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Fachtagung Entwässerung

Stand-by im Milliardenmarkt

Inhalt

Die Fakten liegen seit Jahren auf dem Tisch: Bundesweit summieren sich marode Entwässerungssysteme auf privaten Grundstücken zu vielen Tausend Kilometern. Den Kommunen, dem Fachhandwerk und der Wohnungswirtschaft ist bewusst, dass in den nächsten Jahren viel geschehen soll und muss, damit Abwässer umweltgerecht ihren Weg durch den Untergrund nehmen.

Beim Privatmann und Häusle-Besitzer ist dieser dringende Handlungsbedarf nicht präsent. Und wenn doch: Ist dann der Weg zum Wut-Bürger zwangsläufig vorgezeichnet? Schließlich drohen hohe Ausgaben für eine Sanierung, die man nicht sieht und deren Profit für die Umwelt nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Auch kein Wellness-Gefühl lässt sich für den Investor in Aussicht stellen – da hat es die Werbung für ein neues Bad leichter.

Mit den Anwohnern eines Sanierungsgebietes lassen sich trotzdem im Konsens erstaunlich gute Ergebnisse erzielen. Es gibt interessante und gelungene Pilotprojekte, beispielsweise in Köln. Die DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall) sowie der ZVSHK tragen in ihrer jährlich im Januar stattfindenden Gemeinschaftstagung zusammen, was es Neues für die Entwässerungsbranche zu vermelden gibt. Vor rund 100 Teilnehmern kamen am 17. und 18. Januar 2011 in Fulda auch die Kölner Sanierungsbemühungen zur Sprache.

Der Hintergrund: Nordrhein-Westfalen setzte als erstes Bundesland die Frist, dass bis 2015 jedes Entwässerungssystem auf privaten Grundstücken inspiziert werden soll. Sind dabei Schäden zu erkennen, gilt es in einer angemessenen Frist für die fachgerechte Reparatur zu sorgen. Bereits im Vorfeld dieser landesweiten Fristsetzung wollte man in Pilotprojekten Erfahrungen sammeln, wie sich Sanierungsvorhaben in Absprache mit den Anwohnern mehr durch Überzeugung statt durch Verordnung realisieren lassen. In den Kölner Sanierungsbezirken zeigt sich, dass professionelle Öffentlichkeitsarbeit, die von Anfang an den Konsens mit den Anwohnern sucht, viel Positives erreichen kann.

Handwerksbetriebe brauchen ­zusätzliches Know-how

Lässt sich Gutes in Köln auf die gesamte Republik übertragen? Kann es jetzt landesweit in NRW und in anderen Ländern spürbar vorwärts gehen? Antwort: Jein. Nicht jeder Immobilienbesitzer kann und will etliche Tausender ins Erdreich stecken, ohne dass sich ein spürbarer Erfolg bzw. eine repräsentative Aufwertung der Immobilie ergibt. Auch die vorschnelle Begründung „Es liegt am fehlenden Geld“ lässt offenbar eine wichtige Voraussetzung außer Acht. In den Diskussionen in Fulda kam beispielsweise dieses Szenario zur Sprache: Angenommen, für jeden Hausanschluss wäre das Geld da. Wo sind Know-how und Tausende nötiger Fachbetriebe, um diese Herkulesaufgaben zu stemmen? Viele SHK-Unternehmer beobachten seit Jahren den Markt. Weil sie keine Entwicklung erkennen konnten, dass sich hohe Investitionen in Weiterbildung plus Maschinenpark in absehbarer Zeit rechnen, zögern sie.

Dennoch: Seit zwei Jahren wird intensiv daran gearbeitet, Qualifizierungsmaßnahmen für gütegesicherte bzw. zertifizierte Betriebe zu erstellen. Ziel ist es, zu einheitlichen Zulassungen und Arbeitsgrundlagen zu kommen für

  • Dichtheitsprüfung,
  • Kanalinspektion,
  • Schadensbewertung sowie
  • passende Sanierungsverfahren.

Im Gegensatz zu vielen Sanitärbetrieben sieht es bei den im Güteschutz Kanalbau organisierten Fachbetrieben besser aus. Durch ihre Zertifizierung sind sie bei Städten und Gemeinden gelistet. Sie sind auf das öffentliche Kanalnetz spezialisiert, führen aber auch Aufträge auf privaten Grundstücken aus. Dies gilt es in Zukunft neu zu organisieren.

Grundstücksgrenze soll in ­Zukunft Schnittstelle sein

Bald soll die Grundstücksgrenze die Schnittstelle sein, von der aus unterschiedliche Betriebe in entgegengesetzter Richtung arbeiten. Franz-Josef Heinrichs, Referent für Sanitärtechnik im ZVSHK, zu der geplanten Umstrukturierung: „Sanitärbetriebe betreuen schon immer die Entwässerungssysteme auf privatem Grund. In Zukunft werden sie dies weiterhin tun können, wenn sie entsprechend zertifiziert sind. Jenseits der Grundstücksgrenze kümmern sich die im Güteschutz Kanalbau organisierten Betriebe um die Systeme im öffentlichen Bereich.“

