In den inzwischen 20 Sanitärtechnischen Symposien der Fachhochschule Münster/Burgsteinfurt ist Prof. Werner Mathys wiederholt unter den vortragenden Experten gewesen. Stets können die Zuhörer auf den vollbesetzten Rängen sicher sein, dass er mit seiner unumstrittenen Expertise und einer guten Prise Humor klare Worte dafür findet, wie es um die Trinkwasserhygiene vom Einfamilienhaus bis zum weit verzweigten Gebäudekomplex bestellt ist.
Am 20. Februar 2020 wurde sein Vortrag auf der Jubiläumsveranstaltung mit Spannung erwartet, denn der Titel „Legionella, Pseudomonas und Co.: Kein Ende in Sicht! Was läuft falsch?“ versprach Zündstoff. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten Sanitärplaner, Fachunternehmer und Studenten auf den Rängen des Audimax in Burgsteinfurt, was Prof. Mathys an Informationen aufbereitet hatte.
Kontaminationen haben zugenommen
„Je mehr Gefahrenanalysen zur Trinkwasserhygiene erstellt werden, desto mehr Legionellenerkrankungen gibt es – ist das Zufall?“, fragte er provokant in den Saal. Im Stakkato brachte Prof. Mathys via Beamer teils spektakuläre Fälle von Kontaminationen der letzten Jahre auf die Leinwand. Damit demonstrierte er, dass der Trend keineswegs zu einer Besserung der Trinkwasserqualität in der häuslichen Installation führt. Nein, aus seinen Erkenntnissen lässt sich nicht nur für Deutschland, sondern für Europa das Gegenteil herauslesen.
Der Professor weiß, wovon er spricht. Seit über 40 Jahren verfolgt er akribisch die Entwicklungen rund um die Legionelle. Weil sie zuhauf Arbeit bringe, habe sie durchaus das Zeug dazu, zum Wappentier des Sanitärhandwerks ernannt zu werden, merkte er vor Jahren in einem seiner Vorträge etwas süffisant an – und hatte die Lacher auf seiner Seite.
Doch zum Spaßen gab es diesmal keinen Anlass. Er ließ die Zuhörer teilhaben an einem Katalog von Fragen, die für ihn Relevanz haben: Wird durch eine verbesserte Diagnostik mehr bekannt? Sind gemeldete Zahlen nicht repräsentativ? Gibt es bislang unbekannte Reservoire, die Kontaminationen Vorschub leisten? Stets hatte er eine kurze Antwort parat: „Möglich.“
Trinkwasser warm und kalt beobachten
Prof. Mathys lenkte die Aufmerksamkeit auf einen Punkt, dem offenbar eine Schlüsselrolle zukommt. „Grundfalsch ist es, sich nur auf die einwandfreie Qualität des erwärmten Trinkwassers zu konzentrieren! Selbst wenn die Güte dort zu 100 % gegeben ist, bleiben andere Quellen für eine Kontamination bestehen“, stellte er klar. Problematisch sei beispielsweise in vielen Installationen, dass die Erhöhung von Warmwassertemperaturen in einen unkritischen Bereich oberhalb von 60 Grad dazu führe, dass in der Installation ein bedenklicher Wärmeübergang zu benachbarten Kaltwasserleitungen stattfinde. Am Ende einer Aufzählung weiterer möglicher Ursachen für eine Kontamination kam der erfahrene Hygieniker zu dem Schluss, dass man immer noch nicht genug wisse …
Krisenmanagement versagt häufig
Kein Verständnis zeigte Prof. Mathys für ein lückenhaftes, teils fahrlässiges Krisenmanagement bei einem aufgedeckten Legionellenfall. Veröffentlichungen aus der Lokalpresse verschiedener Regionen ließ er Revue passieren. Ein vom Gesundheitsamt angeordnetes Duschverbot sei im Akutfall zwar obligatorisch. Weitere wichtige Maßnahmen, die den Ursachen einer Kontamination auf den Grund gehen, ließen aber oft auf sich warten.
