurzfristig vor Ort sein, wenn dies im Wartungsvertrag festgelegt ist. Weil dem Servicetechniker die haustechnische Anlage vertraut ist, bedarf es nicht erst zeitraubender Einweisungen.
Der Wartungsfachbetrieb ist mit Verschleißteilen vertraut und hält wichtige Ersatzteile auf Lager.