Der Vergleich brachte es auf den Punkt: „Die meisten wohnen heute in einer Thermoskanne“, sagte Michael Sietzy vom Lüftungshersteller Aerex/Maico und zielte damit auf die Lebensbedingungen in luftdichten Gebäuden. Seine Botschaft an die Teilnehmer des Forums für Wohnungslüftung war, der Notwendigkeit für den Mindestluftwechsel hohe Priorität einzuräumen. Aus seiner Sicht fehle es in der Wohnungswirtschaft an der vorausschauenden Planung, wenn jetzt eine Sanierung ohne Wohnungslüftung stattfindet. Seine Prognose: „Wenn heute etwas saniert wird, bleibt dieser Zustand für die nächsten 30 Jahre erhalten. Doch das Problem wird sein, dass sich die Immobilie in etwa zehn Jahren nicht mehr als attraktiver Wohnraum vermieten lässt – sollte es an einer kontrollierten Wohnungslüftung mangeln.“
Künftig mehr Lüftungstechnik
Zukünftige Entwicklungen waren vielfach Thema auf dem 6. Forum für Wohnungslüftung, das die HEA – Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendung – in Kooperation unter anderem mit dem SHK-Handwerk am 16. Oktober in Darmstadt veranstaltete. Beispielsweise fordert die EnEV ab dem Jahr 2016 sowohl luftdichte als auch einen nochmals um 25% verringerten Primärenergiebedarf bei Neubauten. Auch wird EU-Recht dafür sorgen, dass ab 2019 öffentliche Neubauten und ab 2021 alle Neubauten als Niedrigstenergiegebäude errichtet werden müssen. Sollte man in diesen extrem abgedichteten Gebäudehüllen auf das offene Fenster angewiesen sein, um an frische Luft zu kommen? Erst recht in der Heizperiode? Planer, die sich mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch neuer Immobilien auseinandersetzen, sehen da kaum eine Alternative zur kontrollierten Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung. Doch die Zukunft betrifft keineswegs nur den Neubau. Die zuständigen Bundesministerien erarbeiten derzeit Regelungen, die für die energetische Sanierung im Bestand bindend sein sollen – was der kontrollierten Wohnungslüftung weiteren Zuspruch bringen wird. Darüber hinaus muss die Bundesregierung in den nächsten Jahren eine EU-Richtlinie zur Radonbelastung in nationales Recht umsetzen. Dies wird beispielsweise Anforderungen an die Kellerlüftung zur Folge haben.
In die Fassade integriert
Bei Lüftungsgeräten etabliert sich eine neue Bauform: Jetzt lassen sich erste Geräte in die Fassade integrieren, was eine teils beträchtliche Einsparung von Leitungswegen bedeutet. Oliver Kah vom Passivhaus Institut erläuterte, dass dabei nicht jeder einzelne Wohnraum mit einem Gerät bestückt werden muss, sondern je nach Bauart auch ein weiterer Raum versorgt werden kann oder sogar eine Kaskadenlüftung durch mehrere Zimmer möglich ist. Offenbar arbeiten Lüftungshersteller daran, dass solche Lösungen nicht nur für den Neubau empfehlenswert sind, sondern bald auch für die Sanierung ins Angebot kommen.
Die Vorteile: Durch die Integrierung in die Fassade muss der Planer im Gebäude keine Brandabschnitte durch kostspielige Technik überwinden und auch die Wartung könnte konstruktionsbedingt einfacher und ohne Terminabsprache mit Mietern vorgenommen werden – gerade solche Punkte sind bedeutsam für die Wohnungswirtschaft.
Nutzer brauchen einfache Handhabung
Was ist dem Nutzer bei der Bedienung einer Lüftungsanlage zuzumuten? Marc Großklos (Institut Wohnen und Umwelt) präsentierte Ergebnisse etlicher Befragungen unter Passivhausbewohnern. Dabei zeigt sich deutlich, dass die meisten Eigentümer in den selbstgenutzten vier Wänden ein hohes Verständnis dafür zeigen, dass die Lüftungsanlage zunächst richtig eingestellt wird. Sie nehmen auch eine nicht einfache Bedienung in Kauf und zeigen sogar eine hohe Bereitschaft, selbst eigene Wartungsarbeiten wie einen Filterwechsel durchzuführen. Das gilt erst recht für Bauherren von Passivhäusern, die Ende der 1990er-Jahre entstanden. Die Akzeptanz für diese Lüftungstechnik lässt sich bei dieser Nutzergruppe dank Pioniergeist als hoch einstufen.
