Es ist Schwachsinn, was da beschlossen wurde! Wie soll die neue Trinkwasserverordnung denn kostenneutral umgesetzt werden?“ Prof. Werner Mathys redete Klartext auf dem 13. Sanitärsymposium Ende Januar in Burgsteinfurt. „Der dort enthaltene §13 schreibt vor, dass jeder, der Wasser an Dritte abgibt, diese Trinkwasseranlage dem zuständigen Gesundheitsamt anzuzeigen hat.“ Wenn man dies konsequent umsetzen würde, gäbe es eine Flut von Verwaltungsaufgaben für Städte und Gemeinden, machte Prof. Mathys klar. Ohne deutliche personelle Aufstockung mit entsprechend hohen Kosten sei dies aber nicht zu bewältigen. Seine Empfehlung an die Kommunen trug zur allgemeinen Erheiterung bei: „Schon jetzt müssten theoretisch massenweise Bußgeldbescheide raus, weil erst wenige Betreiber eine nötige Meldung über ihre Trinkwasseranlage abgegeben haben.“
Datenbank statt Aktenberge
Die Gemeinschaftsveranstaltung der Münsteraner Fachhochschule für Sanitärtechnik und des ZVSHK war erneut ausgebucht. Etwa 250 Spezialisten aus Handwerk, Planungsbüros und kommunaler Verwaltung wollten Erfahrungen darüber austauschen, wie die Umsetzung der TVO jetzt nach einigen Wochen Praxis aussieht. Dorit Döpke vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasser (IWW-Nord in Diepholz) gab den Rat, keinesfalls untätig zu bleiben, auch wenn nicht alle Forderungen der TVO umsetzbar seien. Vielmehr sollten Handwerksbetriebe und Planungsbüros den Kontakt zu den Gesundheitsämtern und anderen relevanten Stellen in Städten und Gemeinden suchen. Wichtig sei es herauszufinden, welche Forderungen der TVO in absehbarer Zeit in die Praxis umgesetzt werden können.
Auf dem Weg zur automatisierten Datenerfassung schilderte sie die Bemühungen in ihrer Region. Dort wird an einer Software gearbeitet, damit Betreiber von Trinkwasseranlagen baldmöglichst per Internet ihre Daten ordnungsgemäß melden können. Ein wichtiger Schritt, um neue Aktenberge zu vermeiden.
Trinkwasser-Check offenbart Schwachstellen
Grundlegende Kenntnisse zur TVO wollte man im vollbesetzten Audimax nicht mehr vermitteln, sondern Auswirkungen und Erfahrungen in der Umsetzung erörtern. Franz-Josef Heinrichs (ZVSHK) gab den Praktikern den Rat, dass ein Trinkwasser-Check als Erstmaßnahme wichtige Hinweise über die Anlage geben kann. Es zeige sich, dass niedrige Temperaturen auf der Warmwasserseite kritisch seien. Man solle allerdings immer die gesamte Anlage für eine aussagefähige Beurteilung im Blick haben. Der Experte für Sanitärtechnik: „Eine Erhöhung der Warmwassertemperatur zur Legionellenabwehr kann bei einer nicht fachgerecht ausgeführten Installation aber beispielsweise auch dazu führen, dass Kaltwasser unzulässig erwärmt wird.“
Technischer Maßnahmewert als neues Hygienemaß
Die TVO hat den Begriff „technischer Maßnahmewert“ eingeführt. Er bezieht sich auf das Ergebnis einer Wasserprobe und liegt für Legionellen bei 100 KBE pro 100ml Wasser (KBE: Kolonien bildende Einheiten). Ergibt sich durch die Analyse ein solcher erhöhter Wert in einer Trinkwasseranlage, so ist er nicht als Grenzwert zu verstehen, wohl aber als meldepflichtiger Indikator. „Klären Sie schon jetzt mit Ihrem Gesundheitsamt ab, was in einem solchen Fall zu tun wäre. Dann wissen Sie, ob Sie auch noch am Freitagnachmittag vor dem Wochenende gemäß TVO unverzüglich eine Meldung einreichen müssen“, riet Dorit Döpke den Fachunternehmern. Bereits vor einem Ernstfall sollte ein rechtlich abgesicherter Plan gemeinsam mit Gesundheitsamt, Wasserlabor und Handwerksbetrieb ausgearbeitet sein.
