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Wer ist „Herr im Bad“?

Handwerk, Handel und Hersteller: Arbeitsteilung auf Augenhöhe

SBZ: Wo fällt künftig überwiegend die Kaufentscheidung für ein Bad? Online, in der Ausstellung, in der Beratungslounge des Bäderplaners?

Jens J. Wischmann: Nicht nur beim zukünftigen, sondern schon beim jetzigen Weg des Kunden, der sogenannten Customer Journey, fällt diese Entscheidung wahrscheinlich an allen drei „Berührungspunkten“. Die Vorabinformation im Netz gehört ebenso dazu wie die Gespräche mit dem Badplaner oder der Badplanerin in der Ausstellung. Und zwar sowohl in den Ausstellungen des Großhandels als auch in denen des Fachhandwerks.

SBZ: Und wer plant künftig überwiegend die Bäder in der Branche: der Großhandel, das Handwerk, die Industrie gleich selbst?

Wischmann: Ich denke, dass sich trotz aller Veränderungen die bewährte Arbeitsteilung in Zukunft fortsetzt. Da, wo der Großhandel partnerschaftlich Beratungs- und Planungsleistung anbietet, greift das Handwerk sicherlich gerne darauf zurück. Viele Fachhandwerker bieten durch eigene Badplanungskompetenz aber auch einen alternativen individuellen Weg. Die Tatsache, dass beim Komplettbad alles aus einer Hand angeboten wird, erleichtert die Abläufe in Hinblick auf Schnittstellen und die Einbeziehung von anderen Gewerken.

Badplanung durch die Industrie sehe ich eher im Bereich größerer Objekte und im Hospitality-­Bereich. Natürlich könnte man daran denken, das Geschäft mit dem Privatkundenbereich weiter auszudehnen. Allerdings bedarf es dann für die Umsetzung vor Ort in jedem Fall des Fachhandwerks und des Fachgroßhandels als Logistikern. Die Vielzahl der individuellen Aufgaben vor Ort und die im Vergleich doch recht aufwendige Planung und Durchführung von Einzelobjekten wird meines Erachtens dazu führen, dass dieser Geschäftsbereich größtenteils weiter in der Hand des Fachhandwerks bleibt.

SBZ: Oder übernehmen diese Aufgabe künftig Online-Badkonfiguratoren, die mit einer ordentlichen KI ausgestattet Raumaufteilung, Produkte, Farben und Oberflächen besser in Einklang bringen und auch schneller und „netter“ mit dem Interessenten kommunizieren?

Wischmann: Daran könnte man in der Tat denken, allerdings zeigt sich schon bei den bestehenden Badkonfiguratoren, dass es so einfach eben nicht ist und viele Planungen, die Endverbraucher im Netz durchgeführt haben, eben einer konkreten Bausituation nicht entsprechen. Nicht umsonst haben wir in der Bad-Akademie immer sehr viel Wert auf das Aufmaß gelegt, mit einer umfassenden Analyse der Ist-Situation, nicht nur im Bereich der Anschlüsse, sondern auch der bestehenden Technik hinter der Wand, der Frage der Lüftung, der Fenster und Türen, der Materialien etc. Gerade bei kniffligen Einzelfragen bedarf es der technischen Kompetenz und der Erfahrung, um hier zu kundengerechten Lösungen zu kommen.

Was aber verstärkt zum Einsatz kommen kann – und auch bereits eingesetzt wird – sind Logarithmen, die bei der Auswahl bestimmter Produkte gleich Montageinformationen, wichtige technische Hinweise, Verfügbarkeit und gegebenenfalls auch Preise miteinander verbinden und somit dem Badplaner die Arbeit erheblich erleichtern. Und es auch weniger geschulten Mitarbeitern möglich machen, bereits frühzeitig eine Planung im Detail durchzuführen und eine Preisauskunft geben zu können. Aber in der Durchführung und im individuellen Kundenkontakt wird weiter der oder die Badplaner/in unverzichtbar sein.

SBZ: Ist das Know-how über die drei Vertriebsstufen gleichmäßig gut verteilt, um für die Endkunden das jeweils individuell beste Ergebnis hervorzubringen? Wo gibt es Verbesserungspotenzial, um das Ziel zu erreichen?