RKI und DVGW im Widerspruch
Zwischen einer Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI) und dem DVGW-Arbeitsblatt W556 sieht Prof. Mathys einen eklatanten Widerspruch. Erst oberhalb des sogenannten Gefahrenwertes von 10 000 Kolonien bildenden Einheiten pro 100 Milliliter (KBE/ml) sei eine Gefahrenabwehr erforderlich, die in einer Desinfektion und/oder Nutzungseinschränkung bestehe, erläuterte er. Doch herrsche längst bei einer Vielzahl von Sanitärfachleuten Konsens darüber, dass eine thermische Desinfektion nicht als geeignete Gegenmaßnahme einzustufen ist. Provokant fragte Prof. Mathys in den Saal: „Und was ist bei 9000 KBE pro 100 ml? Ist die Welt dann noch in Ordnung?“
Etliches läuft falsch
In etlichen Punkten benannte der Hygieniker das, was aus seiner Sicht in der Legionellen-Prophylaxe falsch läuft:
Welche Legionelle ist es denn?
Prof. Mathys verglich die Gefährlichkeit unterschiedlicher Legionellen-Stämme, die mal harmlos „wie ein Pudel“ oder aber aggressiv „wie ein Kampfhund“ sein könnten. Untersuchungen in den USA hätten ergeben, dass von mehr als 60 unterschiedlichen Arten vor allem die Legionella pneumophila Sg1 (Lp1) im Vordergrund steht, weil sie dort für mehr als 80 % der Infektionen verantwortlich ist.
Für Deutschland habe das RKI im Jahr 2017 erklärt, dass besagte Legionellen-Art als Ursache für 99 % der Erkrankungen anzusehen ist. Prof. Mathys folgert daraus, dass es sehr bedeutungsvoll für den Sanitärfachmann ist, welche Legionellen-Spezies das Labor bestimmt hat. Das müsse in Erfahrung gebracht werden, stellte er klar und begründete dies.
Infektionsrisiko ist unterschiedlich zu werten
Aus der möglichen Aggressivität der vorkommenden Legionellen zog der Professor die Schlussfolgerung: „Die Kenntnis des Stammes und seiner Virulenz ist damit für eine Abschätzung des Infektionsrisikos von gleicher oder wahrscheinlich sogar größerer Wichtigkeit als die Anzahl der Legionellen in einem Medium.“
Die mikrobiologische Grenzwertbildung hält Prof. Mathys für sehr fragwürdig, weil die individuelle Immunlage betroffener Personen großen Einfluss habe. Wie bereits erwähnt, liegt der definierte Gefahrenwert für Sofortmaßnahmen in der Höhe von 10 000 KBE/100 ml. Der definierte Technische Maßnahmenwert (100 KBE/100 ml) müsse aber bereits als Aufforderung verstanden werden, die Ursache zu finden und zu beseitigen, statt Symptome unter einem definierten Level zu halten.
Gefährdungsanalyse soll früher erfolgen
Damit sich die Entwicklung bei den Kontaminationen ins Positive kehre, müsse ein Umdenken einsetzen, forderte Prof. Mathys und sprach sich für das Motto „Prävention statt Reaktion“ aus. Während mancher Betreiber erst dann an einem Notfallplan arbeite, wenn eine Legionellose offenbar geworden ist, müsse die Arbeit sehr viel früher einsetzen.
Die technisch-hygienische Gefährdungsanalyse gehöre bereits in die Phase von Planung und Entstehung eines Gebäudes. Schon jetzt arbeite die Europäische Union an einem novellierten Water Safety Plan, in dem diese Forderung verbindlich werden soll.
Die Charts zum Vortrag hat der Fachbereich Energie Gebäude Umwelt (EGU) der FH Münster online gestellt unter:
fh-muenster/egu/symposium 2020