Gefährdungsanalyse geht nur im Team
Wenn der technische Maßnahmewert bei 100 KBE pro 100ml liege, sei dies ein Hinweis auf vermeidbare technische Mängel. Prof. Werner Mathys stellte klar, dass der Betreiber dann vom Gesundheitsamt verpflichtet werden kann, eine Gefährdungsanalyse zu erstellen. „Wer soll das machen? Der Sanitärbetrieb allein kann das nicht leisten“, kritisierte Hygienespezialist Mathys die allgemein gehaltene Vorgabe der TVO. Nur im Team (Hygieniker und Fachkundiger) lasse sich beispielsweise ermitteln, welche Gefährdungsgruppen es gibt. Laut TVO müssen zumindest folgende Punkte geklärt werden:
- Ist die Trinkwasser-Installation hygienisch-technisch so beschaffen, dass eine Vermehrung von Legionellen unter Kontrolle ist?
- Müssen Veränderungen im System vorgenommen werden?
- Sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten?
- Wie verhält sich das Temperaturniveau?
- Ist die Anlage hydraulisch abgeglichen?
- Gibt es Totstränge mit Stagnation?
- Welche Verbraucher sind betroffen?
- Werden im Gebäude Risikogruppen versorgt?
Wie sag ich’s meinem Kunden?
Aufmerksam verfolgte das Fachpublikum zahlreiche Wortmeldungen. Als brisant bezeichnete ein Sanitär-Unternehmer beispielsweise die Situation, wenn offenbar werde, dass eine Trinkwasseranlage kontaminiert sei. Die geäußerte Befürchtung: Mit der Meldepflicht ergebe sich nämlich gleichzeitig auch die Gefahr, als Überbringer der Botschaft diesen Kunden zu verlieren. Doch die TVO spricht klare Worte für die Zuständigkeit: Bei kritischen Anlagewerten muss der Fachbetrieb den Betreiber in Kenntnis setzen. Der wiederum muss aufgrund des Maßnahmewertes das Gesundheitsamt informieren.
Thomas Herrig, Fachanwalt für Baurecht, kennt die Konsequenzen in vielen Facetten – bis hin zur Gerichtsverhandlung. Er riet den Fachunternehmern, sich im Gespräch mit dem Betreiber auch bei schlechten Nachrichten als Teil der Problemlösung zu empfehlen. Keinesfalls solle man kritische Werte verharmlosen und die Gesundheit von Endverbrauchern riskieren.
Interessant auch die Frage eines Teilnehmers, wer und wann im Ernstfall alle Bewohner einer Wohnanlage über die Beschaffenheit des Trinkwassers in Kenntnis setzen muss. Antwort: Es fällt in die Kompetenz des Gesundheitsamtes, den Betreiber zu bestimmten Maßnahmen aufzufordern.
Wasserprobe wie beim Doping?
Bundesweit wird millionenfach Trinkwasser an Dritte abgegeben. Überall dort erwartet die TVO, dass ein zertifizierter Probenehmer nach festgelegten Regeln an vorbereiteten Entnahmestellen tätig wird und die Wasserproben an ein zugelassenes Labor weiterleitet. Dr. Georg Tuschewitzki vom Hygiene-Institut Ruhrgebiet sieht hier Ansatzpunkte bei rechtlichen Auseinandersetzungen: „Die Gegenseite wird genau prüfen, ob die verschiedensten Vorschriften penibel eingehalten wurden. Das beginnt bereits damit, ob die Entnahmestellen in der Trinkwasseranlage richtig positioniert und ordnungsgemäß erstellt sind.“ Es sei nicht anders als bei einer Dopingprobe. Weil es bei einem Rechtsstreit meist um viel Geld gehe, suche man Schwachstellen zu finden, um die Schuldfrage von sich ablenken zu können. Die Betriebe sind gut beraten, sich durch qualifizierte Schulungen auf das Geschäftsfeld rund um die neue TVO auszurichten.