Wischmann: Eine schwierige Frage, denn in der Tat sollte es so sein, dass die drei Vertriebsstufen Hand in Hand zusammenarbeiten, um eben das individuell beste Bad installieren zu können. In der Zeit unserer Bad-Akademie stellten wir fest, dass es häufig an Verständnis für die Belange und Probleme der anderen Vertriebsstufen fehlt. Nicht umsonst haben wir unsere Schulung als erstmals vertriebsstufenübergreifend angelegt, damit man voneinander lernt und z. B ein einheitliches Aufmaßschema verwendet. Wünschenswert wäre, wenn es gelänge, dieses Miteinander- und Voneinander-Lernen wieder anzubieten und in der Branche dauerhafter zu etablieren.

Über 250 Personen sind an einer Badplanung beteiligt, wenn ich alle Vertriebsstufen zusammenzähle, und viele wissen gar nicht, was in den anderen Stufen oder auf dem Bau passiert. Gemeinsames Lernen könnte hier Abhilfe schaffen, die Prozesse vom Endkunden her zu denken und als Vertriebsstufen besser gemeinsam zu agieren. Die große Hoffnung liegt z. B. in neuen Datenformaten und einem Datenaustausch, der es ermöglicht, das Bad unter Berücksichtigung der neuesten Produkte und Technologien schneller und einfacher zu planen, gleichzeitig die Warenverfügbarkeit garantierter sicherzustellen und dann auch noch die Installation vor Ort einfacher durchzuführen. Ich hoffe, dass diese Potenziale genutzt werden und man in jeder Vertriebsstufe bereit ist, seinen Mitarbeitern den Austausch mit den jeweils anderen Partnern zu ermöglichen. Hier sehe ich noch einiges an Verbesserungspotenzial.

SBZ: Die Verzahnung von Planung und Praxis gelingt aber im Handwerk am besten?

Wischmann: Das liegt sicher in der Natur der Sache, denn in einem kleinen Handwerksbetrieb besteht eben der persönliche Kontakt untereinander und das ist immer noch die beste Gewähr für eine erfolgreiche Abstimmung. Gerade die von mir häufig beobachteten Baubesprechungen mit den angeschlossenen Gewerken waren dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor. In der bereits zitierten Bad-Akademie haben wir deshalb viel Wert darauf gelegt, nicht nur schöne und in der Theorie überzeugende Planungen zu erstellen, sondern diese eben auch einem Praxistest zu unterziehen. Dazu gehört, darauf zu achten, welche baulichen Maßnahmen ein Bad erheblich verteuern und wo Einsparpotenziale sowohl in finanzieller als auch in zeitlicher Hinsicht liegen können – oder eben auch Verschwendungspotenziale. Zu befürchten ist, dass bei dem anstehenden Generationswechsel und dem demografischen Wandel viel vorhandenes Expertenwissen der „älteren“ Badprofis verloren geht. Man kann nur hoffen, dass dieses Wissen an die nächste Generation der Bäderbauer weitergegeben wird.

SBZ: Warum sollte der Großhandel die Dienstleistung „Badplanung“ dennoch anbieten, ja, sogar ausbauen?

Wischmann: Wie ich bereits sagte, es kommt auf die konkrete Arbeitsteilung vor Ort an. Für einen Handwerksbetrieb mit Schwerpunkt Installation kann es gute Gründe geben, die Badplanung an den Großhandel auszulagern. Sowohl auf Handwerks- wie auf Handelsseite gibt es bewährte Partnerschaften, wo sich die Mitarbeiter bereits seit Jahren kennen und die Abstimmung mindestens so gut wie bei einer Inhouse-Planung funktioniert. Beide Seiten konzentrieren sich auf die jeweiligen Schwerpunkte. Und aus Endkundensicht hat das natürlich den großen Vorteil, dort die Planung durchführen zu lassen, wo man eine große Auswahl von Produkten und Badkojen sehen kann. Insofern sehe ich dort auch keinen Konflikt oder Widerspruch, sondern eine Arbeitsteilung auf Augenhöhe.

SBZ: Müssen wir uns als Fachschiene Sorgen machen wegen der Attraktivität der Baumärkte? Einige Ketten haben den Bereich Bad inklusive Planungsleistung massiv ausgebaut, manche Stimmen behaupten gar, auch dort werden ansehnliche Projekte umgesetzt.

