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Zehnte gemeinsame Entwässerungstagung

Grundstücksgrenze verbindet

Inhalt

Was der Fachmann an wichtigen Details zur Gebäude- und Grundstücksentwässerung benötigt, findet sich zusammengefasst in der neu überarbeiteten DIN 1986-100. Statt wie in der Vergangenheit 14 verschiedene Regelwerke bemühen zu müssen, lässt sich jetzt übersichtlich ge­glie­dert alles aus einer Norm entnehmen.

Zur gemeinsamen Veranstaltung von ZVSHK und DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall), zu der etwa 130 Teilnehmer am 27. und 28. Januar 2009 nach Fulda kamen, ging es zunächst um wichtige Punkte bei der Planung und Ausführung von Sammel- und Grundleitungen. Prof. Bernd Rickmann (FH Burgsteinfurt) warnte davor, sich für die Dimensionierung größerer Systeme nur auf Tabellenwerte zu verlassen. „Das mag für Überschlagsrechnungen ausreichen“, gestand er zu, „doch in komplexen Entwässerungen verlangt die Hydraulik nach detaillierten Berechnungen.“ In seinem Vortrag gab er Erfahrungen aus Störfällen und Schadensbildern weiter. Aufgrund eines Auftrages des ZVSHK konnte unter seiner Teamleitung mittels umfangreicher Versuche nachgewiesen werden, dass durch verringerte Spülmengen und reduzierte Nennweiten in häuslichen Schmutzwasseranlagen zumindest gleichwertige Spülergebnisse und Selbstreinigungs­effekte zu erzielen sind. Diese Erkenntnisse haben zu Änderungen in der Normung geführt.

Starkregen anders berücksichtigen

Starkregenereignisse haben der Entwässerungs-Norm ihren Stempel aufgedrückt. Bedingt durch den Klimawandel hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) zu erwartende außergewöhnlich heftige Niederschläge neu definiert. Ein 5 Minuten dauernder Starkregen, der statistisch einmal in 5 Jahren zu erwarten ist, muss heute etwa um 10 % reichhaltiger bemessen werden als früher.

Dr. Hans-Reinhard Verworn (Uni Hannover) gab einen Einblick, wie die aktualisierte Datenbank Kostra DWD 2000 alle Regionen Deutschlands erfasst hat und von Entwässerungsspezialisten für die Planung genutzt werden kann.

Prof. Bernd Rickmann erläuterte wichtige Punkte in der Entwäs­serungstechnik auf privatem Grund. Die kommunalen Wasserbehörden würden jetzt deutlich stärker darauf drängen, dass möglichst wenig Niederschlag dem öffentlichen Entwässerungssystem zugeführt werde. Deshalb gelte es, eine zeitlich bedingte Regenrückhaltung oder besser gleich eine dezentrale Versickerung anzustreben.

Die „schadlos überflutbare Grundstücksfläche“ sei nun eine Definition, der in Zukunft hohe Bedeutung zukomme, erläuterte Rickmann. „Ein kostengünstiges Leichtdach kann aber nicht auch noch mit einer kostengünstigen Entwässerungstechnik kombiniert werden – beides lässt sich nicht vereinbaren. Nur wenige Zentimeter an aufgestauten Niederschlägen können zu ganz erheblichen Auflastungen führen“, warnte er. Der Planer einer Dachentwässerung habe sicherzustellen, dass auch ein so genannter Jahrhundertregen durch Notüberläufe funktionssicher vom Dach abgeleitet werden könne.

Unterstützend dazu müsse das Entwässerungssystem zu einem bzw. mehreren Entspannungspunkten geführt werden, über die die Niederschläge austreten und definierte Flächen schadlos überfluten können.

Wie leistungsfähig dabei eine Dachentwässerung mit Druckströmung wirken kann, machte Bernd Ishorst deutlich und listete als Voraussetzung für die einwandfreie Funktion wichtige Bemessungsgrundsätze auf. Die DIN 1986-100 nennt Voraussetzungen sowohl für Druckströmungen als auch für herkömmliche Freispiegelentwässerungen. Wenn Letztere nicht be- und entlüftet werden, können Fehlfunktionen unterschiedlichster Art auftreten, wie Prof. Rickmann in einem weiteren Referat erläuterte.