Die Kommunen sind weitgehend entschlossen, klare Vorgaben für speziell ausgebildete Firmen zu machen und unterstützen diese Entwicklung. In etlichen Städten ist es gängige Praxis, dass man zertifizierte Unternehmen mit spezieller Weiterbildung auf Listen veröffentlicht. Daraus können Bürger im Inspektions- und Sanierungsfall wählen. Die Entwicklung kommt nicht plötzlich: Seit ­Jahren sucht der ZVSHK nach praktikablen Lösungen, damit den Mitgliedsbetrieben das Geschäftsfeld Grundstücksentwässerung auf zeitgemäße Art durch entsprechende Qualifikationen offen bleibt. Franz-Josef Heinrichs hat die Entwicklungen begleitet: „Zunächst ging man von einem einheitlichen Weiterbildungsrahmen mit einem gemeinsamen Gütezeichen aus: Betriebe des Güteschutzes Kanalbau sowie Mitgliedsbetriebe der SHK-Organisation sollten Gleiches können. Doch dies erwies sich bald als unrealistisch.“

Zu unterschiedlich sind die erforderlichen Kenntnisse in den jeweiligen Gewerken und die dafür nötige Ausrüstung. Stattdessen sollen die genannten Betriebe diesseits bzw. jenseits der Grundstücksgrenze jeweils ein eigenständiges Gütezeichen führen, das in Abstimmung mit Städten und Gemeinden zu einer allgemeinen Anerkennung für den öffentlichen bzw. den privaten Entwässerungsbereich führt. Franz-Josef Heinrichs rechnet damit, dass weitere Verhandlungen bis zur Jahresmitte 2011 diesen Konsens möglich machen kann.

Ab wann lohnt die Weiterbildung?

Ist der Rahmen für Weiterbildungsmaßnahmen abgestimmt und die Vergabe der Gütezeichen geregelt, haben die SHK-Landesverbände grünes Licht, um entsprechende Kurse anzubieten. Wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln, ist zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation. Entscheidend für den SHK-Unternehmer wird sein, welche landesweite Frist für die Inspektion der Entwässerungssysteme gilt und wie die jeweilige Kommune die Sanierungsbemühungen vorantreibt, äußerten sich Branchenbeobachter in Fulda.

Wichtigster Störfaktor: Auf Druck der Wohnungswirtschaft haben Länder wie Schleswig-Holstein und Hessen ihre Fristen nicht mehr auf 2015 fokussiert, sondern um bis zu zehn weitere Jahre ausgedehnt. Stellt sich die Frage, ob der milliardenschwere Sanierungsmarkt dadurch auf absehbare Zeit im Standby-Zustand verharrt.

Für die Kommunen ändert sich nichts an der grundsätzlichen Maßgabe, die Sanierung voranzubringen. Auf Zeit zu spielen, wäre ­eine schlechte Lösung. Vielmehr könnte das Kölner Vorbild Schule machen, in dem man in einem eng bebauten Sanierungsgebiet Straße für Straße inspiziert und die Bürger frühzeitig mit den Sanierungsvorhaben vertraut macht. Neben der Sanierung des öffentlichen Netzes bekommen beispielsweise die Hausbesitzer das Angebot gemacht, dass die Inspektion der Hausanschlüsse durch Kameratechnik plus Dichtheitsprüfung zum Festpreis erfolgt und die Sanierung je nach Aufwand berechnet wird – allerdings stets durch zertifizierte Betriebe in enger Abstimmung mit der Kommune.

Deshalb gilt es für die Entscheider in den SHK-Betrieben erneut zu bewerten, ob der Start in die Zertifizierung möglichst bald ansteht. Der Wettbewerbsvorteil: Es ist um so wirkungsvoller, wenn man sich durch entsprechende Weiterbildung frühzeitig in der Region als gelistetes Unternehmen empfehlen kann.

Tücken bei der Sanierung

Die Gemeinschaftstagung in Fulda präsentierte vieles von dem, was der Fachbetrieb braucht und wissen muss, um sich dieses Geschäftsfeld zu erschließen. Vorträge und Ausstellung reichten von den neu genormten Verwendungsbereichen der Abwasserrohre (DIN 1986-4) über Sanierungsverfahren bis hin zur Betriebsausrüstung. Sollen beispielsweise undichte Systeme nicht komplett erneuert, sondern durch Inliner oder Flutungsverfahren saniert werden, gilt es wichtige Rahmenbedingungen einzuhalten.

Wilfried Günzel, Sachverständiger in der Region Detmold, brachte mit sechs verschiedenen Schadensfällen genügend Salz in die Suppe. Seine wichtigsten Botschaften aus den gerichtlichen Auseinandersetzungen, die aus seiner Sicht in den letzten fünf Jahren stark zugenommen haben, sind eigentlich Selbstverständlichkeiten: Stets die Vorgaben für Einbau und Verarbeitung beachten, die das DIBT (Deutsche Institut für Bautechnik) für das jeweilige Produkt herausgegeben hat, sowie nach den anerkannten Regeln der Technik arbeiten!

Nicht selten offenbaren Schadensfälle bereits wenige Monate nach der Sanierung, dass der Zustand der Rohrleitungen für Inliner nicht richtig vorbereitet war oder dass aufgrund der Rahmenbedingungen ein anderes Sanierungsverfahren besser gewesen wäre. TD