Wischmann: Danke für diese Frage, denn in der Tat hat die Branche die Baumärkte in den letzten Jahren etwas aus den Augen verloren. Waren sie früher der große Buhmann, so wurde diese Rolle später eher von den Onlinehändlern übernommen. Aber es stimmt, die Baumärkte haben ihr Planungsangebot ausgeweitet und sind durch den Druck der Onlineanbieter gezwungen, selber Onlineshops anzubieten bzw. Beratungs- und Präsentationsleistung zu verbessern. Allerdings: Das Geschäftsprinzip der Baumärkte ist immer noch „cash and carry“, jede Ausweitung von Service, Dienstleistung, Beratung und Planung muss auch bei ihnen zwangsläufig zu einer Verteuerung der Produkte führen. Deshalb glaube ich, dass der professionelle Vertriebsweg mit diesen Mitbewerbern – die wir aus wettbewerbsrechtlichen Gründen natürlich begrüßen! – durchaus mithalten, ja sogar seine Position verteidigen und ausbauen kann.

SBZ: Wo liegen im Jahr 2021 die Vorteile der Fachschiene für den Kunden und was können alle Branchenbeteiligten unternehmen, um sich dennoch auch in Zukunft gegenüber der Konkurrenz z. B. aus der Baumarktecke zu behaupten?

Wischmann: Trotz aller Veränderungen, der Digitalisierung und des Aufkommens insbesondere von Anbietern im Onlinebereich sind es eigentlich immer noch die gleichen Vorteile, die die Fachschiene für den Endkunden interessant machen. Es ist die Auswahl von qualitativen und hoch innovativen Markenprodukten, eine umfassende Branchenlogistik, die die verzuglose Montage und Installation überhaupt erst möglich macht, und nicht zuletzt ein qualifiziertes Fachhandwerk, das diese technisch und ästhetisch anspruchsvollen Produkte sicher und fachgerecht in das Bad bringt.

Gerade das Thema Sicherheit, sei es bei den Produkten, bei der Montage, bei der Verfügbarkeit, bei der Nachkaufgarantie oder dem Service, stellt ein ganz wichtiges Argument für die Fachschiene dar. Neue Technologien bedürfen zu ihrem sicheren Einsatz auch der entsprechenden Schulung der Mitarbeiter und der Erfahrung dieser Mitarbeiter mit den ständig wechselnden Einbausituationen. Deshalb ist es nicht beliebig, wie sich die Produktauswahl für ein Bad ergibt, sondern sie beruht neben den ästhetischen Präferenzen vor allem auf den technischen Gegebenheiten und den Erfahrungen des Fachhandwerks vor Ort.

In den letzten Jahren hat sich der Prozessgedanke endlich auch in der Fachschiene durchgesetzt und jede Vertriebsstufe versteht sich idealerweise als Teil eines großen Ganzen, das dann erst zu einem fertigen Bad führt. Der Einsatz von neuen Programmen und neuen Onlinetools in diesem Badprozess, von Badkonfiguratoren und Badplanungsprogrammen, und der elektronische Datenaustausch zwischen Hersteller, Handel und Handwerk machen die Fachschiene noch schneller, schlanker und effektiver und damit wettbewerbsfähig auch in der Zukunft.

SBZ: Ein wichtiger Punkt für den dauerhaften Erfolg der Fachschiene ist die Verfügbarkeit von Badplanungsdaten. Hersteller, Großhandel und die Anbieter einschlägiger Software fürs Handwerk arbeiten da mittlerweile deutlich enger zusammen als in der Vergangenheit. Welche digitalen Projekte sollten demnächst angegangen werden?

Wischmann: Nun, diese Frage müssten Sie eher an die Arge Neue Medien richten, da dort ja an diesem Thema unter Einbeziehung aller drei Vertriebsstufen gearbeitet wird. Als Anregung würde ich lediglich anmerken, diese digitalen Prozesse wirklich vom Ende, d. h. vom Endkunden her zu denken und nicht nur aus Branchensicht. Gerade die Erfahrungen des Fachhandwerks vor Ort zeigen, dass es bei bestimmten Planungsdaten doch immer noch Lücken gibt bzw. die Aufarbeitung für die tägliche Praxis Verbesserungspotenziale beinhaltet. Aus den Erfahrungen einiger Bachelor-­Arbeiten an der Dualen Hochschulen Mosbach habe ich den Eindruck gewonnen, dass auch beim Reklamationswesen noch erhebliches Potenzial liegt. Überall da, wo die Zusammenarbeit auf diesem Feld zwischen den drei Vertriebsstufen Arbeitsprozesse verschlanken und vereinfachen kann und somit einen echten Mehrwert stiftet, wird sich der Erfolg der Fachschiene für alle Beteiligten auszahlen.