Regenwasser lässt sich zurückhalten

Wie groß Flächen für die vor­über­gehende Regenspeicherung bemessen sein müssen und wie zeitnah von dort Niederschläge ans öffentliche Netz weitergegeben werden dürfen, ist im Merkblatt DWA-A118 festgelegt. Der Hamburger Entwäs­serungsspezialist Klaus-Dieter Sondergeld ging auf die Regenrückhaltung in Mulden, Regolen und industriell gefertigten Volumenspeichern ein, die als Drossel wirken können. „Als Ausgangsgröße für entsprechende Nennweiten in der weiterführenden Entwässerung gilt der zehnminütige Starkregen, der alle zwei Jahre einmal zu erwarten ist“, machte er den Planern deutlich und erinnerte daran, dass entsprechend der Kostra-Daten die zu erwartenden Mengen sehr unterschiedlich ausfallen können. Im Vortrag wurde klar, dass sich jeder Planer intensiv mit der Thematik auseinandersetzen sollte.

Leitungen möglichst sichtbar verlegen

Damit Entwässerungssysteme möglichst frei von Störungen funktionieren, macht die DIN 1986-100 umfangreiche Vorgaben. ZVSHK-Referent Franz-Josef Heinrichs zeigte in seinem Referat Punkte auf, die für eine fachgerechte Installation von Bedeutung sind. „Grundleitungen gehören heute nicht mehr unter die Sockelplatte“, prangerte er eine noch gängige Lösung an. Wähle man stattdessen für die Leitungswege Regionen unter der Kellerdecke, seien Störfall, Dichtheitsprüfung oder Teilerneuerung keine kostspielige Angelegenheit mehr, argumentierte er im Hinblick auf eine jahrzehntelange Gebäudenutzung.

Eine weitere Forderung listet das Regelwerk auf: „Regen- und Schmutzwasser sollen möglichst getrennt geführt und erst an der Grundstücksgrenze zusammengeleitet werden.“ Zwar sei dies bei engster Bebauung im Stadtbereich oftmals nicht ganz einfach zu realisieren, doch müsse das Mögliche getan werden, damit Starkregenereignisse und auftretende Störfälle weitestgehend ausgeschlossen werden können.

Weitere Schutzziele rund um Brandverhalten und Körperschall wurden von Lothar Allhenn thematisiert. Vor allem beim Schallschutz hat ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zu Irrita­tionen geführt. Der BGH hatte festgestellt, dass bei einer vereinbarten „optimalen Geräuschdämmung“ die Mindest-Standards der DIN 4109 nicht den Status einer anerkannten Regel haben könnten. Dies könne im Verhältnis Auftragnehmer / Auftraggeber zu teuren Missverständnissen in Bezug auf das einzuhaltende Schallschutz-Niveau führen. Ohne eine Vereinbarung mit dem Auftraggeber, in der eine bestimmte dB(A)-Zahl genannt ist, werde der Fachbetrieb in Zukunft vor Gericht einen schweren Stand haben, lautete das Resümee.

Zunehmend wichtig: Qualifizierung

Schon jetzt wird in einigen Re­gio­nen für die Herstellung von Grundstücksentwässerungen und Anschlusskanälen gefordert, dass nur fachlich geeignete Unternehmen ans Werk gehen dürfen. Städte wie Braunschweig, Hamburg oder Nürnberg waren unter den Ersten, die dies konsequent umgesetzt haben. Karsten Selleng (Braunscheig) sowie Peter Wichers (Hamburg) machten die Hintergründe deutlich, warum Städte und Kommunen diese Praxis verfolgen und welche wichtigen Ziele in den nächsten Jahren angestrebt werden müssen.

