Wenn der Anmeldestopp für eine Info-Tagung ausgerufen werden muss, dann ist entweder das Thema interessant oder das Angebot verlockend – oder beides. Der Abwassertag des ZVSHK hatte ins Schwarze getroffen. In Kassel war mit 320 angemeldeten Personen das organisatorisch vertretbare Maximum für eine solche Info-Tagung erreicht. Was aber machte das Angebot so attraktiv, dass die Nachfrage nicht ganz befriedigt werden konnte? Antwort: In einer Reihe von Referaten wurde das Wichtigste aus der Entwässerungstechnik für Planer und Praktiker hervorgehoben und allein das hätte die Seminargebühr bereits gerechtfertigt. Doch es gab mehr. Ein Autorenteam hatte zur gültigen DIN EN 12056-4 und der nationalen Restnorm DIN 1986-100 einen mehr als 400 Seiten starken Kommentar geschrieben; dank Sponsoring war es möglich, dass der ZVSHK den Teilnehmern dieses Fachbuch im Wert von 79 Euro als druckfrische Mitgliederausgabe als Gratis-Exemplar aushändigen konnte. Obendrein begleitete eine Fachausstellung mit Info-Ständen etlicher Entwässerungsspezialisten diesen Tag, sodass sich weitere Möglichkeiten für Expertengespräche ergaben.
Kleinere Rohre und Spülmengen
Die Fachhochschule für Sanitärtechnik in Burgsteinfurt hat sich durch wissenschaftliche Untersuchungen, u.a. in der Entwässerungstechnik, einen Namen gemacht. Beispielsweise konnten umfangreiche Versuche unter der Leitung von Prof. Bernd Rickmann nachweisen, dass durch verringerte Spülmengen und reduzierte Nennweiten in häuslichen Schmutzwasseranlagen zumindest gleichwertige Spülergebnisse und Selbstreinigungseffekte zu erzielen sind. Diese Erkenntnisse haben zu Änderungen in der Normung geführt.
Rickmann zeigte im Schnelldurchgang wichtige Punkte auf, die es bei der Planung und Ausführung von Sammel- und Grundleitungen zu beachten gilt. Er warnte davor, sich für die Dimensionierung größerer Systeme nur auf Tabellenwerte zu verlassen. „Das mag für Überschlagsrechnungen ausreichen“, gestand er zu, „doch in komplexen Entwässerungen verlangt die Hydraulik nach detaillierten Berechnungen.“ In seinem Vortrag gab er dazu seine Erfahrungen aus vielen Störfällen und Schadensbildern weiter.
Entwässerung zugänglich halten
Damit es möglichst nicht zu störanfälligen Entwässerungssystemen kommt, gibt der Kommentar zur DIN 1986-100 eine Fülle von Beispielen in Wort und Bild. Ein weiterer Autor des Buches, ZVSHK-Referent Franz-Josef Heinrichs, nahm sich in seinem Referat der fachgerechten Installation an. „Grundleitungen gehören heute nicht mehr unter die Sockelplatte“, prangerte er eine noch gängige Lösung an. Wähle man stattdessen für die Leitungswege Regionen unter der Kellerdecke, seien Störfall, Dichtheitsprüfung oder Teilerneuerung keine kostspielige Angelegenheit mehr, argumentierte er im Hinblick auf eine jahrzehntelange Gebäudenutzung.
Eine weitere Forderung im neuen Regelwerk: „Regen- und Schmutzwasser sollen möglichst getrennt geführt und erst an der Grundstücksgrenze zusammengeleitet werden.“ Zwar sei dies bei engster Bebauung im Stadtbereich oftmals nicht praktikabel, doch müsse das Mögliche getan werden, damit Starkregenereignisse und auftretende Störfälle weitestgehend glimpflich verlaufen könnten. Als wichtiges Schutzziel gelte es, Schäden durch fäkalienvermischte Abwässer in einem Gebäude möglichst ausschließen zu können.