SBZ: Gerade die Entwicklung bei der Digitalisierung zeigt, die einzelnen Branchenbereiche müssen enger zusammenrücken. Wie sehr helfen da gemeinschaftliche Projekte wie z. B. der „Tag des Bades“? Braucht die Branche noch weitere Aktionen in dieser Art?

Wischmann: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich beim „Tag des Bades“ aktuell um die einzige gemeinsame Aktion aller drei Vertriebsstufen im Badmarketing handelt. Größere gemeinschaftliche Werbeaktionen sind angesichts der Vielfalt der Interessen und auch der schwierigen Finanzierung leider nicht machbar. Umso wichtiger, dass die Branche den „Tag des Bades“ als Anlass nutzt, sei es durch eine nationale PR- und Öffentlichkeitsarbeit, sei es durch Hinweise auf die eigenen Ausstellungen, sei es durch Aktionen vor Ort, wie das Aufgreifen des Themas in der Werbung, und durch den Einsatz der vorbereiteten Aktionsmittel. Dies ist auch dieses Jahr wieder erfolgt. Trotz der sicher guten Auftragslage haben viele Ausstellungen von Handel und Handwerk und in der Industrie den Tag genutzt, um in den Medien auf sich aufmerksam zu machen. Dies belegen zahlreiche Abdrucke und vor allem auch das Interesse der Medien an dem Tag des Bades.

Ich darf auch an die „Aktion Barrierefreies Bad“ erinnern, mit der wir umfassende Aufklärung in der Branche und in der Öffentlichkeit für das gesamte Thema barrierearmes bzw. -freies Bad und in Zukunft auch das Pflegebad leisten. Dies wird vom Industrieforum Sanitär (IFS), dem Deutschen Großhandelsverband Haustechnik (DGH) und dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK), also Industrie, Handel und Handwerk gemeinsam unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind.

Auch das Thema Hygiene, sowohl Trinkwasserhygiene als auch die persönliche Hygiene, ist nicht zuletzt durch die Entwicklungen der letzten Monate in den Fokus gerückt. Hier haben wir, zusammen mit anderen Verbänden und Institutionen, einiges an Aufklärungsmaterial erarbeitet, das vor Ort eingesetzt werden kann. So sehe ich im Übrigen die Aufgabe der Verbände: Sie sollen Grundsatzmaterial entwickeln, das von der Branche eingesetzt werden kann, entsprechende Presseanfragen beantworten und die Öffentlichkeit für ein Thema sensibilisieren. Die berühmte „Abholung vor Ort“, d. h. die Überzeugung des Kunden, sich mit dem Thema zu beschäftigen, kann dann natürlich nur durch die Branchenbeteiligten selbst erfolgen, d. h. durch die Mitarbeiter in den Ausstellungen von Industrie, Handel und Handwerk.

Dass dieses gemeinsame Wirken in der Vergangenheit durchaus erfolgreich war, belegen ja die Verankerung von Themen wie „Private Spa“, „Komplettbad aus einer Hand“, „Barrierefreies Bad“ und anderen in der Öffentlichkeit. Und unbescheiden darf man, glaube ich, sagen, dass wir diese Themen deutlich nach vorne gebracht und somit erfolgreich im Sinne der Branche gearbeitet haben. Einen solchen Schulterschluss wünsche ich mir natürlich viel öfter, und auch die Einsicht, dass dieser gemeinsame Einsatz wirklich sinnvoll ist. 

„Trotz aller Veränderungen, der ­Digitalisierung und des Aufkommens insbesondere von Anbietern im Onlinebereich sind es eigentlich immer noch die gleichen Vorteile, die die Fachschiene für den Endkunden interessant machen“, sagt Jens J. Wischmann.

Bild: VDS / Jipp

„Trotz aller Veränderungen, der ­Digitalisierung und des Aufkommens insbesondere von Anbietern im Onlinebereich sind es eigentlich immer noch die gleichen Vorteile, die die Fachschiene für den Endkunden interessant machen“, sagt Jens J. Wischmann.

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