Bei Mietern sieht dies anders aus. Sie benötigen eine möglichst einfache Bedienung, wobei sich ein simpler Mehrstufenschalter als gute Lösung erwiesen hat. Damit die Lüftung bestimmungsgemäß arbeitet, bedarf es offenbar einer persönlichen Einweisung samt Kurzbeschreibung, die für große Wohnanlagen gleich mehrsprachig zur Verfügung stehen sollte. Wie die Befragungen zeigen, lässt sich eine hohe Akzeptanz bei diesen Nutzern am besten erreichen, wenn ein Ansprechpartner für Rückfragen benannt wird.
Lüftung und Einzelfeuerstätte
Gleich mehrere Ansprechpartner braucht der Planer, wenn er neben der Lüftungsanlage auch noch eine Einzelfeuerstätte ins Energiesparhaus holen möchte. Denn Schornsteinfeger, Heizungsbauer, Hersteller und vielleicht auch der Bauherr sehen bei diesem Thema einen unterschiedlichen Handlungsbedarf. Gerade in modernen Wohngebäuden mit einer geringen Heizlast bietet sich die Einzelfeuerstätte als zusätzliche Beheizungsoption an. Doch in Kombination mit einer notwendigen Lüftungsanlage könnte ein gefährlicher Unterdruck im Raum entstehen und dies muss technisch verhindert werden. Dazu schlägt die DIN 1946-6 vor, dass die Lüftungsanlage eine entsprechende Eignung mitbringt (durch F-Kennzeichnung deutlich gemacht). Aber ein solches Lüftungsgerät gibt es bislang leider nicht auf dem Markt...
Dagegen hat sich eine andere Lösung etabliert: Wenn eine raumluftunabhängige Feuerstätte in Kombination mit einer Lüftungsanlage betrieben werden soll, wird ein Differenzdruckwächter mit Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) installiert. Doch Christian Wolf (ZVSHK) stellte auf der Tagung in Frage, ob ein Differenzdruckwächter als geeignete Sicherheitseinrichtung tatsächlich zielführend ist. Ungünstige Druckverhältnisse im Raum, die nichts mit der Lüftungsanlage zu tun haben müssen, könnten beispielsweise zum Abschalten der Lüftungsanlage führen. Gerade in Gebäuden, die auf die maschinelle Lüftung angewiesen sind, könne dies kein Dauerzustand sein. Darüber hinaus bliebe die Feuerstätte jedoch weiter aktiv und Rauchgase könnten nach wie vor in den Raum strömen.
Feuerstätte braucht praktikable Lösung
Viel gefährlicher sei aber die unzureichende Definition der raumluftunabhängigen Feuerstätten. Wolf betonte, dass der gleichzeitige Betrieb von Feuerstätte und Lüftungsanlage durchaus möglich wäre, doch müssen als Voraussetzung sowohl Lüftungsgerät als auch Feuerstätte eine entsprechende DIBt-Zulassung besitzen. Auch dürfe die Lüftungsanlage dann nur einen maximalen Unterdruck von 8 Pascal im Aufstellraum erreichen können.
Gerade diese in der Zulassung beschriebene Bedingung sei in der Praxis zu wenig bekannt und führe regelmäßig zu Konfrontationen zwischen den beteiligten Parteien. Dabei beginnt das Problem bereits in der Musterfeuerungsverordnung, welche die raumluftunabhängigen Feuerstätten nur unzureichend beschreibt. Wichtige und notwendige Aufgabe ist es deshalb, dass SHK-Handwerk, Schornsteinfeger, DIBt sowie Prüfstellen einen Konsens finden und dies in technischen Regeln und im Verordnungswerk festhalten, um über verbindliche Definitionen zu praktikablen Lösungen zu kommen.
DIN 1946-6 dem aktuellen Stand anpassen
Die für die Wohnungslüftung wichtige Norm DIN 1946-6 ist zuletzt vor fünf Jahren novelliert worden und muss ohnehin überarbeitet bzw. ergänzt werden. Frank Hartmann (Forum Wohnenergie) erläuterte den Handlungsbedarf:
- Gebäudetypen brauchen eine präzisere Beschreibung
- der Bereich Lüftung als Feuchteschutz lässt sich erweitern
- die Definitionen zu Schadstoffquellen füllen inzwischen eine stattliche Tabelle und
- nicht zuletzt geht es um die Kellerlüftung einschließlich Radonbelastung.
Der letztgenannte Punkt ist ein in Deutschland bislang kaum berücksichtigtes Thema, das von Brüssel kommt und in nationales Recht umzusetzen ist. Das kann das Geschäftsfeld für die Lüftungstechnik erweitern.