Starkregen neu definiert
Starkregenereignisse haben der Entwässerungs-Norm ihren Stempel aufgedrückt. Bedingt durch den Klimawandel hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) zu erwartende außergewöhnlich heftige Niederschläge neu definiert. Ein 5 Minuten dauernder Starkregen, der statistisch einmal in 5 Jahren zu erwarten ist, muss heute etwa um 10 % reichhaltiger bemessen werden als früher.
Alle Regionen Deutschlands sind in der Datenbank Kostra DWD 2000 erfasst und können beispielsweise von Entwässerungsspezialisten für ihre Planung genutzt werden. Nähere Infos zur erforderlichen Software (auch Demo-CD): http://www.itwh.de
Prof. Bernd Rickmann erläuterte wichtige Punkte in der Entwässerungstechnik auf privatem Grund. Die kommunalen Wasserbehörden würden jetzt deutlich stärker darauf drängen, dass möglichst wenig Niederschlag dem öffentlichen Entwässerungssystem zugeführt wird. Deshalb gelte es, eine zeitlich bedingte Regenrückhaltung oder besser gleich eine dezentrale Versickerung anzustreben.
Flächen schadlos überfluten
Die „schadlos überflutbare Grundstücksfläche“ sei nun eine Definition, der in Zukunft hohe Bedeutung zukomme, erläuterte Rickmann. „Ein kostengünstiges Flachdach kann aber nicht auch noch mit einer kostengünstigen Entwässerungstechnik kombiniert werden – beides lässt sich nicht vereinbaren. Nur wenige Zentimeter an aufgestauten Niederschlägen können zu ganz erheblichen Auflastungen führen“, warnte er. Der Planer einer Dachentwässerung habe sicherzustellen, dass auch ein sogenannter Jahrhundertregen durch Notüberläufe funktionssicher vom Dach abgeleitet werden könne. Unterstützend dazu müsse das Entwässerungssystem zu einem bzw. mehreren Entspannungspunkten geführt werden, über die die Niederschläge austreten und definierte Flächen schadlos überfluten können.
Wie groß diese Flächen bemessen sein müssen und wie zeitnah von dort Niederschläge ans öffentliche Netz weitergegeben werden dürfen, ist im Merkblatt DWA-A118 festgelegt. Der Hamburger Entwässerungsspezialist Klaus-Dieter Sondergeld ging auf die Regenrückhaltung in Mulden, Regolen und industriell gefertigten Volumenspeichern ein, die als Drossel wirken können. „Als Ausgangsgröße für entsprechende Nennweiten in der weiterführenden Entwässerung gilt der zehnminütige Starkregen, der alle zwei Jahre einmal zu erwarten ist“, machte er den Planern deutlich und erinnerte daran, dass entsprechend der Kostra-Daten die zu erwartenden Mengen sehr unterschiedlich ausfallen können. Im Vortrag wurde deutlich, dass sich jeder betroffene Fachbetrieb intensiv mit der Thematik auseinandersetzen sollte.
Weitere Fachbeiträge konzentrierten sich auf folgende Punkte:
- Planung von Abwasserhebeanlagen
- Bauprodukte und ihre CE-Kennzeichnung
- Empfehlenswerte Weiterbildungen, die durch die Überwachungsgemeinschaft Technische Anlagen der SHK-Handwerke realisiert werden können.
Was der Fachmann zur Gebäude- und Grundstücksentwässerung benötigt, findet sich jetzt zusammengefasst in der überarbeiteten DIN 1986-100, die nach vier Jahren Normarbeit im Mai 2008 in Kraft getreten ist. Statt wie in der Vergangenheit 14 verschiedene Regelwerke bemühen zu müssen, lässt sich nun übersichtlich gegliedert alles aus einer Norm bzw. einem kommentierenden Fachbuch entnehmen.
Das Konzept dieser Informationsveranstaltung wurde von den Teilnehmern allgemein als nützlich bewertet. Deshalb plant der ZVSHK aufgrund des hohen Zuspruchs, diesen Tagestermin im Herbst im Süden der Republik erneut anzubieten.
TD