Der Corona-Shutdown begann im Frühjahr und endete im Frühsommer. Diese zeitliche Komponente war umso bedeutender, als dass in den Sommermonaten eine effektive Durchlüftung von Gebäuden möglich war. Die hohe Luftwechselrate hat vermutlich dazu beigetragen, die Ansteckungsgefahr durch das Einatmen von virenbelasteten Aerosolen zu minimieren.
Doch diese Praxis lässt sich in der kalten Jahreszeit nicht in gleichem Maß aufrechterhalten – zumal wenn sich in beheizten Räumen ohne Lüftungsanlage ein behagliches Raumklima einstellen soll. Zwar lassen sich Fenster und Türen für eine Stoßlüftung öffnen, doch wie kann dies kontrolliert und angemessen geschehen? Und welche Unterschiede bestehen, um für einen Wohnraum, ein Klassenzimmer oder eine Messehalle den vermutlich ausreichenden Luftwechsel bereitzustellen?
ZVSHK-Hauptgeschäftsführer Helmut Bramann gibt aus Sicht des SHK-Handwerks Antwort auf diese Fragen unter aktueller Bezugnahme auf eine Ausarbeitung der RWTH Aachen (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule), die kürzlich unter dem Titel „Vereinfachte Abschätzung des Infektionsrisikos durch aerosolgebundene Viren in belüfteten Räumen“ veröffentlicht wurde.
Dort wurde ein Ansatz entwickelt, der ein relatives Infektionsrisiko durch einen Virustransport über Aerosole in unterschiedlichen Räumen und Nutzungen gegenüber einer Wohnung als Referenzumgebung berechnet. Der wissenschaftliche Beitrag mit Details zu Untersuchungen und einer Zusammenfassung im Umfang von 15 Seiten steht zum Download bereit unter www.zvshk.de (als Suchwort den Quicklink QL51117413 eingeben).
SBZ: Herr Bramann, mit dem Start in die kalte Jahreszeit verlagern sich viele Aktivitäten zurück in beheizte Gebäude. Dort gibt es entweder keine Lüftungsanlage oder eine mechanische Lüftung mit hohem Umluftanteil. Inwieweit begünstigt dies die Ausbreitung von Aerosolen, die mit Viren belastet sein können?
Helmut Bramann: In der uns bevorstehenden Winterzeit gibt es in geschlossenen Räumen oft weniger Luftaustausch. Wer sich eine längere Zeit mit vielen anderen Leuten im gleichen Raum aufhält, setzt sich einer erhöhten Gefahr aus, sich zu infizieren, wenn das Gebäude weder über eine Lüftungsanlage verfügt noch angemessen mechanisch gelüftet wird. Hier kann aber Abhilfe geschaffen werden. Eine Generallösung gibt es dabei nicht, aber man kann gute Antworten finden: Vernünftiger als dauerhaftes „Fenster auf“ oder immer wieder umfassende Desinfektionen wäre zum Beispiel die raumweise Nachrüstung einer Be- und Entlüftungsanlage. Sie sorgt für eine Frischluftzufuhr von außen und kann diese kühlen oder wärmen: Die verbrauchte Luft wird abgesaugt und nach außen abgegeben und Frischluft wieder in den Innenraum gebracht. Die Luftwechselrate führt in jedem Fall zu einer Verminderung der Keimkonzentration in der Innenraumluft.
SBZ: Welchen Einfluss hat denn die Luftwechselrate?
Bramann: Das hängt von der Größe des Raumes ab. Man kann beispielsweise sagen, dass das Infektionsrisiko in einer Messehalle mit typischen Luftwechselraten deutlich unterhalb des Risikos einer häuslichen Referenzumgebung liegt. Üblich sind hier drei Luftwechsel pro Stunde. Bei gleicher flächenbezogener Personendichte in einer Messehalle und einem Klassenzimmer hat die Person in einer Messehalle allerdings eine deutlich größere vertikale Luftsäule zur Verfügung.
Übrigens: Das Messegelände der ISH 2021 ist vor diesem Hintergrund ein ziemlich sicherer Ort. Das hohe Qualitätsniveau im Anlagenbetrieb ermöglicht in den Messehallen einen bis zu fünffachen Luftwechsel und die Anlagen können mit 100 % Außenluft gefahren werden. Dazu kommt die hochwertige Filterung der Zuluft.
SBZ: Sie zielen darauf ab, dass die ISH in Frankfurt gute Voraussetzungen für die Durchführbarkeit vorfindet?
Bramann: Das Interesse an diesem Branchentreff bewegt die gesamte SHK-Welt und deshalb messe ich den fundierten Aussagen der RWTH Aachen hohe Bedeutung bei. Die Messe Frankfurt hat zudem ein aus meiner Sicht wirklich überzeugendes Sicherheits- und Hygienekonzept vorgelegt, das weit über die ohnehin schon hochgesteckten verordnungsrechtlichen Anforderungen hinausgeht. Die aktuellen Forschungsergebnisse aus Aachen können nun mit dazu beitragen, die bestehenden Bedenken bei Ausstellern und Messebesuchern zu entkräften. Aus meiner Sicht kann die ISH unter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienevorschriften stattfinden.
SBZ: Während die ISH auf März 2021 terminiert ist, startet mit dem September das neue Schuljahr und die Heizperiode. Welches Lüftungskonzept bietet sich für Klassenzimmer an, von denen die wenigsten über eine Lüftungsanlage verfügen?
Bramann: Klassenzimmer werden wegen der Belegungsdichte und der Nutzungsdauer in der Studie der RWTH Aachen als besonders kritisch eingestuft. Selbst wenn sich im Raum statt des Maximums von 35 Personen nur 18 Personen aufhielten, wäre ein dreifacher Luftwechsel pro Stunde und damit ein Volumenstrom von 630 m3/h notwendig – das mag eine Lüftungsanlage leisten, aber keine Fensterlüftung im Winter und möglicherweise bei lauter Außenumgebung.
SBZ: Wozu raten die Fachleute der RWTH?
Bramann: Für die Luftqualität gilt seit Langem, dass die CO2-Konzentration im Raum nicht höher als 1000 ppm liegen sollte. Doch ein Messgerät kann diesen Wert nur punktuell erfassen und den nötigen Luftaustausch deutlich machen, während in anderen Bereichen des Raumes die CO2-Konzentration kritischer sein kann. Um die Risiken einer Virenübertragung durch Aerosole bewerten zu können, ist auch von Bedeutung, wie hoch der Sprechanteil der anwesenden Personen ist. Darauf muss das Lüftungskonzept abgestimmt sein.
SBZ: Apropos Lüftungskonzept – in vielen Schulen besteht ein hoher Sanierungsbedarf. Muss dem kontrollierten Luftaustausch in Zukunft ein anderer Stellenwert eingeräumt werden?
Bramann: Mit Sicherheit. Nicht nur die Wissenschaft rät seit Langem, beim Neubau und bei Sanierungen von Schulen eine ausreichend bemessene Lüftungstechnik einzubauen. Und das dafür erforderliche Know-how hat unser Handwerk. Unsere SHK-Fachbetriebe für Lüftungstechnik setzen sich jetzt eingehend mit den gestiegenen Anforderungen auseinander, um in Corona-Zeiten die passende Technik für den nötigen Luftwechsel in Gebäuden sicherzustellen.