In NRW beispielsweise ist es durch das Landeswassergesetz (§61a) beschlossene Sache, dass bis Ende 2015 eine Prüfung aller erdverlegten Entwässerungssysteme vorzunehmen ist. Diese Sorgfaltspflicht galt für Gewerbegrundstücke zwar schon vor dem Jahr 2004, doch von Behördenseite fehlte oftmals die Entschlossenheit, dies entsprechend DIN 1986-30 durchzusetzen.

Eine neue Verwaltungsvorschrift, die jetzt im Frühjahr gültig werden wird, nimmt die Städte und Gemeinden in NRW, die Kanalnetze betreiben, in die Pflicht. Sie müssen sich darum bemühen, dass die Grundeigentümer ihre Grundleitungen auf Dichtigkeit und Zustand von qualifizierten Fachkundigen überprüfen lassen.

Einige tun dies bereits jetzt und haben sich nach Best-Practice-Modellen umgeschaut, wie bei der Vorstellung des Kommunalen Netzwerks Grundstücksentwässerung (KomNetGEW) deutlich wurde. Das Beispiel aus dem Ruhrgebiet könnte eine Pilotfunktion für weitere Städte haben. Umso wichtiger ist es, dass sich Fachbetriebe bereits im Vorfeld durch eine anerkannte Qualifikation vorbereiten, um möglichst bald bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden zu können.

ÜWG zertifiziert SHK-Betriebe

In Fulda zeigte Hans-Christian Möser auf, wie die Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau mit einem Leistungskatalog den dort organisierten Fachbetrieben aus dem Baugewerbe Hilfestellungen in der nötigen Qualifikation anbietet. Frank Lützenkirchen von der Überwachungsgemeinschaft Technische Anlagen der SHK-Handwerke (ÜWG SHK) ließ die Entwicklungen in Hamburg Revue passieren, die zur Zertifizierung von über 400 Mitgliedsbetrieben geführt hat. Weil es auch in Zukunft keine bundeseinheitlichen Regelungen für die Prüfung und Sanierung von Entwässerungssystemen geben wird, stellt sich die ÜWG SHK darauf ein, über die Landesstellen den SHK-Mitgliedsbetrieben anerkannte Qualifikationen zu vermitteln.

Zertifizierungen in ­Zukunft gleichwertig

Um die Suche nach geeigneten Fachbetrieben zukünftig zu erleichtern, zeichnet sich eine einheitliche Vorgehensweise ab: Unternehmen, die entweder Mitglied der Gütegemeinschaft Kanalbau sind oder aber durch die ÜWG SHK zertifiziert wurden, sollen ein gemeinsames Gütezeichen tragen. Geeignete Grundlage für die Qualifikation wäre das DWA-Merkblatt M 190 „Eignung von Unternehmen für Herstellung, baulichen Unterhalt, Sanierung und Prüfung von Grundstücksentwässerungen“. Träger eines solchen einheitlichen Zeichens kämen in eine Liste qualifizierter Betriebe, die von Städten und Kommunen für erforderliche Prüfungs- und Sanierungsaufgaben empfohlen werden könnten.

Grundstücksgrenzen werden in der Entwässerungstechnik nicht zur Abschottung genutzt, sondern haben lediglich Definitions-­Charakter. Auf beiden Seiten dieser imaginären Grenze sollen die Leitungen dicht sein. Gelegen ist daran sowohl der DWA, in der Städte und Kommunen Mitglied sind, als auch dem ­ZVSHK, der das SHK-Fachhandwerk als Dachorganisation repräsentiert. Mit der Gemeinschaftstagung verfolgt man seit zehn Jahren dieses wichtige Ziel und erörtert weitere Themen, die beiderseits „der Grenze“ Bedeutung haben. Und es soll noch mehr daraus entstehen: Gelingt es in naher Zukunft, unter gemeinsamer Regie ein gemeinsames anerkanntes Gütezeichen „Grundstücksentwässerung“ zu etablieren, wäre ein wichtiges Signal gesetzt. Dann gäbe es in einem Milliardenmarkt der Zukunft ­einen wichtigen Wegweiser, der bei der Auftragsvergabe für Prüfung und Sanierung allen ­Beteiligten Vorteile bieten würde.TD